»Wir werden kämpfen und siegen«, beharrte Martine.
Spencer fuhr sich durch das schüttere Haar. »Begreifen Sie denn nicht, daß bei einem Pakt mit dem Commonwealth — wie lose er auch immer sein mag — Kanus es sich zweimal überlegen würde, bevor er einen Angriff wagt? Ich finde, es sollte Ihr oberstes Ziel sein, einen Kriegsausbruch zu verhindern. Statt dessen konzentrieren Sie sich darauf, den Krieg zu gewinnen, wenn er tatsächlich ausgebrochen ist.«
»Wenn Kanus Krieg will«, erklärte Martine, »werden wir ihn besiegen.«
»Aber er kann auch ohne Krieg besiegt werden«, beharrte Spencer.
Leoh fügte hinzu: »Ohne eine ständig Kriegsdrohung kann kein Diktator lein Volk lange bei der Stange halten. Und wenn es offenkundig wird, daß sich ein Angriff auf Acquatainia nicht lohnt…«
»Kanus will den Krieg«, unterbrach ihn Martine.
»Und Sie anscheinend auch«, warf ihm Spencer vor.
Der Premierminister bedachte Spencer mit einem finsteren Blick, wandte sich dann ab und murmelte: »Entschuldigen Sie, ich muß mich um meine Gäste kümmern.« Gefolgt von seinem Hofstaat schwebte er davon und ließ Spencer, Leoh und Lal Ponte inmitten der sich rasch auflösenden Menge zurück.
Geri und Hector schwebten zu der transparenten Außenhülle, schauten die Sterne an und nahmen kaum die Musik und das Stimmengewirr wahr.
»Hector?«
»Ja?«
»Versprichst du mir etwas?«
»Klar. Was denn?«
Ihr Gesicht war so ernst, so schön, daß Hector kaum zu atmen wagte.
»Glaubst du, daß Odal jemals nach Acquatainia zurückkommt?«
Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. »Hmmm… keine Ahnung. Möglich. Ich bezweifle es aber. Ich meine, na ja…«
»Wenn er jemals zurückkommt…« Geri verstummte.
»Keine Angst«, sagte Hector und zog sie an sich. »Ich werde nicht zulassen, daß er dir ein Leid zufügt… oder irgendeinem anderen.«
Ihr Lächeln war unwiderstehlich. »Hector, liebster Hector, wenn Odal zurückkommt, würdest du ihn dann für mich töten?«
Hector erwiderte ohne nachzudenken: »Ich würde ihn fordern, sobald er mir unter die Augen kommt.«
Ihr Gesicht wurde wieder ernst. »Nein. Ich meine nicht in der Duellmaschine. Ihn wirklich töten.«
»Ich verstehe den Premierminister nicht«, sagte Leoh zu Spencer und Lal Ponte.
»Er hat seinen Stolz«, antwortete Ponte, »den Stolz eines Berufsoffiziers. Und wir sind sehr stolz auf ihn. Er ist der Mann, der Acquatainia wieder zu einer ruhmreichen Nation machen kann. Dulaq und Massan… es waren gute Männer, aber Zivilisten; zu schwach und unentschlossen, um mit Kanus fertig zu werden.«
»Sie waren politische Führer«, knurrte Spencer. »Sie wußten, daß Krieg immer das Eingeständnis eines Versagens ist. Krieg ist der letzte Ausweg, wenn alle anderen Mittel versagt haben.«
»Wir fürchten uns nicht vor einem Krieg!« fuhr Ponte auf.
»Sollten Sie aber«, bemerkte Leoh.
»Warum? Bezweifeln Sie, daß wir Kerak überlegen sind?«
»Warum wollen Sie das Risiko in Kauf nehmen, wenn Sie einen Krieg leicht vermeiden können?«
Der kleine Politiker ruderte aufgeregt mit den Armen, ein Manöver, das ihn wie einen Korken auf- und niedertanzen ließ. »Wir haben keine Angst vor den Kerak-Welten! Sie halten uns wohl für Feiglinge, die sich beim ersten Anzeichen von Gefahr unter der Rockschürze Ihres Terranischen Commonwealth verkriechen!«
»Mangel an Urteilsfähigkeit ist schlimmer als Feigheit«, erwiderte Leoh trocken. »Warum sind Sie denn so verbohrt…?«
»Sie werfen der acquatainischen Regierung Dummheit vor?«
»Nein, ich…«
Pontes quiekende Stimme überschlug sich fast. »Dann werfen Sie mir Dummheit vor… oder vielleicht dem Premierminister?«
»Ich ziehe lediglich Ihre Einschätzung der militärischen Situation in Zweifel…«
»Und ich werfe Ihnen Feigheit vor!« kreischte Ponte. Köpfe wandten sich. Ponte spuckte Gift und Galle. »Weil Sie Angst vor diesem Kerl, vor Kanus, haben, unterstellen Sie, daß wir auch Angst vor ihm haben müßten!«
»Jetzt hören Sie mal…«, setzte Spencer an.
»Ein Feigling sind Sie!« gellte Ponte, zu Leoh gewandt. »Und das beweise ich auch. Ich fordere Sie zum Duell in Ihrer eigenen Duellmaschine!«
Zum ersten Mal seit langer Zeit geriet Leoh in Wut. »Das ist der schwachsinnigste Disput, den ich je geführt habe!«
»Ich fordere Sie zum Duell!« beharrte Ponte. »Nehmen Sie die Herausforderung an, oder wollen Sie kneifen?«
»Ich nehme an!« schnauzte Leoh.
Die Sonne war eine bläulichweiße Scheibe hoch am Himmel von Meklin, einem Treibhausplaneten der Kerak-Gruppe. Hier oben auf dem Hügelkamm empfand Odal den Wind als kühl, trotz der Hitze drunten in den landwirtschaftlich genutzten Tälern. Der Himmel war wolkenlos, aber die windgeschüttelten Bäume zeichneten goldrote Muster in die Bläue.
Odal sah Runstet mit seiner Frau und seinen drei kleinen Kindern auf einer Lichtung in der Sonne sitzen. Das älteste Kind, ein Junge, war höchstens zehn. Sie verzehrten ein Picknick und lachten über etwas, das Odals Aufmerksamkeit entgangen war.
Der kerakische Major trat aus dem Schatten. Runstet sah ihn und erblaßte. Er stand auf und blickte Odal an.
»Das will ich nicht sehen«, sagte Odal ruhig. »Sie müssen sich schon mehr anstrengen.«
Runstet blieb wie angewurzelt stehen, während alles um ihn herum zu flimmern begann. Die lachenden Kinder mit ihrer Mutter verblaßten, und ihr Lachen verklang. Die Bäume schienen durchsichtig zu werden und verschwanden dann völlig. Nichts war mehr zu sehen bis auf Runstet und sein angstvolles Gesicht.
»Sie versuchen Ihre Erinnerungen vor mir zu verbergen, indem Sie sie durch andere Erinnerungen ersetzen«, sagte Odal. »Wir wissen, daß Sie sich vor drei Monaten mit bestimmten hohen Offizieren in Ihrem Haus getroffen haben. Sie behaupten, es sei ein Kameradschaftsabend gewesen. Ich möchte die Szene sehen.«
Der Älteste, mit einem Bulldoggengesicht und eisgrauem Haar, beherrschte sich offenbar nur mit Mühe. Odal wußte, daß er Angst hatte, aber er spürte noch etwas: Zorn, Halsstarrigkeit, Stolz.
»Niedere Chargen waren nicht eingeladen zu der… der Party. Lediglich meine alten Klassenkameraden, Major.« Gehässig betonte General Runstet das letzte Wort.
Odal verspürte aufkeimenden Ärger, erwiderte jedoch mit unbewegter Stimme: »Darf ich Sie daran erinnern, daß Sie unter Arrest stehen und deshalb keinen Dienstrang besitzen. Und wenn Sie mir weiterhin den Zugang zu Ihrer Erinnerung über dieses bewußte Treffen verweigern, dann müssen wir andere Verhörmethoden anwenden.« Idiot! dachte er. Du bist ein toter Mann und willst es nur nicht wahrhaben.
»Sie können mit mir machen, was Sie wollen«, knurrte Runstet. »Drogen, Folter… Sie hören kein Wort von mir. Und wenn Sie hundert Jahre mit dieser verdammten Duellmaschine herumspielen, erfahren Sie trotzdem nichts!«
Ungerührt erwiderte Odaclass="underline" »Soll ich Ihnen die Szene nachstellen? Ich habe Ihr Haus auf Meklin besucht und habe eine Liste der Offiziere, die an diesem Treffen teilnahmen.«
»Wenn Marschall Lugal erfährt, wie Kor und seine Schergen einen Generalstabsoffizier behandeln, läßt er Sie alle an die Wand stellen!« bellte Runstet. »Und ausgerechnet Sie! Selbst ein Offizier! Sie besudeln die Uniform, die Sie tragen!«
»Ich tue nur meine Pflicht«, entgegnete Odal. »Und ich versuche Ihnen einige der weniger angenehmen Verhörmethoden zu ersparen.«
Während Odal sprach, löste sich der Nebel um sie auf, und sie standen plötzlich in einem geräumigen Wohnzimmer. Durch offene Patiotüren schien die Sonne. Fast ein Dutzend Männer in Armeeuniformen saßen auf Sesseln und Sofas. Aber die schwiegen und bewegten sich nicht.