»Sie warten am Tri-Di.«
»Die halten eine Transmissionsfrequenz über zweitausend Lichtjahre offen?« Leoh machte ein beeindrucktes Gesicht.
»Sie sind der Erfinder der Duellmaschine und der Chef von Psychonics Incorporated. Sie sind der einzige Mensch, der ihnen sagen kann, was schiefgegangen ist.«
»Tja, dann will ich sie nicht länger warten lassen.«
»Sie können das Gespräch hier führen«, sagte der Rektor und machte Anstalten, sich zu erheben.
»Nein, nein, bleiben Sie nur«, wehrte Leoh ab. »Und Sie auch«, fügte er, zu dem Hilfsdozenten gewandt, hinzu.
Der Rektor drückte eine Taste an seinem Schreibtisch-Kommunikator. Die gegenüberliegende Wand leuchtete einen Moment und schien sich dann aufzulösen. Sie blickten in ein anderes Arbeitszimmer, auf dem fernen Acquatania gelegen. Nervös aussehende Männer in Geschäftsanzügen und Uniformen drängten sich darin.
»Gentlemen«, sagte Dr. Leoh.
Mehrere Acquatainier versuchten ihm gleichzeitig zu antworten. Nach ein paar Sekunden wirren Durcheinanderredens blickten alle einen Mann in ihrer Mitte an — einen großen, intelligent und entschlossen wirkenden Zivilisten mit einem gepflegten schwarzen Vollbart.
»Ich bin Fernd Massan, der Vize-Premier von Acquatainia. Sie sind sich hoffentlich im klaren über die Krise, in die meine Regierung durch dieses Duell gestürzt wurde?«
Leoh blinzelte verwirrt. »Ich weiß nur, daß es offenbar Schwierigkeiten gegeben hat mit einer in Ihrem Cluster installierten Duellmaschine. Politische Krisen gehören nicht in mein Fach.«
»Aber Ihre Duellmaschine hat den Premierminister arbeitsunfähig gemacht«, rief einer der Generale erregt.
»Noch dazu gerade jetzt«, fiel ein Minister ein, »mitten in den Auseinandersetzungen mit den Kerak-Welten.«
Mit einer Handbewegung brachte sie Massan zum Schweigen.
»Die Duellmaschine«, sagte Leoh gelassen, »ist nichts weiter als ein psychonischer Apparat… genauso ungefährlich wie ein Tri-Di-Communicator. Sie versetzt lediglich zwei Männer in die Lage, eine gemeinsam geschaffene Traumwelt miteinander zu teilen. Sie können in dieser Traumwelt tun und lassen was sie wollen — können einen Streit auf die denkbar blutigste Weise bereinigen, und doch tragen sie genausowenig körperlichen Schaden davon wie in einem echten Traum. Menschen können sich der Duellmaschine bedienen als Ventil für ihre Aggressionen, für aufgestauten Frust und Haß, ohne dabei sich oder die Gesellschaft zu schädigen.«
»Ihre eigene Regierung hat eine der Maschinen getestet und vor über drei Jahren den Gebrauch auf Acquatainia zugelassen. Einigen der anwesenden Herren habe ich die Maschine persönlich demonstriert. Duellmaschinen sind inzwischen weit verbreitet im Terranischen Commonwealth und in benachbarten Nationen, wie auch in Acquatainia. Ich bin sicher, daß viele von Ihnen die Maschine selbst benutzt haben. Sie zum Beispiel, General.«
Der General war peinlich berührt. »Das hat überhaupt nichts mit dem gegenwärtigen Problem zu tun.«
»Zugegeben«, räumte Leoh ein. »Aber ich verstehe nicht, wie ein therapeutisches Gerät eine politische Krise auslösen sollte.«
»Lassen Sie mich bitte erklären«, sagte Massan. »Unser Staat hat außerordentlich heikle Verhandlungen mit den Regierungen benachbarter Nationen geführt. Es ging um die Wiederbewaffnung der Kerak-Welten. Sie haben von Kanus aus Kerak gehört?«
»Am Rande«, meinte Leoh. »Er ist eine Art politischer Führer, nicht wahr?«
»Von der schlimmsten Art. Er hat eine totale Diktatur auf den Kerak-Welten errichtet und will diese jetzt kriegsmäßig aufrüsten. Das ist ein eklatanter Bruch des Acquatainischen Vertrags, der erst vor dreißig terranischen Jahren abgeschlossen wurde.«
»Verstehe. Der Vertrag beendete den acquatainisch-kerakischen Krieg, stimmt’s?«
»Einen Krieg, den wir gewonnen haben«, betonte der General.
»Und jetzt wollen die Kerak-Welten wiederaufrüsten und noch einmal ihr Glück versuchen«, riet Leoh.
»Genau.«
Leoh zuckte die Achseln. »Warum rufen Sie nicht die Star Watch zu Hilfe? Das ist doch eine typische Sache für die Raumpolizei. Und was hat das alles mit der Duellmaschine zu tun?«
»Lassen Sie mich erklären«, sagte Massan geduldig. Er winkte einem Assistenten, und hinter ihm auf der Wand erglomm eine riesige Tri-Di-Sternkarte.
Leoh erkannte sie sofort: die spiralförmige Galaxie der Milchstraße. Vom Rand, wo sich Sonne und Erde befanden, bis zum Sternenreichen Herzen der Milchstraße erstreckte sich das Terranische Commonwealth — Tausende von Sonnen und Myriaden von Planeten. Auf Massans Karte glomm das Commonwealth-Territorium in zartgrüner Farbe. Direkt anschließend lag der goldene Sternhaufen von Acquatania. Darum verteilt gab es Namen, die Leoh nur flüchtig kannte: Safad, Szarno, Etra und ein stecknadelgroßer Punkt mit der Bezeichnung Kerak.
»Weder der Acquataine Cluster noch unsere Nachbarnationen haben sich je dem Terranischen Commonwealth angeschlossen«, sagte Massan. »Kerak übrigens auch nicht. Deshalb kann die Star Watch nur intervenieren, wenn alle Betroffenen damit einverstanden sind. Natürlich würde Kanus niemals die Star Watch akzeptieren. Er will aufrüsten.«
Leoh schüttelte den Kopf.
»Was die Duellmaschine betrifft«, fuhr Massan fort, »so hat Kanus sie in eine politische Waffe verwandelt… «
»Aber das ist unmöglich! Ihre Regierung hat strikte Gesetze für den Gebrauch der Maschine erlassen. Die Duellmaschine darf nur für private Streitigkeiten benutzt werden. Sie ist völlig unpolitisch.«
Massan schüttelte betrübt den Kopf. »Mein lieber Professor, Gesetze sind eine Sache, Menschen eine andere. Und Politik wird von Menschen gemacht, nicht von auf Tape gespeicherten Worten.«
»Da komme ich nicht mit«, meinte Leoh.
»Vor etwas mehr als einem terranischen Jahr brach Kanus einen Streit vom Zaun mit einer Nachbarnation — der Safad Federation. Er wollte ein besonders vorteilhaftes Handelsabkommen mit ihr abschließen. Der safanische Handelsminister lehnte sehr entschieden ab. Ein Mitglied der kerakischen Verhandlungsdelegation — ein gewisser Major Odal — hatte einen Wortwechsel mit dem Minister. Bevor die anderen es so richtig mitbekamen, hatten sich die beiden gegenseitig zum Duell herausgefordert. Odal siegte, und der Minister trat zurück. Er sagte, er könne Odals und Keraks Forderungen nicht länger abwehren… er sei psychisch unfähig dazu. Zwei Wochen später war er tot — offenbar Selbstmord, obwohl ich da meine Zweifel habe.«
»Das ist… außerordentlich interessant«, murmelte Leoh.
»Vor drei Tagen«, fuhr Massan fort, »verwickelte der gleiche Major Odal unseren Premierminister Dulaq in einen hitzigen Disput. Odal ist jetzt Militärattache bei der kerakischen Botschaft hier auf Acquatainia. Der Wortwechsel wurde so laut —vor einer größeren Gruppe von Zuhörern auf einem Botschaftsempfang —, daß dem Premierminister gar nichts mehr anderes übrigblieb, als Odal zu fordern. Und jetzt… «
»Jetzt liegt Dulaq im Koma, und Ihre Regierung wackelt.«
Massan richtete sich kerzengerade auf. »Unsere Regierung wird nicht stürzen, noch wird der Acquataine Cluster die Wiederbewaffnung der Kerak-Welten ruhig hinnehmen. Aber…« er senkte die Stimme, »… ohne Dulaq zerbröckeln unter Umständen unsere Bündnisse mit den Nachbarnationen. Alle unsere Verbündeten sind kleiner und schwächer als Acquatainia. Kanus könnte sie einzeln unter Druck setzen und sicherstellen, daß sie nichts gegen seine Aufrüstung unternehmen. Alleine kann Acquatainia Kanus nicht stoppen.«
»Aber wenn Kanus Sie angreift, können Sie doch die Star Watch zu Hilfe rufen und…«
»So einfach liegt die Sache nicht. Kanus wird eine kleine Nation nach der anderen schlucken. Er kann einen Überraschungsschlag führen und eine Nation unterwerfen, bevor die Star Watch herbeigerufen werden kann. Schließlich hat er uns völlig isoliert, ohne einen einzigen Verbündeten. Dann wird er Acquatainia angreifen oder vielleicht einen Umsturz von innen her versuchen. Wenn Acquatainia fällt, wird das nur seinen Appetit auf fettere Beute wecken: die Unterwerfung des Terranischen Commonwealth. Kanus schreckt vor nichts zurück.«