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»Und den Watchman auch«, warf Odal ein.

Kor zielte mit dem Dolch auf Odal. »Langsam, langsam. Leoh wird durch seine eigene Duellmaschine vernichtet werden, aber auf eine ganz spezielle Weise. Er hat bereits den ersten Schritt zu seinem Untergang getan, in einem Duell mit einem Hintertreppenpolitiker, der sich Hoffnungen darauf macht, Premierminister von Acquatainia zu werden, sobald Kerak den Cluster unterworfen hat.«

»Das verstehe ich nicht ganz«, sagte Odal stirnrunzelnd.

»Das kommt noch, Major. Was Sie zu tun haben, wird Ihnen vermutlich keinen Spaß machen, sowenig wie es Lal Ponte Spaß gemacht hat. Aber Sie werden für Kerak und den Führer Ihre Pflicht tun, so wie auch Ponte getan hat, was wir von ihm verlangten. Natürlich machen wir Sie nicht zum Premierminister von Acquatainia — Lal Ponte allerdings auch nicht.«

Kors Lachen klang wie ein Skalpell, das auf einen Knochen trifft.

Der Nachthimmel von Acquatainia war ein funkelndes Meer von Sternen, die so hell strahlten, daß es keine wirkliche Dunkelheit in der Stadt gab, nur ein silbriges Zwielicht, heller als bei Vollmond auf Terra.

Hector saß am Ruder eines Skimmers und steuerte ihn flußabwärts zum Hafen und in Richtung auf die offene See. Er konnte die salzige Luft bereits schmecken. Mit einem raschen Seitenblick streifte er Geri, die neben ihm auf dem Drehstuhl im winzigen Cockpit saß und den Kopf eingezogen hatte, um nicht von der fliegenden Gischt getroffen zu werden. Ihr Anblick machte es ihm fast unmöglich, das superschnelle Gleitboot unter Kontrolle zu halten.

Er flitzte zwischen den Sportbooten auf dem Fluß hindurch und zog einen Schweif luminiszenter Gischt hinter sich her. Draußen im Hafen ankerten riesige Frachter in der Hauptfahrrinne. Hector steuerte den Skimmer in flacheres Wasser zwischen der Fahrrinne und den Docks, damit Geri einen guten Blick auf die gigantischen Hochseeschiffe werfen konnte.

Schließlich erreichten sie die langgestreckte Dünung der offenen See. Hector stellte die Maschine ab, und der Skimmer verlor an Fahrt, bohrte sich mit dem Bug in eine heranrollende Welle und sackte mit dem Rumpf tiefer ins Wasser.

»Ist dir die Schaukelei, äh, unangenehm, Geri?« fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. »O nein, mir gefällt’s hier draußen.«

Nachdem das Boot jetzt ruhig im Wasser lag, löste sie ihre festgesteckten Haare. Sie fielen ihr mit einer derart weichen Anmut über die Schultern, daß Hector einen ganz trockenen Mund bekam.

»Der Roboherd müßte soweit sein«, sagte sie. »Hast du Hunger?«

Er nickte. Sie standen gleichzeitig auf, stießen zusammen, als sie sich zwischen den beiden Drehstühlen durchzwängen wollten, um zu der Sitzbank am achteren Ende des Cockpits zu gelangen. Geri lächelte ihm zu, und Hector ließ sich wieder auf den Rudersitz fallen. Es genügte ihm, ihr Parfüm zu riechen und sie anzuschauen. Geri setzte sich auf die Heckbank und öffnete die Klappe des Roboherds. Handliche Tabletts mit appetitlich dampfenden Speisen glitten heraus. Hector kam angestolpert und setzte sich neben sie auf die Bank.

»Die Getränke sind im Cooler«, sagte sie und deutete auf das andere Ende der Bank.

Nach dem Essen saßen sie zurückgelehnt auf der Bank und schauten empor zum Sternhimmel, während der Autopilot den Skimmer in der Nähe des Hafens hielt.

»Diese, äh… Sache mit Odal«, begann Hector zögernd. »Das ist eigentlich… ich meine, normalerweise…«

»Ich weiß. Es ist etwas Schreckliches, was ich da von dir verlange.« Sie legte ihre Hand in die seine. »Aber was kann ich sonst tun? Ich bin nur ein Mädchen; ich kann ihn nicht selbst töten. Ich brauche einen Beschützer, einen edlen Ritter, der den Tod meines Vaters rächt. Du bist der einzige, an den ich mich wenden kann, Hector.«

»Ja, aber… hmmm… ihn zu töten, das ist…«

»Das ist nicht ungefährlich, ganz klar. Aber du bist ja so tapfer. Du hast doch keine Angst vor Odal, oder?«

»Nein, aber…«

»Und er bekommt lediglich seine gerechte Strafe. Er ist ein Mörder. Du wirst das Schwert der Gerechtigkeit sein. Mein Schwert der Gerechtigkeit.«

»Ja, aber…«

Sie rutschte ein Stück weg. »Natürlich wird Odal kaum je nach Acquatainia zurückkommen. Aber wenn, dann nur aus einem einzigen Grund.«

Hector blinzelte unsicher. »Und der wäre?«

»Um Professor Leoh zu ermorden«, erklärte sie.

Der Star Watchman schrak zurück. »Du hast recht. Und ich muß ihn daran hindern.«

Geri wandte sich ihm zu, packte ihn bei den Ohren und küßte ihn. Hector verlor den Boden unter den Füßen. Er hielt sich an ihr fest und erwiderte den Kuß. Dann entschlüpfte sie ihm. Er griff nach ihr, aber sie hielt seine Hände fest.

»Laß mich zu Atem kommen«, murmelte sie.

Er rutschte näher zu ihr, und sein Herzklopfen kam ihm lauter vor als das rhythmische Klatschen der Wellen gegen den Rumpf des Skimmers.

»Natürlich«, sagte Geri kühl, »wie es scheint, kann Professor Leoh in der Duellmaschine selbst seinen Mann stehen.«

»Hm, ja.« Hector rückte dichter auf.

»Mich hat es sehr überrascht, daß Lal Ponte den Professor forderte«, sagte sie und rutschte ganz in die Ecke der Sitzbank. »Ponte ist solch ein… Nichts. Den Mut zu einem Duell hätte ich ihm nie zugetraut.«

Hector drückte sich eng an Geri, legte ihr den Arm um die Schulter und schwieg.

»Ich erinnere mich an eine Bemerkung meines Vaters: ›Wenn einer im Parlament heimlich für Kerak arbeitet, dann kann es nur Ponte sein!‹«

»Was?«

Geri runzelte die Stirn. »Ja, Vater hatte Ponte im Verdacht, ein Parteigänger von Kanus zu sein. ›Wenn Kerak uns je unterwerfen sollte‹ sagte Vater einmal zu mir, ›dann wird dieser Schlappschwanz unser neuer Premierminister.‹«

Hector richtete sich auf. »Aber jetzt arbeitet er für Martine… und Martine ist bestimmt nicht pro-kerakisch.«

»Ich weiß«, räumte Geri ein. »Vielleicht hat Vater sich geirrt. Oder Ponte hat die Seiten gewechselt. Oder…«

»Oder er arbeitet nach wie vor für Kerak.«

Geri lächelte. »Und wenn schon. Professor Leoh jedenfalls hat es ihm gezeigt.«

»Hmmmm.« Hector lehnte sich zurück und stellte fest, daß er und Geri irgendwie auseinandergerückt waren. Er rutschte zu ihr hin.

»Mein Fuß!« Geri sprang auf.

»Oh, Entschuldigung. Bin ich dir draufgetreten…?« Hector sprang ebenfalls auf.

Geri hüpfte auf einem Bein in dem winzigen Cockpit herum. Der Skimmer begann zu schaukeln. Hector wollte sie festhalten, aber Geri stieß ihn weg. Durch den Schwung taumelte sie rückwärts, stolperte gegen die Reling — und stürzte kreischend und mit einem lauten Klatschen ins Wasser.

Der entsetzte Hector zögerte keine Sekunde. Kopfüber sprang er über Bord und verfehlte Geri nur um Zentimeter.

Hustend und spuckend tauchte er wieder auf. Geri neben ihm trat Wasser.

»Ich… ich… ich…«

Sie lachte. »Alles in Ordnung, Hector. Meine Schuld. Ich habe mich nur aufgeregt, weil du mir auf den Fuß getreten bist.«

»Aber… ich… bist du…?«

»Es ist eine herrlich warme Nacht. Da wir sowieso schon im Wasser sind, warum schwimmen wir nicht ein Stück?«

»Äh… gute Idee, nur… ja also, ich kann nicht schwimmen…« Und damit versank Hector.

Als Odal von der Raumschifframpe zum Gleitband ging, das in den Terminal führte, verspürte er eine freudige Erregung.

Er war wieder in Acquatainia! Die warme Sonne, die geschäftige Menschenmenge, die funkelnden Türme der Stadt — er empfand fast die gleiche Freude wie damals Dulaq bei Beginn seines Duells. Vielleicht ist es nur die Reaktion darauf, endlich frei zu sein von Kors bedrückendem Informationsministerium, sagte sich Odal. Aber als er sich, eskortiert von vier Männern aus Kors Brigade, dem Terminal näherte, gestand er sich ein, daß Acquatainia einen Rhythmus hatte, eine fröhliche und freiheitliche Atmosphäre, die er auf Kerak nie gefunden hatte.