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»Also nach Kerak zurückkehren?« fragte Odal mit verkniffener Miene. »Das wäre ziemlich riskant für mich.«

»Sie würden die Sicherheit hier vorziehen, als ein Gefangener?«

»Warum eigentlich nicht?«

»Ich könnte mir vorstellen, daß Romis bei seinem Umsturzversuch mit Ihrer Unterstützung rechnet.«

»Möglich. Aber erst in dem Augenblick, wenn er bereit ist, direkt gegen Kanus vorzugehen. Bis dahin ist er vermutlich froh, daß ich sicher und aus dem Weg bin. Er wird mich rufen lassen, wenn er mich braucht. Ob ich allerdings gehe, ist eine andere Frage.«

Leoh stellte plötzlich fest, daß er nichts mehr zu sagen hatte. Es schien klar, daß Odal freiwillig niemandem helfen würde — nur sich selbst.

Er stand auf. »Lassen Sie sich die Sache durch den Kopf gehen. Viele Menschenleben stehen auf dem Spiel. Sie können dazu beitragen, sie zu erhalten.«

»Und mein eigenes Leben dabei verlieren«, sagte Odal trocken, während er sich ebenfalls erhob.

Leoh neigte den Kopf zur Seite. »Durchaus möglich. Das will ich nicht bestreiten.«

»Sie bewerten Hectors Leben höher als meines. Ich nicht.«

»Touché! Aber es geht außerdem um ein paar Milliarden Menschen in Kerak und in Acquatainia.«

Leoh ging zur Tür. Odal blieb an der Couch stehen. Dann rief er: »Professor! Dieses Mädchen… das sich so erschreckt hat, als ich in Ihrer Duellmaschine auftauchte. Wer war das?«

Leoh drehte sich um. »Geri Dulaq. Die Tochter des ermordeten Premierministers.«

»Ah, verstehe.« Einen flüchtigen Moment zeigte Odals ausdrucksloses Gesicht eine Empfindung: Enttäuschung, Bedauern?

»Sie haßt mich, nicht wahr?« fragte er.

»Um ihre eigenen Worte zu benutzen«, versetzte Leoh, »warum eigentlich nicht?«

Nachdenklich kratzte sich Hector den Schädel. »Das bringt mich in eine… äh… verzwickte Lage.«

Der kerakische Captain zuckte die Achseln. »Wir alle sind in einer äußerst prekären Lage.«

»Tja, vermutlich haben Sie recht, falls… ich meine… woher soll ich wissen, daß Sie die Wahrheit sagen?«

Das schroffe, faltige Gesicht des Captains verzog sich ärgerlich. Sie saßen auf der Kommandobrücke des Raumschiffs, wohin man Hector gebracht hatte. Hinter dem Schutzgeländer erstreckte sich eine Etage tiefer das Kontrollzentrum des gigantischen Raumkreuzers. Der Captain schluckte seinen Ärger hinunter und antwortete friedfertig:

»Ein kerakischer Offizier lügt nicht. Nie und unter keinen Umständen. Mein — Vorgesetzter, sagen wir mal — hat mit dem Commander der Star Watch gesprochen, wie ich Ihnen bereits erklärte. Sie trafen eine Vereinbarung, wonach Sie bis auf weiteres hier an Bord bleiben. Ich bin bereit, Ihnen volle Bewegungsfreiheit auf dem Schiff einzuräumen, mit Ausnahme des Kontrollzentrums, der Energiezentrale und der Luftschleusen. Ich glaube, das ist mehr als fair.«

Hector schlug mit den Fingern einen Trommelwirbel auf dem Kartentisch. »Ich habe wohl keine andere Wahl. Ich bin, hm, so eine Kreuzung zwischen einem Kriegsgefangenen und einem Kulturtouristen.«

Der Captain lächelte mechanisch und versuchte das nervtötende Getrommel zu ignorieren.

»Und ich bleibe vermutlich so lange bei Ihnen«, fuhr Hector fort, »bis ihr Kanus liquidiert habt.«

»SIND SIE WAHNSINNIG!« Der Captain sprang Hector fast ins Gesicht und versuchte ihm den Mund zuzuhalten.

»Oh. Weiß denn die Besatzung nicht Bescheid?«

Mit zittriger Hand fuhr sich der Captain über die Stirn. »Woher… wer… wie kommen Sie um Himmels willen auf die Idee, daß wir… daß wir etwas Derartiges vorhaben?«

Hector machte ein ratloses Gesicht. »Weiß ich selbst nicht. Eigentlich nur ein paar Indizien und Hinweise. Ein paar Brocken, die ich von meinen Wärtern aufgeschnappt habe. Und ich nehme an, daß Kanus inzwischen mein Gehirn zerpflückt hätte. Was Sie nicht getan haben. Ich werde hier beinahe wie ein Gast behandelt. Also arbeiten Sie nicht für Kanus. Trotzdem tragen Sie kerakische Uniformen. Deshalb müssen Sie…«

»Das reicht, das reicht! Sie brauchen wirklich nicht in Einzelheiten zu gehen.«

»Okay.« Hector stand auf. »Haben Sie was dagegen, wenn ich einen Rundgang durch das Schiff mache?«

»Nein, bis auf die erwähnten Ausnahmen.« Der Captain erhob sich ebenfalls. »Ach ja, noch eine Abteilung, die Sie nicht betreten dürfen: den Computerraum. Wie ich höre, waren Sie heute morgen dort.«

Hector nickte. »Die Wachen haben mich hineingelassen. Das war während meines Frühsports nach dem Frühstück. Die Wachen bestehen darauf. Auf dem Frühsport, meine ich.«

»Das ist jetzt irrelevant! Sie haben sich mit einem unserer Junior-Programmierer über Computertechnik unterhalten…«

»Ja. Ich bin ziemlich gut in Mathematik, verstehen Sie, und da… «

»Bitte! Ich weiß nicht, was Sie ihm alles erzählt haben, aber bei dem Versuch, Ihre sogenannten ›Verbesserungsvorschläge‹ in das Programm einzugeben, hat er drei Logikbänke in die Luft gejagt und den gesamten Zentralcomputer mehrere Stunden lahmgelegt.«

»Tatsächlich? Sehr komisch.«

»Komisch?« schnauzte der Captain.

»Merkwürdig, meine ich.«

»Ganz meine Meinung. In Zukunft betreten Sie mir den Computerraum nicht mehr.«

Hector zuckte die Achseln. »In Ordnung. Sie sind der Boß.«

Der junge Star Watchman drehte sich um und spazierte von dannen. Zurück blieb ein Captain, der kurz vor einem Schlaganfall stand. Der Kerl hatte nicht salutiert; er hatte nicht gewartet, bis ihm der ranghöhere Offizier das abtreten erlaubte; er war einfach davongelaufen, nein: davongelatscht wie… wie ein Zivilist! Und jetzt pfiff er auch noch vor sich hin! An Bord eines Kriegsschiffes! Erschüttert sank der Captain auf seinen Stuhl. Dieser Programmierer war nur das erste Opfer gewesen, schwante ihm plötzlich. Hoffentlich beeilt sich Romis. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis uns dieser Watchman alle zum Wahnsinn treibt.

Von der Brücke aus gelangte man, wie Hector herausfand, zu einer Anzahl technischer Stationen: in die Navigationsabteilung (zur Zeit unbemannt, nachdem das Raumschiff im Orbit kreiste), die Kommunikationszentrale (gut bewacht) und, am interessantesten, das Beobachtungsdeck.

Hier entdeckte Hector einen mittelgroßen Raum, vollgepackt mit Bildschirmen, auf denen fast alle Bereiche des Raumschiffs zu sehen waren. Außerdem gab es Monitore, die von Außenkameras gespeist wurden. Da sie Keraks Zentralplaneten umkreisten, waren die meisten der externen Sensoren auf den Boden gerichtet.

Hector freundete sich rasch mit der Bedienungsmannschaft an. Trotz des Star-Watch-Emblems an seinem Overall schienen sie ihn mehr als Leidensgenossen in einer militärischen Organisation denn als potentiellen Feind zu betrachten.

»Das ist die Hauptstadt«, bemerkte einer von ihnen.

Hector zeigte sich gebührend beeindruckt. »Steht dort die Duellmaschine?«

»Sie meinen die im Informationsministerium? Das liegt auf der anderen Seite des Planeten. Ich zeig’s Ihnen, wenn wir dieses Gebiet überfliegen.«

»Danke«, sagte Hector. »Würde ich mir gerne anschauen… sehr gerne.«

Jeden Morgen wurde Odal aus seinem Untergrundquartier geholt und für eine Stunde in den von Mauern umschlossenen Innenhof des Justizministeriums geführt. Unter den kalten Blicken seiner Bewacher zog er endlose Kreise um den Rasen in der Hofmitte, machte Liegestütze, Kniebeugen, gymnastische Übungen… alles mögliche, um der Monotonie zu entfliehen und die Wachen nicht merken zu lassen, wie elend und einsam er sich fühlte.

Romis, dachte er, ist kein Dummkopf. Er braucht mich erst, wenn seine Pläne spruchreif sind, wenn der Augenblick, den Führer zu ermorden, gekommen ist. Für ihn ist es doch ideal, mich hier schmoren zu lassen und dann — genau im richtigen Moment — den Watchman im Austausch für mich anzubieten. Spencer wird mich nach Kerak bringen lassen, und dann ist es zu spät, noch irgend etwas gegen Romis zu unternehmen.