Выбрать главу

«Also befiehlt mir Seine Eminenz…«sagte die Dame. — »Sogleich nach England zurückzukehren und sie zu benachrichtigen, ob der Herzog London verlassen hat.«—»Und was meine übrigen Instruktionen betrifft?…«fragte die schöne Reisende. — »Sie sind in dieser Kapsel enthalten, welche Ihr erst jenseits des Kanals öffnen dürfet.«—»Sehr wohl; und Ihr, was macht Ihr?«—»Ich kehre nach Paris zurück.«

«Ohne das freche Bürschchen zu züchtigen?«fragte die Dame.

Der Unbekannte war im Begriff zu antworten, aber in dem Augenblick, wo er den Mund öffnete, sprang d'Artagnan, der alles gehört hatte, auf die Thürschwelle.

«Das freche Bürschchen züchtigt andere, «rief er,»und ich hoffe, daß derjenige, welchen er zu züchtigen hat, ihm diesmal nicht entkommen wird, wie das erstemal.«

«Nicht entkommen wird?«entgegnete der Unbekannte, die Stirne faltend.

«Nein, vor einer Dame, denke ich, werdet Ihr nicht zu fliehen wagen.«

«Bedenkt, «rief Mylady, als sie sah, daß der Edelmann die Hand an den Degen legte,»bedenkt, daß die geringste Zögerung Alles verderben kann.«

«Ihr habt Recht, «rief der Edelmann,»reist also Eurerseits, ich thue desgleichen.«

Und indem er der Dame mit dem Kopf zunickte, sprang er zu Pferde, während der Kutscher der Karosse sein Gespann kräftig mit der Peitsche antrieb. Die zwei Sprechenden entfernten sich also im Galopp, jedes in einer entgegengesetzten Richtung der Straße.

«Heda! Eure Rechnung, «schrie der Wirth, dessen Ergebenheit für den Reisenden sich in tiefe Verachtung verwandelte, als er sah, daß er abging, ohne seine Zeche zu bezahlen.

«Bezahle, Schlingel, «rief der Reisende stets galoppierend seinem Bedienten zu, der dem Wirth ein Paar Geldstücke vor die Füße warf und dann eiligst seinem Herrn nachgaloppierte.

«Ha, Feigling, ha, Elender, ha, falscher Edelmann!«rief d'Artagnan und lief dem Bedienten nach.

Aber der Verwundete war noch zu schwach, um eine solche Erschütterung auszuhalten. Kaum hatte er zehn Schritte gemacht, so klangen ihm die Ohren, er sah nichts mehr, eine Blutwolke zog über seine Augen hin und er stürzte unter dem beständigen Geschrei:»Feigling! Feigling! Feigling!«auf die Straße nieder.

«Er ist in der That sehr feig!«murmelte der Wirth, indem er sich d'Artagnan näherte und sich durch diese Schmeichelei mit dem armen Jungen zu versöhnen suchte, wie der Held in der Fabel mit seiner Schnecke.

«Ja, sehr feig, «sagte d'Artagnan mit schwacher Stimme,»aber sie ist sehr schön.«

«Wer sie?«fragte der Wirth.

«Mylady, «stammelte d'Artagnan und fiel zum zweiten Mal in Ohnmacht.

«Gleich viel, «sprach der Wirth,»es bleibt mir doch dieser da, den ich sicherlich einige Tage behalten werde. Da lassen sich immerhin elf Thaler verdienen.«

Man weiß bereits, daß sich der Inhalt von d'Artagnans Börse gerade auf elf Thaler belief.

Der Wirth hatte auf elf Tage Krankheit den Tag zu einem Thaler gerechnet; aber er hatte die Rechnung ohne seinen Reisenden gemacht. Am andern Morgen stand d'Artagnan schon um fünf Uhr auf, ging in die Küche hinab, verlangte außer einigen anderen Ingredienzien, deren Liste uns nicht zugekommen ist, Wein, Öl, Rosmarin, und bereitete sich, das Rezept seiner Mutter in der Hand, einen Balsam, mit dem er seine zahlreichen Wunden salbte; dann erneuerte er seine Kompressen selbst und wollte keine ärztliche Hilfeleistung gestatten. Der Wirksamkeit des Zigeunerbalsams und ohne Zweifel auch ein wenig der Abwesenheit jedes Arztes hatte es d'Artagnan zu danken, daß er schon an demselben Abend wieder auf den Beinen und am andern Tag beinahe völlig geheilt war.

In dem Augenblick aber, als er den Rosmarin, das Öl und den Wein bezahlen wollte — die einzige Ausgabe des Herrn, der strenge Diät hielt, während das gelbe Roß, wenigstens nach der Aussage des Wirthes, dreimal so viel gefressen hatte, als sich vernünftigerweise bei seiner Gestalt voraussetzen ließ — fand d'Artagnan m seiner Tasche nur noch seine kleine Sammetbörse, sowie die elf Thaler, welche sie enthielt; jedoch der Brief an Herrn von Treville war verschwunden.

Der junge Mann suchte anfangs diesen Brief mit großer Geduld, drehte seine Taschen um und um, durchwühlte seinen Mantelsack, öffnete und schloß seine Börse wieder und wieder, als er aber die Überzeugung gewonnen hatte, daß der Brief nicht mehr zu finden war, gerieth er in einen dritten Anfall von Wuth, der ihn leicht zu einem neuen Verbrauch von aromatischem Wein und Öl veranlassen konnte; denn als man sah, daß dieser junge Brausekopf sich erhitzte und drohte, er werde Alles im Hause kurz und klein schlagen, wenn man seinen Brief nicht finde, da ergriff der Wirth einen Spieß, seine Frau einen Besenstiel, und sein Aufwärter nahm von denselben Stöcken, welche zwei Tage vorher benützt worden waren.

«Meinen Empfehlungsbrief, «schrie d'Artagnan,»meinen Empfehlungsbrief, oder ich spieße Euch alle wie Ortolane.«

Unglücklicherweise trat ein Umstand der Ausführung seiner Drohung in den Weg; sein Degen war erwähntermaßen beim ersten Kampf in zwei Stücke zerbrochen worden, was er völlig vergessen hatte. Als d'Artagnan wirklich vom Leder ziehen wollte, sah er sich ganz einfach mit einem Degenstumpfe von acht bis zehn Zoll bewaffnet, den der Wirth sorgfältig wieder in die Scheide gesteckt hatte. Den übrigen Theil der Klinge hatte der Herr der Herberge geschickt auf die Seite gebracht, um sich einen Bratspieß daraus zu machen.

Diese Enttäuschung dürfte wohl unsern jähzornigen jungen Mann nicht zurückgehalten haben, aber der Wirth bedachte, daß die Forderung, die sein Reisender an ihn stellte, eine völlig gerechte war.

«In der That, «sprach er und senkte dabei seinen Spieß,»wo ist der Brief?«

«Wo ist dieser Brief?«rief d'Artagnan.»Ich sage Euch vor Allem, daß dieser Brief für Herrn von Treville bestimmt ist, und daß er sich wiederfinden muß; ist dies nicht der Fall, so wird Er schon machen, daß er gefunden wird!«

Diese Drohung schüchterte den Wirth vollends ein. Nach dem König und dem Herrn Kardinal war Herr von Treville derjenige Mann, dessen Namen vielleicht am öftesten von den Militären und sogar von den Bürgern wiederholt wurde. Wohl war noch der Pater Joseph vorhanden, aber sein Name wurde immer nur ganz leise ausgesprochen, so groß war der Schrecken, den die graue Eminenz einflößte, wie man den Vertrauten des Kardinals nannte.

Er warf also seinen Spieß weit von sich, befahl seiner Frau, dasselbe mit ihrem Besenstiel zu thun, und seinen Dienern, ihre Stöcke wegzulegen; dann ging er mit gutem Beispiel voran und begann nach dem verlorenen Brief zu suchen.

«Enthielt dieser Brief etwas Werthvolles?«sagte der Wirth, nachdem er einen Augenblick fruchtlos gesucht hatte. — »Heiliger Gott, ich glaube es wohl!«erwiederte der Gascogner, der mit Hülfe dieses Schreibens seinen Weg zu machen hoffte,»er enthielt mein Glück.«—»Anweisungen auf Spanien?«fragte der Wirth unruhig. — »Anweisungen auf den Privatschatz Seiner Majestät, «erwiederte d'Artagnan, der darauf zählte, er werde durch diese Empfehlung in den Dienst des Königs aufgenommen werden, und deßhalb ohne zu lügen diese etwas kecke Antwort geben zu können glaubte.

«Teufel!«rief der Wirth ganz in Verzweiflung.

«Aber daran liegt nichts, «fuhr d'Artagnan mit ganz nationaler Dreistigkeit fort,»daran liegt nichts, das Geld kommt gar nicht in Betracht; der Brief war Alles. Ich hätte lieber tausend Pistolen verloren, als diesen Brief.«

Er würde nicht mehr gewagt haben, wenn er zwanzig tausend gesagt hätte, aber eine gewisse jugendliche Schüchternheit hielt ihn zurück.