»Wir können noch ein paar Runden schaffen«, meinte der Watchman.
»Nicht nötig«, erwiderte Leoh. »Ich habe alle Daten, die ich brauche. Morgen trifft sich Massan mit Odal, falls wir es nicht verhindern können. Vor morgen früh haben wir noch eine Menge zu tun.«
Hector plumpste auf die Couch. »Ist mir ganz recht. Ich glaube, ich bin in den letzten sieben Tagen um sieben Jahre gealtert.«
»Nein, Hector«, sagte Leon sanft, »du bist nicht gealtert. Du bist gereift.«
Finsteres Zwielicht herrschte, als der Roadster auf seinem Luftkissen vor der kerakischen Botschaften zum Halten kam.
»Ich halte es nach wie vor für einen Fehler, dort hineinzugehen«, sagte Hector. »Ich meine, Sie hätten ihn doch auch über Tri-Di anrufen können, oder?«
Leoh schüttelte den Kopf. »Einer Regierungsbehörde darfst du nie die Möglichkeit geben zu sagen: ›Augenblick bitte, ich verbinden.‹ Sie hocken sich zusammen und beratschlagen, was sie mit dir anfangen sollen. In neunzehn von zwanzig Fällen leiten sie deinen Anruf in eine Abwimmel-Abteilung weiter oder gar zu einem automatischen Anrufbeantworter, der ›Tut uns leid, Sir‹ flötet.«
»Trotzdem«, beharrte Hector, »Sie begeben sich auf, gewissermaßen feindliches Territorium.«
»Die würden es nicht wagen, uns ein Haar zu krümmen.«
Hector schwieg, schien aber nicht überzeugt zu sein.
»Paß auf«, sagte Leoh, »es gibt nur zwei Menschen, die Licht in diese Angelegenheit bringen können. Dulaq ist der eine, und sein Geist ist uns auf unbestimmte Zeit verschlossen. Odal ist der einzige Mensch, der weiß, was sich bei diesen Duellen abgespielt hat.«
Zweifelnd schüttelte Hector den Kopf. Leoh zuckte die Achseln und öffnete die Tür des Roadsters. Hector blieb nichts übrig, als ebenfalls auszusteigen und Leoh den Weg entlang zum Haupteingang der Botschaft zu folgen. Das Gebäude stand öde und grau in der Abenddämmerung, umgeben von einer säuberlich gestutzten Hecke. Der Eingang wurde von zwei Evergreenbäumen flankiert, schlank wie zwei Schildwachen.
Direkt hinter der Tür trafen Leoh und Hector auf eine Empfangsdame. Sie sah ein wenig zerzaust aus, als sei sie erst vor einer Sekunde an ihren Tisch beordert worden. Sie fragten nach Odal, wurden in ein Zimmer geführt und erfuhren wenige Minuten später von dem Mädchen — zu Hectors großem Erstaunen —, daß Major Odal in Kürze zu sprechen sei.
»Siehst du«, bemerkte Leoh jovial, »wenn du persönlich erscheinst, haben sie kaum Gelegenheit, sich zu überlegen, wie sie dich wieder loswerden sollen.«
Hector sah sich in dem fensterlosen Raum um und betrachtete die massive, fest geschlossene Tür. »Hinter dieser Tür dürfte es jetzt ziemlich hektisch hergehen. Ich meine… vielleicht überlegt man gerade, wie man uns am besten los wird… auf Dauer!«
Leoh setzte gerade zu einer Antwort an, als die Tür aufging und Odal ins Zimmer trat. Er trug eine hellblaue Uniform mit Rangabzeichen an der Schulter und dem Stern von Kerak auf der Brust.
»Dr. Leoh — es ist mir eine Ehre«, sagte er mit einer leichten Verbeugung. »Und Mr. Hector… oder ist es Leutnant Hector?«
»Junior Lieutenant Hector«, erwiderte der Watchman mit einer Schärfe, die Leoh überraschte.
»Lieutenant Hector assistiert mir«, erklärte der Professor, »und er ist Verbindungsoffizier zu Commander Spencer.«
»So«, kommentierte Odal. Er bedeutete ihnen, Platz zu nehmen. Hector und Leoh setzten sich auf eine luxuriöse Couch, während Odal sich einen Holzstuhl heranzog und sich ihnen gegenübersetzte. »Also, was führt Sie zu mir?«
»Ich möchte, daß Sie Ihr morgiges Duell mit Minister Massan verschieben«, sagte Leoh.
Odals schmales Gesicht verzog sich zu einem dünnen Lächeln. »Hat Massan einer Verschiebung zugestimmt?«
»Nein.«
»Warum sollte ich dann zustimmen?«
»Um ganz offen zu sein, Major, ich befürchte, daß jemand an der Maschine, die Sie für Ihre Duelle benutzen, herummanipuliert hat. Unterstellen wir mal, daß Sie nichts davon wissen. Ich ersuche Sie, von weiteren Duellen abzusehen, bis wir dieser Sache auf den Grund gegangen sind. Die Duellmaschinen dürfen auf keinen Fall für politische Attentate benutzt werden.«
Odals Lächeln verschwand. »Ich bedaure, Professor, aber ich kann das Duell nicht verschieben. Was eine Manipulation an der Maschine betrifft, so kann ich Ihnen versichern, daß weder ich noch sonst ein Keraker die Maschinen in unzulässiger Weise angerührt hat.«
»Vielleicht sind Sie sich nicht der vollen Tragweite dieser Angelegenheit bewußt«, sagte Leoh. »In der vergangenen Woche haben wir die Duellmaschine hier auf Acquatainia ausgiebig getestet. Wir stellten fest, daß die Leistung der Maschine erheblich beeinflußt werden kann durch die Persönlichkeit und die Geisteshaltung eines Benutzers. Sie haben zahlreiche Duelle ausgefochten. Ihre Erfahrung, sowohl als Berufssoldat wie auch mit der Maschine, verschafft Ihnen einen entschiedenen Vorteil gegenüber Ihren Gegnern.«
»Aber selbst wenn ich das alles berücksichtige, bin ich doch nach wie vor überzeugt, daß man in der Maschine niemand umbringen kann — unter normalen Bedingungen. Wir haben diese Tatsache in unseren Tests demonstriert. Eine unmanipulierte Maschine kann keine körperlichen Schäden verursachen.«
»Trotzdem haben Sie bereits einen Mann getötet und einen zweiten zum Invaliden gemacht. Wo soll das enden?«
Odals Gesicht blieb ausdruckslos, bis auf ein schwaches Glitzern tief in den Augen. Seine Stimme war leise, aber sie besaß die Schärfe einer fachmännisch geschliffenen Klinge. »Meinen Background und meine Erfahrung können Sie mir nicht zum Vorwurf machen. Und an Ihrer Maschine habe ich nicht herumgepfuscht.«
Die Tür öffnete sich, und ein stämmiger, rundschädeliger Mann trat ein. Er trug einen dunklen Straßenanzug, so daß es unmöglich war, seine Funktion in der Botschaft zu erraten.
»Darf ich den Gentlemen Erfrischungen anbieten?« fragte er mit tiefer Stimme.
»Nein danke«, wehrte Leoh ab.
»Ein Glas kerakischen Wein vielleicht?«
»Nun…«
»Wir… äh, möchten nichts trinken«, murmelte Hector. »Trotzdem vielen Dank.«
Der Mann zuckte die Achseln und setzte sich auf einen Stuhl neben der Tür.
Odal wandte sich wieder Leoh zu. »Sir, ich muß meine Pflicht erfüllen. Massan und ich duellieren uns morgen. Ich sehe mich außerstande, das Duell zu verschieben.«
»Na schön«, sagte Leon. »Erlauben Sie mir wenigstens, ein paar spezielle Instrumente in Ihrer Kabine anzubringen, damit wir das Duell besser überwachen können? Bei Massan würden wir das gleiche tun. Ich weiß, Duelle sind normalerweise Privatsphäre, und rein rechtlich gesehen könnten Sie meine Bitte ablehnen, aber moralisch…«
Auf Odals Gesicht erschien wieder das Lächeln. »Sie möchten gerne meine Gedanken überwachen. Sie aufzeichnen und feststellen, wie ich mich während des Duells verhalte. Interessant…« Der Mann an der Tür erhob sich und sagte: »Wenn Sie keine Erfrischungen wünschen, Gentlemen…«
Odal drehte sich zu ihm um. »Nein, besten Dank.«
Ihre Blicke trafen sich einen Moment lang. Der Mann schüttelte unmerklich den Kopf und ging dann.
Odal wandte seine Aufmerksamkeit wieder Leoh zu. »Tut mir leid, Professor, aber ich kann Ihnen nicht gestatten, meine Gedanken während des Duells zu überwachen.«
»Aber…«
»Ich bedaure. Wie Sie selbst unterstrichen haben, gibt es keine gesetzliche Grundlage für solch eine Forderung. Ich muß ablehnen und hoffe nur, daß Sie Verständnis dafür haben.«
Leoh erhob sich langsam. »Nein, dafür habe ich absolut kein Verständnis. Sie sitzen hier und verschanzen sich hinter Gesetzen, wo wir beide sehr genau wissen, daß Sie morgen Massan umbringen wollen.« Mit zornbebender Stimme fuhr Leoh fort: »Sie haben meine Erfindung in ein Mordinstrument verwandelt. Aber mich haben Sie sich damit zum Feind gemacht. Ich finde heraus, wie Sie es getan haben, und dann werde ich nicht ruhen, bis Sie und Ihresgleichen unschädlich gemacht sind — auf einem Planeten für gemeingefährliche Verrückte!«