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Er hatte kaum vollendet, als d'Artagnan mit seiner Degenspitze einen so wüthenden Stoß nach ihm führte, daß er, ohne einen sehr raschen Sprung rückwärts, wahrscheinlich zum letzten Mal gescherzt hätte. Der Unbekannte sah jetzt, daß die Sache über den Spaß hinausging; er zog seinen Degen, begrüßte seinen Gegner und nahm eine Fechterstellung ein. Aber in demselben Augenblick fielen seine zwei Zuhörer in Begleitung des Wirthes mit Stöcken, Schaufeln und Feuerzangen über d'Artagnan her. Dies gab dem Angriff eine so rasche und vollständige Diversion, daß d'Artagnan's Gegner, während sich dieser umwandte, um einen Hagel von Schlägen abzuwehren, seinen Degen mit der größten Gelassenheit einsteckte und aus einem darstellenden Mitglied, das er beinahe geworden wäre, wieder Zuschauer des Kampfes wurde, — eine Rolle, deren er sich mit seiner gewöhnlichen Unempfindlichkeit entledigte. Nichtsdestoweniger murmelte er durch die Zähne:

«Die Pest über alle Gascogner! Setzt ihn wieder auf sein orangefarbiges Pferd, er mag zum Teufel gehen.«

«Nicht ohne Dich getödtet zu haben, Feigling!«rief d'Artagnan, während er sich so gut als möglich und ohne einen Schritt zurückzuweichen gegen seine drei Feinde, die ihn mit Schlägen überhäuften, zur Wehre setzte.

«Abermals eine Gasconnade«, murmelte der Edelmann.»Bei meiner Ehre, diese Gascogner sind unverbesserlich! Setzt also den Tanz fort, da er es durchaus haben will. Wenn er einmal müde ist, wird er schon sagen, es sei genug.«

Aber der Unbekannte wußte noch nicht, mit was für einem hartnäckigen Menschen er es zu thun hatte; d'Artagnan war nicht der Mann, der Gnade gefordert hätte. Der Kampf dauerte also noch einige Sekunden fort, doch endlich ließ d'Artagnan erschöpft seinen Degen fahren, den ein Schlag mit einer Heugabel entzwei brach. Ein anderer Schlag, welcher seine Stirne traf, schmetterte ihn beinahe zu derselben Zeit blutend und fast ohnmächtig nieder. In diesem Augenblick kamen von allen Seiten Leute auf den Schauplatz gelaufen, der Wirth fürchtete ein ärgerliches Aufsehen und trug den Verwundeten mit Hülfe einiger Kellner in die Küche, wo man ihm Pflege angedeihen ließ.

Der Edelmann aber hatte seinen früheren Platz am Fenster wieder eingenommen und betrachtete mit einer gewissen Ungeduld die umherstehende Menge, deren Verweilen ihm sehr ärgerlich zu sein schien.

«Nun! wie geht es dem Wüthenden?«sagte er, indem er sich bei dem durch das Oeffnen der Thüre verursachten Geräusch umkehrte und an den Wirth wandte, der sich nach dessen Befinden erkundigt hatte. — »Ew. Excellenz ist gesund und wohlbehalten?«fragte der Wirth. — »Ja, vollkommen wohl und gesund, mein lieber Wirth, und ich frage Euch, was aus unserem jungen Menschen geworden ist?«—»Es geht besser mit ihm, «erwiederte der Wirth:»er ist in Ohnmacht gefallen.«—»Wirklich?«sprach der Edelmann.

«Doch ehe er in Ohnmacht fiel, raffte er alle seine Kräfte zusammen, rief nach Euch und forderte Euch heraus.«—»Dieser Bursche ist also der leibhaftige Teufel!«rief der Unbekannte. — »O nein, Ew. Excellenz, es ist kein Teufel, «entgegnete der Wirth mit einer verächtlichen Grimasse,»denn während seiner Ohnmacht haben wir ihn durchsucht und in seinem Päckchen nicht mehr als ein Hemd, in seiner Börse nicht mehr als zwölf Thaler gefunden, was ihn jedoch nicht abhielt, kurz bevor er in Ohnmacht fiel, zu bemerken, wenn dergleichen in Paris geschehen wäre, so müßtet Ihr dies sogleich bereuen, während Ihr es hier erst später bereuen würdet.«—»Dann ist er irgend ein verkleideter Prinz von Geblüt, «sagte der Unbekannte kalt. — »Ich theile Euch dies mit, gnädiger Herr, «versetzte der Wirth,»damit Ihr auf Eurer Hut sein möget.«—»Und er hat Niemand in seinem Zorn genannt?«— ›Allerdings, er schlug an seine Tasche und sagte:»Wir wollen sehen, was Herr von Treville zu der Beleidigung sagen wird, die seinem Schützling widerfahren ist.‹ —»Herr von Treville?«sprach der Unbekannte mit steigender Aufmerksamkeit;»er schlug an seine Tasche, während er den Namen des Herrn von Treville aussprach?… Hört, mein lieber Wirth, indeß Euer junger Mann in Ohnmacht lag, habt Ihr sicherlich nicht versäumt, ein wenig in diese Tasche zu schauen. Was fand sich darin?«—»Ein Brief, mit der Adresse des Herrn von Treville, Kapitäns der Musketiere.«—»Wirklich?«—»Es ist, wie ich Ew. Excellenz zu sagen die Ehre habe.«

Der Wirth, welcher eben nicht mit übergroßem Scharfsinn begabt war, gewahrte den Ausdruck nicht, den seine Worte auf dem Gesichte des Unbekannten hervorriefen. Dieser entfernte sich von dem Gesimse des Kreuzstocks, auf das er sich bis jetzt mit dem Ellbogen gestützt hatte, und faltete die Stirne, wie ein Mensch, den etwas beunruhigt.

«Teufel!«murmelte er zwischen den Zähnen,»sollte mir Treville diesen Gascogner geschickt haben? Er ist noch sehr jung! Aber ein Degenstich bleibt ein Degenstich, welches Alter auch sein Spender haben mag, und man nimmt sich vor einem jungen Bürschchen weniger in Acht, als vor anderen Leuten; Zuweilen genügt ein schwaches Hinderniß, um einem großen Plan in den Weg zu treten.«

Und der Unbekannte versank in ein Nachdenken, das einige Minuten währte.

«Hört einmal, Wirth, «sagte er,»werdet Ihr mich nicht von diesem Wüthenden befreien? Ich kann ihn mit gutem Gewissen nicht töten, und dennoch, «fügte er mit einem kalt drohenden Ausdrucke bei,»ist er mir unbequem. Wo verweilt er?«—»Im ersten Stock in der Stube meiner Frau, wo man ihn verbindet.«—»Hat er Kleidungsstücke und seine Tasche bei sich? Er hat sein Wamms nicht ausgezogen?«—»Alles dies blieb im Gegentheil unten in der Küche. Aber wenn Euch dieser junge Laffe unbequem ist…?«

«Gewiß. Er veranlaßt in Eurem Gasthaus ein Ärgernis, das ehrliche Leute nicht aushalten können. Geht hinauf, macht meine Rechnung und benachrichtigt meinen Lakaien.«—»Wie! gnädiger Herr, Ihr verlasset uns schon?«—»Ihr konntet es daraus sehen, daß ich Euch Befehl gegeben hatte, mein Pferd zu satteln. Hat man mir nicht Folge geleistet?«—»Allerdings, und das Pferd steht völlig aufgezäumt unter dem großen Thor, wie Ew. Excellenz selbst hat sehen können.«—»Das ist gut. Thut, was ich Euch gesagt habe.«

«Oh weh!«sprach der Wirth zu sich selbst;»sollte er vor dem kleinen Jungen bange haben?«

Aber ein gebieterischer Blick des Unbekannten machte seinen Gedanken rasch ein Ende. Er verbeugte sich demüthig und ging ab.

«Mylady soll diesen Burschen nicht gewahr werden, «fuhr der Fremde fort;»sie muß bald kommen; sie bleibt schon allzulange aus. Offenbar ist es besser, wenn ich zu Pferde steige und ihr entgegenreite… Könnte ich nur erfahren, was dieser Brief an Treville enthält!«Und unter fortwährendem Murmeln wandte sich der Fremde nach der Küche.

Inzwischen war der Wirth, der nicht daran zweifelte, daß die Gegenwart des jungen Menschen den Unbekannten aus seiner Herberge treibe, zu seiner Frau hinaufgegangen und hatte d'Artagnan hier wieder gefunden. Er machte ihm begreiflich, die Polizei könnte ihm einen schlimmen Streich spielen, da er mit einem vornehmen Herrn Streit angefangen habe, denn nach der Meinung des Wirthes konnte der Unbekannte nur ein vornehmer Herr sein, und er veranlaßte ihn, trotz seiner Schwäche aufzustehen und seinen Weg fortzusetzen. Halb betäubt, ohne Wamms und den Kopf mit Leinwand umwickelt, stand d'Artagnan auf und ging, vom Wirthe gedrängt, die Treppe hinab; aber als er in die Küche kam, war das erste, was er bemerkte, sein Gegner, der am Fußtritt einer schweren, mit zwei plumpen normannischen Pferden bespannten Karosse ruhig plauderte.

Die Frau, mit der er sprach, war eine Frau von zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren, deren Kopf in den Kutschenschlag eingerahmt schien. Wir haben bereits erwähnt, mit welcher Raschheit d'Artagnan eine Physiognomie aufzufassen wußte; er sah also auf den ersten Blick, daß die Frau jung und hübsch war. Diese Schönheit fiel ihm um so mehr auf, als sie eine in den südlichen Gegenden, welche d'Artagnan bis jetzt bewohnt hatte, ganz fremde Erscheinung war. Es war eine Blondine mit langen, auf die Schultern herabfallenden Locken, großen, schmachtenden, blauen Augen, rosigen Lippen und Alabasterhänden; sie sprach sehr lebhaft mit dem Unbekannten.