Mit einer Handbewegung brachte der alte Mann Hector zum Schweigen. »Eine Frage nach der anderen, bitte.«
Leoh lehnte sich bequem zurück und gab Hector einen detaillierten Bericht über beide Phasen des Duells.
»Sechs Odals«, murmelte Hector nachdenklich. »Sechs gegen einen.«
»Genau. Es ist leicht zu verstehen, daß ein Mann, der ein höfliches und korrektes Duell erwartet, durch solch einen gemeinen, hinterhältigen Angriff völlig die Nerven verliert. Und die Maschine verstärkt jeden Impuls, jede Empfindung.« Leoh schüttelte sich.
»Aber wie macht er das?« Hectors Stimme klang plötzlich herausfordernd.
»Das frage ich mich auch. Die Duellmaschine haben wir auf Herz und Nieren geprüft. Technisch ist es unmöglich für Odal, einfach fünf Helfer anzukoppeln…es sei denn…«
»Es sei denn?«
Leoh zögerte und schien mit sich zu Rate zu gehen. Schließlich nickte er heftig und antwortete: »Es sei denn, Odal ist ein Telepath.«
»Ein Telepath? Aber…«
»Ich weiß, es klingt abwegig, aber es gibt tatsächlich wissenschaftlich bestätigte Fälle von Telepathie.«
Stirnrunzelnd sagte Hector: »Klar, jeder hat schon davon gehört… natürliche Telepathen… aber ihr Talent ist so unberechenbar… ich meine, wie kann…«
Leoh beugte sich und stützte das Kinn auf die gefalteten Hände. »Die terranische Rasse hat Telepathie oder andere paranormale Fähigkeiten nie gezielt entwickelt und gefördert. Sie brauchte es nicht zu tun, nachdem sie über Tri-Di-Kommunikation und Raumschiffe verfügte. Aber vielleicht sind die Keraker andersgeartet…«
»Es sind Menschen wie wir«, argumentierte Hector. »Außerdem, wenn sie, äh, telepathische Fähigkeiten hätten, würden sie die dann nicht permanent einsetzen? Warum nur in der Duellmaschine?«
»Aber natürlich!« rief Leoh. »Odal zeigt nur in der Maschine telepathische Fähigkeiten!«
Hector blinzelte verwirrt.
»Stell dir vor, Odal ist ein natürlicher Telepath«, erklärte Leoh aufgeregt, »so wie es bewiesenermaßen Dutzende von Terranern waren. Er verfügt über ein erratisches, labiles Talent. Ein minimales Talent. Dann setzt er sich in die Duellmaschine. Die Maschine verstärkt seine Gedanken. Sie verstärkt auch seine extrasensorischen Fähigkeiten!«
»Ohhh!«
»Kapierst du? Außerhalb der Maschine ist er nichts weiter als ein drittklassiger Wahrsager, wie man sie in jeder Großstadt findet. Aber die Duellmaschine verstärkt und reproduziert seine natürlichen Fähigkeiten auf kontrollierbare Weise.«
»Verstehe.«
»Dadurch ist es ziemlich einfach für ihn, fünf Helfer, die vermutlich in der Kerakischen Botschaft sitzen, an dem Duell zu ›beteiligen‹ Vielleicht sind es auch natürliche Telepathen, aber das ist nicht unbedingt notwendig.«
»Sie, äh, koppeln sich gewissermaßen zu einem Superhirn zusammen? Und in dem Duell gibt es plötzlich sechs Gegner…ziemlich raffiniert.« Hector warf sich in den Schreibtischstuhl. »Und was machen wir jetzt?«
»Jetzt?« Leoh blinzelte irritiert. »Ich würde sagen, wir rufen zuerst mal im Krankenhaus an, wie Dulaq es überstanden hat.«
»Ach ja… ich habe sie ganz vergessen… ich meine ihn…«
Leoh stellte die Verbindung her. Geris ausdrucksloses Gesicht erschien auf dem Bildschirm.
»Wie gehts ihm?« stieß Hector hervor.
»Es war zuviel für ihn«, sagte sie tonlos. »Er ist tot. Die Ärzte haben alles versucht, aber…«
»Nein«, stöhnte Leoh.
»Es… es tut mir leid«, stammelte Hector. »Ich komme sofort. Bleiben Sie, wo Sie sind!«
Der Star Watchman stürzte aus dem Büro, während Geri die Verbindung trennte. Leoh starrte ein paar Minuten auf den leeren Schirm, dann lehnte er sich auf der Couch zurück und schloß die Augen. Er war plötzlich erschöpft, körperlich und geistig. Er schlief ein und träumte von toten und sterbenden Männern. Manchmal war es Odal, der sie tötete, manchmal Leoh selbst.
Hectors nervtötendes Pfeifen weckte ihn. Draußen war tiefe Nacht.
»Worüber freust du dich so?« murrte Leoh, als Hector in das Arbeitszimmer geschossen kam.
»Ich? Mich freuen?«
»Du hast gepfiffen.«
Hector zuckte die Achseln. »Ich pfeife immer, Sir. Heißt nicht unbedingt, daß ich mich freue.«
»Na schön.« Leoh rieb sich die Augen. »Wie hat Geri den Tod ihres Vaters aufgenommen?«
»Ist ihr sehr nahegegangen. Sie hat eine Menge geweint. Es… es hat uns beide ziemlich mitgenommen.«
Leoh blickte den Jüngeren an. »Gibt sie… mir die Schuld?«
»Ihnen? Aber nein! Warum sollte sie denn? Odal, Kanus… den Kerak-Welten. Aber nicht Ihnen.«
Der Professor seufzte erleichtert. »Sehr schön. Okay, wir haben eine Menge Arbeit, und es bleibt nicht viel Zeit.«
»Was soll ich tun?« fragte Hector eifrig.
»Ruf den Star-Watch-Commander an…«
»Meinen Kommandanten, auf Perseus Alpha VI? Das sind über hundert Lichtjahre!«
»Nein, nein, nein.« Leoh schüttelte den Kopf. »Den Commander-in-Chief, Sir Harold Spencer. Im Hauptquartier der Star Watch, oder wo immer er sich herumtreibt, egal wie weit es von hier ist. Schaff ihn so schnell wie möglich an den Apparat. Per R-Gespräch bitte.«
Hector pfiff ehrfürchtig durch die Zähne und begann Tasten an dem Communicator zu drücken.
Der Morgen des Duells brach an, und genau zur vereinbarten Stunde trat Odal mit einem kleinen Gefolge von Sekundanten durch die Doppeltür in den ehemaligen Hörsaal.
Hector und Leoh warteten bereits dort. Bei ihnen stand ein Mann in der schwarz-silbernen Uniform der Star Watch. Er war ein stämmiger, breitgesichtiger Veteran mit eisgrauem Haar und harten Augen.
Die beiden Grüppchen trafen vor der Kommandokonsole zusammen. Die weißgekleideten Meditechniker kamen durch einen Seiteneingang und warteten ein Stück entfernt.
Odal wahrte die Form und schüttelte Hector die Hand. Der kerakische Major machte eine Kopfbewegung zu dem älteren Watchman hin. »Ihr Ersatzmann?« fragte er boshaft.
Der leitende Meditechniker trat dazwischen. »Da Sie die herausgeforderte Partei sind, Major Odal, haben Sie die Wahl der Waffen und der Umgebung für die erste Runde. Sind besondere Hinweise oder Instruktionen nötig, bevor das Duell beginnt?«
»Ich glaube kaum«, erwiderte Odal. »Die Situation spricht für sich selbst. Ich gehe natürlich davon aus, daß Star Watchmen erfahrene Krieger und nicht nur Waffentechniker sind. In der von mir gewählten Situation haben sich schon viele Krieger mit Ruhm und Ehren bedeckt.«
Hector schwieg.
»Ich beabsichtigte«, sagte Leoh fest, »dem Bedienungspersonal bei der Überwachung des Duells zu assistieren. Ihren Sekundanten steht es selbstverständlich frei, sich zu mir an die Kontrollkonsole zu setzen.«
Odal nickte.
»Wenn Sie bereit sind, Gentlemen…« sagte der leitende Meditechniker.
Hector und Odal begaben sich zu ihren Kabinen. Leoh setzte sich an die Kontrollkonsole, und ein Keraker nahm neben ihm Platz. Die anderen setzten sich auf die lange halbrunde Bank vor der Maschine.
Verkrampft saß Hector in der Kabine, spürte jeden einzelnen Muskel, trotz aller guten Vorsätze, sich zu entspannen. Aber allmählich wich die Nervosität, und er begann sich schläfrig zu fühlen. Die Kabinenwände schienen zu schmelzen…
Hector hörte hinter sich ein Schnauben und fuhr herum. Er blinzelte verdutzt und sperrte Mund und Nase auf.
Es hatte vier Beine und war offenbar ein Tragtier. Zumindest trug es einen Sattel auf dem Rücken. Oben auf dem Sattel waren Objekte aufgetürmt, die Hector zuerst für Schrott hielt. Mißtrauisch näherte er sich dem vierbeinigen Wesen und untersuchte die Objekte eingehend. Der »Schrotthaufen« erwies sich als eine lange Lanze, eine mehrteilige Rüstung, Helm, Schwert, Schild, Streitaxt und Dolch.