»Okay«, sagte Odal, »zeigen Sie mir jetzt genau, was sich abgespielt hat. Jedes Wort und jede Geste, jedes Mienenspiel.«
»Nie und nimmer!«
»Das allein ist schon ein Eingeständnis Ihrer Schuld«, herrschte ihn Odal an. »Sie haben gegen den Führer intrigiert; Sie und einige Generalstabsoffiziere.«
»Ich werde niemand belasten«, sagte Runstet störrisch. »Sie können mich umbringen, aber…«
»Wir können auch Ihre Frau und Ihre Kinder umbringen«, unterbrach ihn Odal.
Der General sperrte den Mund auf, und Odal spürte die Wellen von Panik in ihm. »Das wagen Sie nicht! Nicht einmal Kanus selbst würde…«
»Unfälle passieren«, sagte Odal gelassen. »Für das übrige Kerak liegen Sie mit einem Nervenzusammenbruch im Krankenhaus. Ihre verzweifelte Frau nimmt sich vielleicht das Leben, oder Ihre gesamte Familie kommt auf dem Weg zu Ihnen, zu einem Besuch, bei einem Verkehrsunfall um.«
Runstet verfiel sichtlich. Er bewegte sich nicht und sagte auch nichts, aber sein Körper schien alle Spannkraft verloren zu haben und in sich zusammenzusinken. Hinter ihm erwachte einer der Generäle zum Leben. Er bewegte sich vor, entnahm dem Humidor vor ihm auf dem niedrigen Tisch eine Zigarre und sagte:
»Wenn wir gegen Acquatainia losschlagen, inwieweit können wir dann Kanus trauen, daß er sich nicht in die Heeresführung einmischt?«
»Ich verstehe einfach nicht, was über mich gekommen ist«, sagte Leoh zu Spencer und Hector. »Ich fahre sonst nie aus der Haut.«
Sie standen in dem ehemaligen Hörsaal, der das groteske Gewirr der Duellmaschine beherbergte. Niemand außer ihnen war bis jetzt gekommen; das Duell mit Ponte fand erst in einer Stunde statt.
»Hör mal, Albert«, meinte Spencer, »wenn dieser miese kleine Politiker mir solche Sachen an den Kopf geworfen hätte, wäre mir wahrscheinlich auf der Stelle die Hand ausgerutscht.«
Leoh zuckte die Achseln.
»Ein hitzköpfiges Volk, diese Acquatainier«, fuhr Spencer fort. »Ich bin ehrlich froh, daß ich abreise.«
»Wann fliegst du?«
»Sobald dieses idiotische Duell vorbei ist. Martine will ganz offensichtlich keine Hilfe vom Commonwealth. Meine Anwesenheit hier verschärft die Lage nur.«
Hector sprach zum ersten Mal. »Das bedeutet Krieg zwischen Acquatainia und Kerak.« Er sagte es leise, und seine Augen starrten ins Leere.
»Beide Seiten wollen den Krieg«, erklärte Spencer.
»Aus Dummheit«, murmelte Leoh.
»Aus Stolz«, widersprach Spencer. »Der gleiche Stolz, der gleiche Hochmut, weswegen Männer Duelle austragen.«
Leoh wollte schon zu einem heftigen Protest ansetzen, da sah er das versteckte Grinsen auf Spencers runzligem Gesicht.
Der Saal füllte sich langsam. Die Meditechniker trafen ein und überprüften die Duellmaschine. Es gab jetzt einen zusätzlichen Mann, der vor einer neu installierten Konsole saß. Mit seinen Instrumenten überwachte er die Quelle und stellte sicher, daß keiner der Duellanten telepathische Unterstützung von außen bekam.
Ponte mit seiner Begleitung traf genau zu der festgesetzten Stunde ein. Vier Reporter erschienen droben auf der Pressetribüne. Leoh verkniff sich ein Stirnrunzeln. Ein Duell mit dem Erfinder der Duellmaschine sollte eigentlich auf mehr Interesse bei den Medien stoßen.
Sie unterzogen sich den medizinischen Tests, wurden in den Gebrauch der Maschine eingewiesen (die Instruktionen hatte Leoh damals selbst geschrieben) und wurden belehrt, daß die herausgeforderte Partei die Waffen bestimmen dürfe.
»Mein Waffen sind die Elementargesetze der Physik«, erklärte Leoh. »Besondere Instruktionen sind nicht erforderlich.«
Pontes Augen weiteten sich verdutzt. Seine Sekundanten warfen sich Blicke zu. Selbst die Meditechniker schienen unsicher zu sein. Nach einem kurzen Schweigen zuckte der leitende Meditechniker die Achseln.
»Wenn es keine Einwände gibt«, sagte er, »dann können wir anfangen.«
Geduldig ließ sich Leoh in der Kabine die Neurokontakte an Kopf und Oberkörper anbringen. Seltsam, dachte er. Hunderte von Malen habe ich die Duellmaschine benutzt. Aber zum ersten Mal ist mein Gegner wirklich wütend auf mich. Er will mich töten.
Die Meditechniker zogen sich zurück. Leoh war jetzt allein, betrachtete den Bildschirm und die verschwimmenden Farben. Er versuchte die Augen zu schließen, hatte Schwierigkeiten, versuchte es noch einmal, bis es ihm gelang.
Als er die Augen aufschlug, stand er in einem großen Saal, der einer Turnhalle ähnelte. Hoch oben unter der Decke befanden sich Fenster. Statt mit Sportgeräten war die Halle jedoch vollgestopft mit Seilen, Flaschenzügen, schiefen Ebenen, Metallkugeln jeder Größe, von einigen Zentimetern Durchmesser bis zu einigen Metern. Leoh stand auf einer erhöhten, kreisrunden Plattform und hielt eine Kontrollbox in der Hand.
Lal Ponte stand am anderen Ende des Saals, mit dem Rücken zur Wand, und betrachtete ratlos das fremdartige Gewirr von Geräten.
»Das ist eine Art Labor für elementare Physik«, rief ihm Leoh zu. »Keiner der Gegenstände ist zwar im direkten Sinn eine Waffe, sie können jedoch sehr gefährlich sein, wenn man richtig damit umzugehen weiß. Oder auch, wenn man es nicht weiß.«
»Das ist unfair…«, protestierte Ponte.
»Durchaus nicht«, erwiderte Leoh freundlich. »Sie werden feststellen, daß diese Geräte eine Art Irrgarten bilden. Sie müssen durch diesen Irrgarten zur Plattform gelangen und sich etwas suchen, womit Sie mir zuleibe rücken können. In dem Irrgarten gibt es Fallen. Die müssen Sie umgehen. Und diese Plattform ist eigentlich eine Drehscheibe… aber darüber unterhalten wir uns später.«
Ponte blickte sich um. »Das ist albern.«
»Möglich.«
Der Acquitainier ging ein Stück nach rechts und hob eine dünne Metallstange auf. Er wog sie prüfend in der Hand und machte sich dann auf den Weg zu Leoh.
»Das ist ein Hebel«, erklärte der Professor. »Natürlich können Sie ihn auch als Knüppel benutzen.«
Ponte kam zu einem Gewirr von herabhängenden Seilen. Statt sie zu umgehen, zwängte er sich mitten hindurch.
Leoh schüttelte den Kopf und drückte eine Taste an seiner Kontrollbox. »Das war ein Fehler, fürchte ich.«
Die Seile — in Wahrheit ein Raschenzug — spannten sich und lupften das Bodenstück, auf dem Ponte stand, in die Höhe. Der Acquatainier fiel auf alle viere und fand sich plötzlich auf seiner Plattform wieder, zehn Meter über dem Boden. Er ließ den Hebel fallen und griff nach den Seilen. Eines löste sich, und er umklammerte es mit Armen und Beinen.
»Ein Pendel!« rief Leoh. »Passen Sie auf…«
Das Seil, an dem Ponte hing, schwang ein Stück nach außen und pendelte dann zurück zu der freischwebenden Plattform. Ponte knallte mit dem Kopf gegen die Plattformkante, ließ das Seil fahren und plumpste zu Boden.
»Der Fußboden ist elastisch«, sagte Leoh, »aber ich habe vergessen, den Rand der Plattform zu polstern. Hoffentlich haben Sie sich nicht verletzt.«
Benommen richtete Ponte sich auf. Er brauchte drei Anläufe, um wieder auf die Beine zu kommen. Wutentbrannt stolperte er weiter.
»Rechts von Ihnen befindet sich eine schiefe Ebene von der Art, wie sie einst Galilei benutzte, nur viel größer. Wenn Sie sich nicht beeilen, werden Sie plattgewalzt…«
Leoh drückte eine andere Taste, und am höchsten Punkt der meterlangen schiefen Ebene, die wie eine mittelgroße Gangway aussah, setzte sich eine mannshohe Metallkugel in Bewegung. Ponte hörte das donnernde Rumpeln, fuhr herum und starrte wie vom Schlag getroffen die Kugel an. Im letzten Moment brachte er sich mit knapper Not in Sicherheit. Die Metallkugel walzte über den Fußboden und zermalmte alles, was ihr in den Weg kam, bis sie mit einem dumpfen Schlag an der gegenüberliegenden Wand zur Ruhe kam.