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Aus einer Schaltkabine am hinteren Ende der Schleuse trat Hector, sein schmales Gesicht gespannt und wachsam, um den Mund ein kleines, zufriedenes Lächeln.

Die müßten in ein paar Minuten die Ursache für den Energieausfall finden, sagte er sich. Und sobald die Hauptbeleuchtung wieder angeht, haue ich ab.

Hector schlich auf Zehenspitzen durch die Schleuse und manipulierte an den Pumpen und an dem Lukenmechanismus herum. Dann kletterte er in die Kapitänsfähre, klappte die Kanzel zu und studierte das Instrumentenbrett. Nicht zu kompliziert…glaube ich.

Der Blackout war lächerlich einfach zu bewerkstelligen gewesen. Hector hatte lediglich ein wenig Zeit gebraucht, bis seine Bewacher ihm Vertrauen entgegenbrachten und ihm erlaubten, bestimmte Bereiche des Schiffs unbegleitet zu durchstreifen. Er hatte viele Stunden auf dem Beobachtungsdeck verbracht, wo er sich mit den Layout des gigantischen Schiffs vertraut machte und sein eigentliches Ziel identifizierte — das Informationsministerium mit seiner Duellmaschine.

Vor einer Stunde hatte er seinen mittlerweile gewohnten Spaziergang zur Kommunikationszentrale gemacht. Seine Bewacher schenkten ihm keine übermäßige Aufmerksamkeit mehr, nachdem sie ihn inmitten einer Schar kerakischer Techniker in angeregte Unterhaltung vertieft sitzen sahen. Hector ließ einige Zeit verstreichen und schlenderte dann unauffällig zu der Bodenluke, die zur Schaltzentrale auf dem darunterliegenden Deck führte.

Beinahe hätte er alles verpatzt, als er die zweite Sprosse der Eisenleiter verfehlte und auf das Unterdeck plumpste. Einen langen Augenblick lag er auf der Nase und versuchte unsichtbar oder wenigstens tot zu erscheinen. Schließlich riskierte er einen Blick die Leiter hinauf. Niemand kam hinter ihm her; man hatte nichts bemerkt.

Rasch fand er, wonach er suchte: das Versorgungskabel von der Energiezentrale und die Anschlüsse der Sendeantennen. Er zog eine Platine aus einer Standby-Konsole und stellte damit eine elektrisch leitende Verbindung zwischen dem Hochspannungskabel und der Antennenzuleitung her. Obwohl es nach allen Regeln der Physik ein unmögliches Unterfangen war, wußte Hector aus früheren Erfahrungen auf einem Star-Watch-Kreuzer haargenau (bei der Erinnerung daran überlief ihn noch immer eine Gänsehaut), zu welchem Resultat diese »unbeabsichtigte« Verbindung fuhren würde.

Die Stromaggregate brauchten ungefähr fünfzehn Sekunden, um ihre gesamte Energie in diesem Kurzschluß und die Sendeantennen zu pumpen. Es lief sehr friedlich ab — keine Funken, kein Rauch, keine Explosion. Es passierte weiter nichts, als daß mit einem Schlag alle Lampen und sonstigen Stromverbraucher an Bord ausfielen. Natürlich schalteten sich sofort die Notaggregate ein. Aber im düsteren Schein der Notbeleuchtung und im Durcheinander der überraschten, verwirrten und ärgerlichen Männer fiel es Hector nicht sonderlich schwer, über sorgfältig geplante Schleichwege die Hauptschleuse zu erreichen.

Und nun saß er in der Fähre des Captains und wartete auf Strom. Die Hauptbeleuchtung flackerte kurz auf und strahlte dann in altgewohnter Helle. Die Pumpen liefen summend an, die Außenluke glitt auf. Hector gab seinem Triebwerk vorsichtig Power, die Fähre schwebte aus der Schleuse und entfernte sich dann rasch vom Mutterschiff.

Der kerakische Captain brauchte ungefähr zehn Minuten, um aus den einzelnen Katastrophenmeldungen ein Gesamtbild zu gewinnen: der absichtliche Kurzschluß in der Schaltzentrale; Hectors spurloses Verschwinden; der nicht autorisierte Abflug seiner persönlichen Shuttle.

»Er ist geflohen«, knurrte der Captain. »Geflohen! Und das, als wir ihn gerade austauschen wollten.«

»Was sollen wir tun, Sir? Wenn die Planetarische Patrouille das Beiboot ortet, kann er sich nicht ausreichend identifizieren. Die schießen ihn ab!«

Bei dieser Vorstellung leuchteten die Augen des Captains auf. Aber dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Wenn er umkommt, haben wir die gesamte Star Watch auf dem Hals.« Er überlegte einen Moment und sagte dann zu seinem Adjutanten: »Veranlassen Sie, daß unsere Kommunikationszentrale der Planetarischen Patrouille einen Flugplan schickt. Sagen Sie, meine Fähre und ein zweites Boot würden Soldaten und Offiziere ins Informationsministerium bringen. Und lassen Sie eines der Beiboote startklar machen. Nehmen Sie Ihre besten Männer. Wir stecken so tief in der Scheiße, daß es auf ein paar weitere Spritzer auch nicht mehr ankommt.«

Unermüdlich wanderte Odal durch seine Suite: vom Tri-Di-Schirm quer durch das Wohnzimmer, an der bewachten Tür vorbei zum Korridor, zur Schlafzimmertür. Hin und zurück, unaufhörlich, mit lautlosen Schritten auf dem dicken Teppich.

Er versuchte seinen Verstand wie einen leidenschaftslosen Computer zu benutzen, versuchte hundert verschiedene Faktoren abzuwägen, zu integrieren, zu kalkulieren. Aber jeder Faktor war anders, war nicht mathematisch erfaßbar, nicht numerisch. Und jeder einzelne konnte Odals Lebenserwartung entscheidend beeinflussen.

Kanus, Kor, Romis, Hector. Und Geri.

Wenn ich nach Kerak zurückkehre, würde mich dann Kanus voll rehabilitieren? Ich halte den Schlüssel zur Teleportation in der Hand, zu einer neuen, verheerenden Waffe, mit der man eine fremde Nation mühelos angreifen und unterwerfen kann. Oder hat Kanus inzwischen weitere paranormale Talente gefunden? Würde er mich als Verräter oder als Spion ansehen? Oder, noch schlimmer, als Versager?

Kor. Odal konnte ihm alles erzählen, was er über Romis’ Verschwörung und die Attentatspläne auf den Führer wußte. Was nicht viel war. Kor hatte vermutlich alle diese Informationen schon.

Und Romis? Ist er nach wie vor entschlossen, den Führer zu stürzen? Braucht er nach wie vor einen Killer?

Und der Watchman, dieser Tölpel. Aber ein Teleporter, und wahrscheinlich ebenso fähig wie Odal selbst. Ich hätte einen dicken Stein im Brett bei Leoh und Spencer, wenn ich Hector heraushaue. Es wäre natürlich riskant… aber bei dem Mädchen hätte ich dann auch einen Stein im Brett.

Das Mädchen. Geri Dulaq. Ja, Geri. Sie hat allen Grund, mich zu hassen, und doch liegt etwas anderes in ihren Augen, nicht Haß. Angst? Hilfloser Zorn? Man sagt, daß Haß und Liebe dicht nebeneinander liegen.

Das Tri-Di summte und riß Odal aus seinen Gedanken. Er klatschte in die Hände, worauf Leohs massige Gestalt auf dem Bildschirm erschien. Er saß an seinem Schreibtisch in der Universität. Durch die offenstehende Tür hinter ihm konnte man ein Stück von der Duellmaschine sehen.

»Ich wollte Sie nur informieren«, sagte Leoh ohne jede Einleitung, »daß Hector anscheinend aus Romis’ Gewahrsam entkommen ist. Ein Vertrauter von Romis in der Kerakischen Botschaft hat uns die Nachricht zugespielt, daß Hector verschwunden ist.«

Odal stand wie angewurzelt, mitten im Zimmer. »Verschwunden? Wie meinen Sie das?«

Leoh hob die Schultern. »Soweit wir wissen, wurde Hector an Bord eines Raumkreuzers gefangengehalten. Irgendwie hat er eine Shuttle gekapert und dürfte jetzt damit zu der kerakischen Duellmaschine unterwegs sein. Die gleiche, mit der Sie entkommen sind. Mehr wissen wir nicht.«

»Diese Maschine steht in Kors Informationsministerium«, hörte Odal sich sagen. Aber seine Gedanken überschlugen sich: Kor, Hector, Romis, Geri. »Schafft er nie. Das ist glatter Selbstmord.«

»Sie sind der einzige, der ihm jetzt noch helfen kann«, betonte Leoh.

Geri. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht Ihre verächtliche Stimme: »Sie wissen ja nicht, was Anstand ist.«

»Na gut«, sagte Odal. »Ich werde es versuchen.«

Er hatte erwartet, Erregung zu verspüren bei dem Gedanken, Geri einen Gefallen zu tun, oder aber eine neue Welle von Angst zu empfinden bei der Aussicht, sich wieder in Kors Hände zu begeben. Statt dessen fühlte er nichts. Absolut nichts. Seine Gefühle schienen gelähmt zu sein — vielleicht warteten sie auch nur gespannt, daß sich etwas ereignete.