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«Oh! das unterliegt keiner Schwierigkeit: ich selbst verweile und verberge mich einige Meilen von hier, bis mich mein Bruder abholt; wenn Ihr wollt, nehme ich Euch mit mir, wir verbergen uns miteinander und warten gemeinschaftlich auf Erlösung.«

«Man wird mich nicht ziehen lassen, ich bin gleichsam als Gefangene hier.«

«Da man meint, ich reise auf einen Befehl des Kardinals, so wird man nicht annehmen, daß Ihr große Lust habet, mir zu folgen.«—»Und dann?«

«Der Wagen ist vor der Thüre, Ihr sagt mir Lebewohl, Ihr steigt auf den Fußtritt, um mich zum letzten Mal in Eure Arme zu schließen, der Bediente meines Bruders, der mich fortführt, wird unterrichtet, er gibt dem Postillon ein Zeichen und wir eilen im Galopp davon.

«Aber d'Artagnan, wenn d'Artagnan kommt?«

«Werden wir es nicht erfahren?«—»Wie dies?«

«Nichts leichter, — wir schicken diesen Bedienten meines Bruders, auf den wir uns verlassen können, zurück; er nimmt unter einer Verkleidung sein Quartier dem Kloster gegenüber; kommen Emmissäre des Kardinals, so rührt er sich nicht, erscheinen aber Herr d'Artagnan und seine Freunde, so führt er sie an den Ort, wo wir uns aufhalten.«

«Er kennt sie also?«

«Allerdings; hat er nicht Herrn d'Artagnan bei mir gesehen?«

«Oh! ja, ja, Ihr habt Recht. So wird Alles gut gehen, so macht sich die Sache vortrefflich; aber brechen wir nicht bald auf?«

Um sieben Uhr oder spätestens um acht Uhr sind wir an der Grenze, und bei dem ersten Lärmen verlassen wir Frankreich.«

«Und was soll ich bis dahin machen?«

«Warten.«

«Aber wenn sie kommen?«

«Der Wagen meines Bruders wird vor ihnen hier sein.«

«Wenn ich im Augenblicke, wo man Euch abholt, von Euch entfernt bin, beim Mittags- oder Abendessen zum Beispiel?«

«So hört, was Ihr thun könnt.«

«Was?«

«Sagt unserer guten Aebtissin, Ihr bittet sie, mein Mahl mit mir theilen zu dürfen, damit Ihr mich so wenig als möglich zu verlassen habt.«

«Wird sie es erlauben?«

«Was kann hiebei als ungeeignet erscheinen?«

«Oh! schön, schön! auf diese Art verlassen wir uns nicht einen Augenblick.«

«Nun so geht zu ihr hinab und tragt ihr Eure Bitte vor, mein Kopf ist mir so schwer und ich will einen Gang durch den Garten thun.«

«Geht, und wo treffe ich Euch wieder?«

«Hier, in einer Stunde!«

«Oh! ich danke Euch; wie gut seid Ihr doch!«

«Wie sollte ich nicht innige Theilnahme für Euch hegen, da Ihr so schön und liebenswürdig seid, und seid Ihr denn nicht auch die Freundin eines meiner besten Freunde?«

«Der theure d'Artagnan! oh! wie wird er Euch danken!«

«Ich hoffe es. Aber nun vorwärts; Alles ist verabredet; laßt uns hinabgehen.«

«Ihr geht in den Garten?«

«Ja.«

«Folgt der Flur; geht eine kleine Treppe hinab.«

«Gut; ich danke Euch.«

Und mit dem holdseligsten Lächeln verließen sich die zwei Frauen.

Mylady hatte die Wahrheit gesprochen: der Kopf war ihr schwer, denn ihre noch ungeordneten Pläne trieben sich wie in einem Chaos durcheinander. Sie bedurfte der Einsamkeit, um etwas Ordnung in ihre Gedanken zu bringen; ihr Blick in die Zukunft war nicht klar und sie brauchte Ruhe und Stille, um allen ihren Ideen eine bestimmte Form, feste Anhaltspunkte zu geben.

Das Dringendste war, Madame Bonacieux zu entführen und an einen sichern Ort zu bringen, um sie erforderlichen Falls als Geißel zu gebrauchen. Mylady fing an, den Ausgang des furchtbaren Zweikampfes zu fürchten, bei welchem ihre Feinde eben so viel Hartnäckigkeit zeigten, als sie selbst Erbitterung bewies.

Ueberdies fühlte sie, wie man den Sturm kommen fühlt, daß dieser Ausgang nahe war und nothwendig furchtbar werden mußte.

Die Hauptsache schien ihr also zu sein, daß sie Madame Bonacieux in ihren Händen hielt. Mit Madame Bonacieux hatte sie das Leben d'Artagnans, ja noch mehr das Leben der Frau, die er liebte, in ihrer Gewalt. Im allerschlimmsten Fall besaß sie dadurch ein Mittel zu unterhandeln und auf sichere Weise gute Bedingungen zu erzielen.

Dieser Punkt war nun festgestellt. Madame Bonacieux folgte ihr ohne Mißtrauen; einmal mit ihr in Armentivres verborgen, konnte man sie leicht glauben machen, d'Artagnan sei nicht nach Bethune gekommen. In spätestens vierzehn Tagen mußte Rochefort zurückkehren. Während dieser vierzehn Tage würde sie wohl einen Plan ersinnen, um sich an den vier Freunden zu rächen. Langweile könnte sie, Gott sei Dank! keine bekommen, denn sie hätte den süßesten Zeitvertreib zu erwarten, den die Ereignisse einer Frau ihres Charakters zu gewähren im Stande sind: sie hätte ein schönes Rachewerk zu vollführen.

Unter diesen Träumen schaute sie umher und ordnete in ihrem Kopfe die Topographie des Gartens; Mylady war ein guter Feldherr, der zugleich den Sieg und die Niederlage vorher berechnet und sich bereit hält, je nach den Chancen der Schlacht vorwärts zu marschiren oder sich fechtend zurückzuziehen.

Nach Verlauf einer Stunde hörte sie eine sanfte Stimme, welche sie rief: es war Madame Bonacieux. Die gute Aebtissin hatte natürlich zu allem ihre Einwilligung ertheilt, und um den Anfang zu machen, sollten sie mit einander ein Abendbrod nehmen.

Als sie in den Hof kamen, vernahmen sie das Geräusch eines Wagens, der vor dem Thore anhielt. Mylady horchte.

«Hört Ihr?«sprach sie. — »Ja, das Rollen eines Wagens.«—»Es ist der, welchen uns mein Bruder schickt.«—»Oh! mein Gott!«—»Auf! Muth gefaßt!«

Man läutete an der Klosterpforte, Mylady hatte sich nicht getäuscht.

«Geht in Euer Zimmer hinauf, «sagte sie zu Madame Bonacieux.»Ihr habt wohl einige Juwelen, die ihr mitzunehmen wünschen werdet.«

«Ich habe seine Briefe, «erwiderte sie.

«Nun wohl! so geht und holt sie! kommt dann sogleich zu mir, wir nehmen geschwind einige Nahrung zu uns; vielleicht reisen wir einen Theil der Nacht, wir bedürfen unserer Kräfte.«

«Großer Gott!«sprach Madame Bonacieux;»mein Herz droht zu zerspringen, ich kann nicht von der Stelle.«

«Muth gefaßt! meine Theure, Muth gefaßt! Bedenkt, daß Ihr in einer Viertelstunde gerettet seid, und daß Ihr das, was Ihr thut, für ihn thut.«

«Ja, ja! Alles, Alles für ihn. Ihr habt mir durch ein einziges Wort meinen Muth wieder gegeben.«

Mylady eilte in ihr Zimmer, sie fand hier den Bedienten Rocheforts und gab ihm seine Instruktionen.

Er sollte vor dem Thor warten; würden zufällig die Musketiere erscheinen, so sollte der Wagen im Galopp um das Kloster fahren und Mylady in einem Dörfchen erwarten, das auf der andern Seite des Gehölzes lag.

In diesem Fall würde Mylady durch den Garten gehen und das Dörfchen zu Fuß zu erreichen suchen; Mylady kannte diesen Theil Frankreichs erwähnter Maßen ganz vortrefflich.

Würden die Musketiere nicht erscheinen, so sollten die Dinge vor sich gehen, wie es verabredet war. Madame Bonacieux stieg in den Wagen, unter dem Vorwand, ihr Lebewohl zu sagen, und sie entführte Madame Bonacieux.

Madame Bonacieux trat ein, und um ihr jeden Argwohn zu benehmen, wenn sie einen solchen hätte, wiederholte sie dem Bedienten in ihrer Gegenwart den letzten Theil seiner Instruktion.

Mylady machte einige Fragen in Beziehung auf den Wagen; es war eine mit drei Pferden bespannte Chaise, geführt von einem Postillon. Der Lakai Rocheforts sollte als Courier vorausreiten.

Mylady hatte Unrecht, wenn sie einen Argwohn bei Madame Bonacieux befürchtete. Die arme junge Frau war zu rein, um bei einem andern weiblichen Wesen eine solche Treulosigkeit zu ahnen. Ueberdieß war ihr der Name der Gräfin Winter, den sie von der Aebtissin gehört hatte, völlig unbekannt, und sie wußte nicht einmal, daß eine Frau einen so großen und unseligen Antheil an den Unglücksfällen ihres Lebens gehabt hatte.