Auf der Besuchergalerie — leer bei gewöhnlichen Duellen — saß eine Handvoll privilegierter Journalisten.
»Die Zeit ist um«, sagte einer von ihnen. »Dulaq hat ihn nicht erwischt.«
»Stimmt. Aber Odal ihn auch nicht.«
Der erste Reporter zuckte die Achseln. »Jetzt muß er mit Odal nach dessen Regeln kämpfen.«
»Wart mal, da kommen sie raus.«
Unter ihnen traten Dulaq und sein Gegner aus ihren isolierten Kabinen.
Einer der Journalisten pfiff durch die Zähne. »Schaut euch mal Dulaqs Gesicht an…ganz grau.«
»So erschöpft habe ich den Premierminister noch nie gesehen.«
»Und schaut euch doch mal Kanus’ bezahlten Killer an.« Die Reporter wandten sich Odal zu, der vor seiner Kabine stand und sich leise mit seinen Sekundanten unterhielt.
»Der reinste Block gefrorenen Ammoniaks.«
»Dem scheint es richtig Spaß zu machen.«
Einer der Reporter stand auf. »Ich habe gleich Redaktionsschluß. Haltet mir den Platz frei.«
Er ging durch die bewachte Tür hinaus und die spiralförmige Rampe hinunter, die außen um das Bauwerk lief, zu der mobilen Tri-Di-Kamera, deren Einsatz die acquatainische Regierung genehmigt hatte, damit die Reporter ihre Berichte durchgeben konnten.
Der Journalist konferierte ein paar Minuten mit seinen Technikern, dann trat er vor die Kamera.
»Emile Dulaq, der Premierminister des Acquataine Clusters und Führer des Koalitionsbündnisses gegen Kanzler Kanus von den Kerak-Welten, ist im ersten Teil des psychonischen Duells gegen Major Per Odal aus Kerak nicht zum Zuge gekommen. Die beiden Duellanten unterziehen sich gerade den üblichen medizinischen und psychologischen Tests, bevor sie ihr Duell fortsetzen…«
Bis der Reporter wieder auf seinem Platz auf der Galerie zurückgekehrt war, stand das Duell kurz vor seinem Fortgang.
Vor dem hochaufragenden unpersönlichen Gewirr der Maschine stand Dulaq inmitten seiner Berater. Ihm gegenüber wartete Odal mit seinen beiden Sekundanten.
»Sie brauchen nicht sofort zur zweiten Runde des Duells anzutreten«, sagte gerade ein Berater des Premierministers. »Warten Sie bis morgen. Ruhen Sie sich aus und sammeln Sie frische Kraft.«
Dulaqs rundes Gesicht kräuselte sich finster. Er warf dem leitenden Meditechniker, der in der Nähe der kleinen Gruppe wartete, einen fragenden Blick zu.
Der Meditechniker, der zum Bedienungspersonal der Duell maschine gehörte, gab zu bedenken: »Der Premierminister hat die Tests bestanden. Nach den Regeln des Duells ist er in der Lage, weiterzumachen.«
»Aber er kann doch für heute aufhören, stimmts?«
»Sofern Major Odal einverstanden ist.«
Ungeduldig schüttelte Dulaq den Kopf. »Nein. Ich mache weiter. Jetzt.«
»Aber…«
Die Züge des Premierministers wurden hart. Seine Berater verfielen in respektvolles Schweigen. Der leitende Meditechniker führte Dulaq zu seiner Kabine. Am anderen Ende der Maschine warf Odal den Acquatainiern einen Blick zu, lächelte unterkühlt und schlenderte zu seiner eigenen Kabine.
Dulaq blieb reglos sitzen und versuchte jeden Gedanken aus seinem Kopf zu verdrängen, während die Meditechniker die Neurokontakte an seinem Kopf und Oberkörper anbrachten. Sie beendeten ihre Arbeit und zogen sich zurück. Er war jetzt allein in der Kabine und blickte die kalkweißen Wände an, die bis auf den großen Bildschirm direkt vor seinen Augen völlig kahl waren. Der Schirm begann schwach zu glimmen, strahlte dann ein Kaleidoskop von Farben aus, die ineinander übergingen, sich dabei veränderten und vor seinem Blickfeld vorüberwallten. Dulaq fühlte sich in sie hineingezogen, unmerklich, unwiderstehlich, fühlte sich völlig in sie eintauchen…
Die Nebel verschwanden nach und nach, und Dulaq fand sich auf einer endlosen öden Ebene wieder. Kein Baum, kein Grashalm, nichts als felsiger Boden, der sich in allen Himmelsrichtungen bis zum Horizont erstreckte; darüber ein bedrückend gelber Himmel. Er blickte vor sich auf den Boden und sah die Waffe, die Odal ausgewählt hatte. Eine primitive Keule.
Mit einem unguten Gefühl hob Dulaq die Keule auf und spähte nach allen Seiten. Nichts. Kein Hügel, kein Baum, kein Strauch, wo man sich verstecken konnte. Weglaufen — wohin?
Und fern am Horizont entdeckte er eine hochgewachsene, geschmeidige Gestalt mit einer identischen Keule in der Hand. Der Mann kam ohne Hast, aber zielbewußt näher.
Die Pressetribüne war praktisch leer. Das Duell endete erst in einer guten Stunde, und die meisten Reporter standen draußen und übermittelten ihre hastig zusammengestellten Kommentare zu Dulaqs Mißerfolg, das Duell mit seinen eigenen Waffen und seiner selbstgewählten Umgebung für sich zu entscheiden.
Dann passierte etwas Merkwürdiges.
Am Hauptkontrollpult der Duellmaschine blinkte ein rotes Licht auf. Der leitende Meditechniker blinzelte überrascht und drückte dann eine Reihe von Tasten. Weitere rote Lämpchen leuchteten auf. Der Meditechniker griff nach einem separaten Schalter und legte ihn um.
Einer der Journalisten wandte sich an seinen Kollegen. »Was ist da unten los?«
»Scheint vorbei zu sein… Ja, sieh mal, die öffnen die Kabinen. Einer hat das Rennen gemacht.«
»Aber wer?«
Gespannt sahen die beiden zu, während die anderen Journalisten hastig wieder auf die Galerie zurückkehrten.
»Da ist Odal. Er strahlt.«
»Das heißt wohl…«
»Allmächtiger! Sieh dir mal Dulaq an!«
Mehr als zweitausend Lichtjahre entfernt von Acquatainia befand sich der Sternhaufen Carinae. Trotz der weit größeren Distanz zur Erde lag Carinae noch innerhalb der Grenzen des Terranischen Commonwealth. Dr. Leoh, der Erfinder der Duellmaschine, hielt gerade eine Vorlesung an der Carinae-Universität, als ihn die Nachricht von Dulaqs Duell erreichte. Ein Hilfsdozent beging den ungeheuerlichen Frevel, die Vorlesung zu unterbrechen und ihm die Neuigkeit ins Ohr zu flüstern.
Leoh nickte grimmig, beendete hastig die Vorlesung und begleitete dann den Hilfsdozenten ins Büro des Rektors. Schweigend standen sie auf dem Laufband, das sie an herumschlendernden Studenten und den üppigen Grünanlagen des geschäftig-stillen Campus vorbeitrug.
Leoh war schon ziemlich kahl und hatte ein Doppelkinn; er war das älteste Universitätsmitglied und in den Augen der Studenten überhaupt der älteste bekannte Mensch. Aber die Falten in seinem Gesicht stammten von dem Lächeln, das schon Teil seines Wesens geworden war, und seine Augen funkelten lebhaft und wach. Jetzt lächelte er allerdings nicht, als sie das Laufband verließen und den Verwaltungsbau betraten.
Sie nahmen die Liftröhre ins Rektorat hinauf. Leoh fragte an der offenstehenden Tür des Rektorats den Hilfsdozenten: »Er war im Zustand katatonischen Schocks, sagen Sie, als man ihn aus der Maschine geholt hat?«
»Und er ist es noch«, antwortete der Rektor vom Schreibtisch her. »Ohne jeden Bezug zur realen Welt. Kann nicht sprechen, nicht hören, nicht sehen. Ein lebender Leichnam.«
Leoh warf sich in einen Sessel und fuhr sich über das fleischige Gesicht. »Verstehe ich nicht. So was ist noch nie in einer Duellmaschine passiert.«
»Ich verstehe es auch nicht«, erwiderte der Rektor. »Aber das ist Ihr Problem.« Er betonte das vorletzte Wort ein wenig, unbewußt vielleicht.
»Wenigstens leidet der Ruf der Universität nicht darunter. Deswegen habe ich ja Psychonics als privates Unternehmen gegründet.« Leoh grinste und setzte hinzu: »An den finanziellen Aspekt habe ich dabei erst in zweiter Linie gedacht.«
Der Rektor lächelte gezwungen. »Natürlich.«
»Die Acquatainier wollen vermutlich mit mir sprechen?« Es war eine überflüssige Frage.