Выбрать главу

Der Watchman rührte sich nicht und starrte zu Boden.

Leoh packte ihn an den Schultern. »Jetzt hör mir mal zu, Junge. Was du getan hast, erforderte Mut, echten Mut. Es wäre einfach gewesen, Odal zu töten und damit Anerkennung bei ihr zu finden… jeder hätte dir Beifall gezollt, wenn man’s recht überlegt. Aber du hast das getan, was du für richtig hieltest. Und wenn du den Mut dazu hattest, dann bringst du bestimmt auch den Mut auf, einem unbewaffneten Mädchen gegenübertreten.«

Hector sah ihn an, und sein langes Gesicht war sehr ernst geworden. »Aber nehmen wir an… nehmen wir an, sie hat mich nie geliebt. Nehmen wir an, sie wollte mich nur als Werkzeug benutzen, um Odal zu töten?«

Dann sei froh, wenn du sie los bist, dachte Leoh. Aber das konnte er Hector nicht sagen.

»Das halte ich für sehr unwahrscheinlich«, sagte er sanft.

Und fügte im stillen hinzu: Hoffe ich zumindest.

In seinem todesähnlichen Schlaf hörte Odal nicht, wie sich die Tür öffnete. Der Sergeant trat in die kahle, fensterlose Zelle und richtete seine Taschenlampe auf Odals Gesicht. Der kerakische Major regte sich und drehte sein Gesicht weg. Der Sergeant packte ihn an der Schulter und schüttelte ihn unsanft.

Odal war mit einem Schlag hellwach, schlug dem Sergeanten die Hand weg und packte ihn an der Gurgel. Der Wächter ließ seine Lampe fallen und versuchte Odals Hand von seiner Kehle zu lösen. Ein paar Sekunden lang boten sie ein bizarres und tödliches Tableau, gespenstig beleuchtet von der am Boden liegenden Lampe — Odal, der aufrecht auf der Pritsche saß, und der Sergeant, der langsam auf die Knie sank.

Dann ließ Odal ihn los. Der Sergeant fiel auf alle viere und hustete röchelnd. Odal schwang die Beine aus dem Bett und stand auf.

»Wenn du mich weckst, wirst du das in Zukunft auf manierliche Weise tun«, zischte er. »Ich bin kein gemeiner Verbrecher, und ich lasse mich von dir nicht als solchen behandeln. Und wenn meine Tür auch von außen verschlossen ist, klopfst du in Zukunft an. Ist das klar?«

Der Sergeant stand auf und rieb sich den Hals. In seinen Augen lag eine Mischung aus Wut und Angst.

»Ich führe nur Befehle aus. Niemand hat mir gesagt, daß du bevorzugt behandelt werden sollst…«

»Ich sage es dir!« herrschte ihn Odal an. »Und solange ich meinen Dienstgrad noch habe, wirst du mich mit Sir anreden!«

»Jawohl, Sir!« murmelte der Sergeant verdrossen.

Odal entspannte sich etwas und knetete die Finger.

»Sie werden an der Duellmaschine verlangt… Sir.«

»Mitten in der Nacht? Auf wessen Befehl?«

Der Wärter zuckte die Achseln. »Hat man mir nicht gesagt, Sir.«

Odal lächelte. »Na schön. Warte draußen, während ich meine ›Uniform‹ anziehe.« Er deutete auf den ausgebeulten Drillich, der am Fußende der Pritsche hing.

Ein einzelner Meditechniker erwartete Odal vor der Duellmaschine, die bedrohlich in der düsteren Nachtbeleuchtung aufragte. Odal erkannte in ihm einen der Inquisitoren, die ihm in den vergangenen Wochen zugesetzt hatten. Wortlos deutete der Mann auf eine Kabine. Der Sergeant bezog Posten an der Tür des großen Raums, und der Meditechniker brachte die Neurokontakte an Odals Kopf und Schultern an. Dann verließ er die Kabine und verschloß die Tür von außen.

Ein paar Sekunden geschah nichts. Dann hörte Odal in seinem Kopf eine Stimme:

»Major Odal?«

»Natürlich«, dachte er zurück.

»Ja… natürlich.«

Irgend etwas stimmte nicht. »Sie… Sie sind nicht der…«

»Ich bin nicht der Mann, der Sie in die Duellmaschine gesetzt hat. Ganz recht.« Die Stimme klang gleichzeitig erfreut und besorgt. »Der Mann sitzt am Kontrollpult der Maschine, während ich auf der anderen Seite des Globus bin. Er hat einen Minitransceiver bei sich, über den ich jetzt mit Ihnen in Verbindung getreten bin. Diese Kommunikationsmethode ist unorthodox, kann aber wahrscheinlich nicht von Kor und seinen Helfershelfern angezapft werden.«

»Aber ich kenne Sie«, dachte Odal zurück. »Ich bin Ihnen schon mal begegnet.«

»Das ist richtig.«

»Romis! Sie sind Minister Romis!«

»Ja.«

»Was wollen Sie von mir?«

»Ich habe erst heute morgen von Ihrer mißlichen Lage erfahren. Ich war schockiert darüber, wie man einen loyalen kerakischen Soldaten behandelt.«

Romis empfing die Gedanken in seinem Kopf, aber er spürte auch, daß Romis’ Worte nur die sorgfältig polierte Oberfläche bildeten, daß sich darunter eine andere, tiefere Bedeutung verbarg. Er sendete keine Gedanken aus und wartete, daß der Minister fortfuhr.

»Werden Sie schlecht behandelt?«

Odal lächelte gequält. »Nicht schlimmer als ein Meerschweinchen in einem Testlabor. Ich fühle mich ungefähr wie ein Versuchskaninchen, dem man ohne Narkose den Bauch aufschlitzt.«

Romis Geist sendete eine Welle von Entsetzen aus. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt und sagte: »Es gibt vielleicht Möglichkeiten, wie ich Ihnen helfen kann…«

Odal verlor die Geduld. »Sie haben nicht mitten in der Nacht mit Hilfe solch einer komplizierten Prozedur Kontakt mit mir aufgenommen, um sich nach meinem Wohlergehen zu erkundigen. Irgendwie sitzen Sie in der Patsche und glauben, daß ich Ihnen von Nutzen sein kann.«

»Können Sie tatsächlich meine Gedanken lesen?«

»Nicht in der Art, wie man ein Memotape liest. Aber ich spüre gewisse Dinge, und die Maschine verstärkt diese Fähigkeit.«

Romis zögerte einen Moment und fragte dann: »Können Sie… spüren… an was ich gerade denke?«

Jetzt zögerte Odal. War das eine Falle? Er blickte sich in der winzigen Kabine um, betrachtete die Tür, von der er wußte, daß sie von außen abgeschlossen war. Was können sie mir sonst noch an tun? Mich umbringen?

»Ich spüre einen Haß auf Kanus«, antwortete Odal. »Ein Haß, dem eine ebenso tiefe Angst vor Kanus gegenübersteht. Wenn Sie könnten, wie Sie wollten…«

»Ja?«

Odal sah es jetzt klar vor sich. »Dann würden Sie den Führer ermorden lassen.«

»Wie?«

»Von einem in Ungnade gefallenen Offizier, der allen Grund hat, Kanus zu hassen.«

»Sie haben allen Grund, ihn zu hassen«, betonte Romis.

»Vielleicht.«

»Vielleicht? Wie können Sie ihn nicht hassen?«

Odal schüttelte den Kopf. »Die Frage habe ich mir nie gestellt. Bisher habe ich ihn weder geliebt noch gehaßt, nur seine Befehle ausgeführt.«

»Pflichtbewußtsein bis zum bitteren Ende«, erwiderte Romis. »Sie sprechen fast wie ein Aristokrat.«

»Wie Sie einer sind. Und trotzdem wollen Sie den Führer ermorden lassen.«

»Ja! Weil ein Angehöriger des Adels seine Verpflichtung den Kerak-Welten gegenüber höher eingeschätzt als die Treue zu diesem Wahnsinnigen — diesem Usurpator, der unser aller Untergang sein wird, ob Adel oder gemeines Volk.«

»Ich bin nur ein Gemeiner«, betonte Odal maliziös. »Vielleicht fehlt mir der blaublütige Horizont, um wirklich beurteilen zu können, wem gegenüber ich verpflichtet bin. Auf jeden Fall habe ich im Moment keine Wahl.«

Romis unterdrückte seinen Ärger. »Hören Sie zu. Wenn Sie gemeinsame Sache mit uns machen, können wir Ihnen helfen, aus dieser unmenschlichen Experimentierstation zu entkommen. Wie Sie sehen, gehören ein paar von Kors Leuten zu uns; außerdem gibt es Gruppen in der Armee und in der Raumflotte. Wenn Sie uns helfen, können Sie erneut zum Helden von Kerak werden.«

Wenn ich Kanus ermorde und die Tat überlebe, sagte sich Odal. Und wenn ich nicht anschließend selbst von deinen Kumpanen beseitigt werde.

Romis fragte er: »Und wenn ich nicht gemeinsame Sache mit Ihnen mache?«

Der Minister schwieg.