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An den vier Seiten des Hofs standen mächtige, aromatisch duftende Bäume, und in der Mitte befand sich ein wucherndes Wundergewächs mit glasharten goldenen Blättern, die wie Glöckchen tönten, wenn ein Windhauch sie bewegte. Als Odal sich nach einer langen Serie von Liegestützen schweratmend und durchgeschwitzt erhob, sah er Geri Dulaq auf einer Bank unter diesem Baum sitzen.

Er trocknete sich die Stirn mit einem Handtuch, warf es über die Schulter und schlenderte zu ihr hinüber. Beim ersten Mal hatte er gar nicht bemerkt, wie schön sie war. Ihr Gesicht war unbewegt, aber Odal spürte, daß sie nur mit Mühe die Fassung wahrte.

»Guten Morgen«, sagte er gelassen.

Sie nickte, antwortete aber nicht. Kein Lächeln, kein Stirnrunzeln. Er deutete fragend auf die Bank, und als sie erneut nickte, setzte er sich neben sie.

»Sie sind mein zweiter Besucher«, sagte Odal.

»Ich weiß«, erwiderte Geri. »Professor Leoh hat mir von seinem Besuch bei Ihnen erzählt. Wie Sie sich geweigert haben, Hector zu helfen.«

Odal lächelte. »Hatte ich mir schon gedacht, daß das der Grund Ihres Besuchs ist.«

Sie sah ihm voll ins Gesicht. »Sie können ihn nicht einfach in Kerak sitzen lassen! Wenn Kanus…«

»Hector befindet sich bei Romis. Dort ist er sicher.«

»Aber wie lange?«

»So lange wie wir alle.«

»Nein«, widersprach Geri. »Er ist Gefangener, und er befindet sich in Gefahr.«

»Sie lieben ihn tatsächlich?«

In ihren Augen glitzerten Tränen. »Ja«, murmelte sie.

Verständnislos schüttelte Odal den Kopf. »Wie kann man solch eine tölpelhafte, stotternde Witzfigur lieben…«

»Er ist stärker als Sie!« fuhr ihn Geri an. »Und tapferer. Er würde nie vorsätzlich einen Menschen töten, nicht einmal Sie. Er ließ Sie am Leben, als jeder andere hier auf dem Planeten — mich eingeschlossen — Sie wie einen tollwütigen Hund niedergeschossen hätte!«

Unwillkürlich rückte Odal ein Stück weg.

»Sie verdanken Hector Ihr Leben«, sagte sie.

»Und jetzt soll ich es aufs Spiel setzen, um seines zu retten?«

»Ganz recht. Das wäre anständig gehandelt. Im umgekehrten Fall würde er das gleiche für Sie tun.«

»Das bezweifle ich.«

»Natürlich bezweifeln Sie das. Sie wissen ja auch nicht, was Anstand ist.«

Er musterte sie eingehend und versuchte ihren Gesichtsausdruck, die in ihrer Stimme mitschwingenden Empfindungen zu ergründen. »Hassen Sie mich?« fragte er.

Ihr Mund formte ein Ja, aber sie zögerte. »Ich sollte Sie hassen; ich habe allen Grund dazu. Ich… ich weiß es nicht… ich möchte Sie hassen!«

Sie stand auf und lief rasch, mit gesenktem Kopf, zum Hoftor. Odal sah ihr einen Moment nach, dann folgte er ihr. Aber die Wachen stoppten ihn, als er sich dem Tor näherte. Geri lief weiter und entschwand seinem Blick, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen.

»Feiglinge!« tobte Romis. »Erbärmliche rückgratlose Memmen!«

Er marschierte erregt in der mit Bücherregalen vollgestellten Bibliothek seiner Villa auf und ab und stieß die Worte so scharf wie Laserstrahlen hervor. Neben dem Kamin saß, in der Hand einen verzierten Glaskelch, der Captain des Raumschiffs, in dem Hector gefangengehalten wurde.

»Sie planen und intrigieren seit Monaten«, knurrte Romis, mehr zu sich selbst als zu dem Captain. »Tagelang streiten sie um die trivialsten Details. Sie winden sich wie Schlangen und wollen einen absolut narrensicheren Aktionsplan ausarbeiten. Und was passiert, wenn sie auch nur das geringste Anzeichen von Gefahr wittern?«

Der Captain hob das Glas an die Lippen.

»Sie kneifen!« brüllte Romis. »Sie bewerten ihr eigenes elendes Leben höher als das Wohl der Kerak-Welten. Sie lassen dieses Monster weiterleben aus Angst um ihr eigenes Leben.«

»Was erwarten Sie denn eigentlich«, meinte der Captain. »Sie können die Leute doch nicht zur Tapferkeit zwingen. Die Armeeführer vielleicht. Aber die sind fast alle verhaftet. Ganze Familien. Ihre politischen Freunde haben eine Heidenangst vor Kor. Mich wundert nur, daß er Sie noch nicht eingelocht hat.«

»Das wird er schön bleiben lassen«, erwiderte Romis mit einem hintergründigen Lächeln. »Solange er nicht weiß, wo Odal ist. Er fürchtet Odals Rückkehr. Er kennt schließlich die tödlichen Qualitäten seines einstmaligen Killers.«

»Sie bekommen Odal von Spencer nicht zurück, wenn Sie nicht den Watchman herausgeben. Und wenn der weg ist, können Sie damit rechnen, daß Spencer wie ein beutegieriger Geier über uns kreist.«

»Also, was soll ich tun? Soll ich Kanus eigenhändig liquidieren?«

»Das können Sie nicht.« Der Captain schüttelte den Kopf.

»Warum nicht? Glauben Sie, mir fehlt der…«

»Verehrter Freund, verlieren Sie doch nicht das Ziel aus dem Auge. Kanus ist ein Monster, richtig. Aber er hat sich mit vielen kleineren Monstern umgeben. Wenn Sie ein Attentat auf ihn versuchen, überleben Sie das nicht.«

»Und?«

»Wer übernimmt dann die Macht? Einer von Kanus’ Speichelleckern natürlich. Möchten Sie gerne Greber auf diesem Posten sehen? Oder Kor?«

Romis schüttelte sich. »Natürlich nicht.«

»Dann schlagen Sie sich die Idee, den Führer eigenhändig zu beseitigen, aus dem Kopf. Es wäre glatter Selbstmord.«

»Aber Kanus muß aufgehalten werden. Ich bin sicher, daß er noch vor Ende des Monats Acquatainia überfallen will.« Romis ging zum Kamin und starrte in die Flammen. »Ich glaube, wir müssen Odal zurückholen. Auch wenn wir dafür den Watchman freilassen müssen und Gefahr laufen, daß Spencer uns angreift.«

»Sind Sie entschlossen?«

»Was bleibt uns denn anderes übrig? Wenn wir das Attentat rasch genug durchführen, können wie Spencer aus Kerak heraushalten. Aber wenn wir noch viel länger zögern, sind wir plötzlich im Krieg mit Acquatainia.«

»Die Acquatainier schlagen wir.«

»Ich weiß«, erwiderte Romis. »Aber sobald uns das gelungen ist, wird Kanus beim Volk so beliebt sein, daß wir es nicht mehr wagen können, gegen ihn vorzugehen. Und anschließend greift dieser Verrückte die Terraner an. Das überlebt keiner von uns.«

»Hmmm.«

Romis blickte den Captain an. »Wir müssen den Watchman freilassen und Odal zurückholen. Schnellstens.«

»Gut«, meinte der Captain. »Offen gestanden, dieser Watchman ist die reinste Landplage. Er stellt mein ganzes Schiff auf den Kopf.«

»Wie kann ein einzelner Mann ein ganzes Raumschiff auf den Kopf stellen?«

Der Captain leerte sein Glas mit einem Schluck. »Sie kennen diesen einzelnen Mann nicht.«

Als sich der Captain mit seinem Gleiter dem Raumkreuzer näherte, spürte er instinktiv, daß etwas nicht stimmte.

Zu sehen war nichts, aber irgendwie schien das Raumschiff verändert. Seine Vorahnungen bestätigten sich, als die Fähre in einer der riesigen Schleusen andockte. Die Notbeleuchtung brannte, und zwar ziemlich trübe. Zwei Matrosen in Raumanzügen kurbelten mit der Hand die Außenluke zu, und die Notaggregate brauchten fast fünfzehn Minuten, die Schleusenkammer auf normalen Druck zu pumpen.

»Was in Dreiteufelsnamen ist denn hier passiert?« schnauzte der Captain einen Kadettoffizier an, als er aus seiner Shuttle kletterte.

»Der… der Strom, Sir. Der Strom ist… ausgefallen.«

»Ausgefallen?«

Der junge Offizier schluckte krampfhaft. »Jawohl, Sir. Ganz plötzlich… überall im Schiff… totaler Energieausfall!«

Der Captain fluchte lautlos. Dann bellte er: »Lassen Sie die Innenluke aufkurbeln und begleiten Sie mich zur Brücke!«

Die Matrosen machten sich hastig ans Werk, und wenige Minuten später hatten der Captain, der Kadettoffizier und die Decksmannschaft die Schleuse verlassen. Das Kapitänsboot blieb leer und unbewacht zurück.