Er stand auf, zog sich rasch an und bestellte ein Aero-Car. Dann zog er die Nachttischschublade auf und nahm eine kleine flache Pistole heraus.
Sein Butler erschien an der Tür. »Sir, Ihr Aero-Car ist startbereit. Benötigen Sie einen Piloten?«
»Nein«, beschied ihn Romis und schob die Waffe in den Gürtel. »Ich fahre allein. Wenn ich dich bis Mittag nicht anrufe, dann öffnest du den Tresor hinter meinem Bett, liest die Instruktionen, die du darin finden wirst, und siehst zu, daß du dich und das Personal in Sicherheit bringst. Adieu.«
Bevor der verdutzte Butler etwas erwidern konnte, war Romis schon auf dem Weg zu seinem Aero-Car.
Kanus wurde von einem verstörten Diener aus dem Schlaf gerissen.
»Was ist los?« knurrte der Führer und setzte sich in seinem immensen, kreisrunden Bett auf. Die ersten Sonnenstrahlen berührten gerade die fernen, schneebedeckten Gipfel, die man durch das Panoramafenster des riesigen Zimmers sehen konnte.
»Ein… ein Anruf vom Informationsministerium, Sir.«
»Steh nicht rum, stell das Gespräch durch!«
Der Diener drückte auf einen verschnörkelten Schalter neben der Tür. Ein Teil der Wand verwandelte sich in ein sehr grob gerastertes, flaches Bild von Kor. Er schien auf einer harten Bank in einer düsteren Zelle mit steinernen Wänden zu sitzen.
»Was ist los?« schnauzte ihn der Führer an. »Warum haben Sie mich geweckt?«
»Es ist passiert, mein Führer«, sagte Kor mit unbewegter Stimme. »Die Verräter haben losgeschlagen. Ich bin in einer meiner eigenen Zellen eingesperrt…«
» Was?« Kanus erstarrte in seinem Bett.
Kor lächelte. »Die Narren glauben den Sieg schon in der Tasche zu haben, nachdem sie mich gefangennahmen und das Informationsministerium besetzten. Sie haben jedoch ein paar Details übersehen. Zum einen trage ich meinen Taschen-Kommunikator bei mir. Ich habe alle ihre Gespräche mitgehört. Romis ist zu Ihrem Landsitz unterwegs und will Sie töten.«
»Romis! Und Sie sind eingelocht!«
Kor machte eine beruhigende Handbewegung. »Kein Grund zur Panik, mein Führer. Die Burschen exponieren sich jetzt lediglich. Wir können sie leicht zertreten.«
»Ich alarmiere die Armee!« rief Kanus.
»Es kann sein, daß Teile der Streitkräfte Ihnen den Dienst verweigern«, warnte Kor. »Aber Ihre Leibgarde müßte allein mit diesen Verrätern fertig werden. Wenn Sie eine Division abstellen könnten, um das Informationsministerium zurückzuerobern, und Ihre eigene Duellmaschine entsprechend bewachen lassen, dürfte das Schlimmste abgewendet sein. Romis begibt sich freiwillig in Ihre Hände, Sie können ihn leicht überwältigen, wenn er ankommt.«
»Meine Duellmaschine? Sie kommen durch meine Duellmaschine?«
»Nur zwei; dieser Verräter Odal und der Watchman.«
»Ich lasse sie in Stücke hacken!« tobte der Führer. »Und Romis auch!«
»Ja, natürlich. Aber es ist wichtig, das Informationsministerium zurückzuerobern und mich zu befreien. Und Sie sollten rasch gegen alle Elemente in der Armee und in der Raumflotte vorgehen, die Ihnen den Gehorsam verweigern.«
»Verräter! Überall Verräter! Ich lasse sie alle liquidieren!«
Kanus schlug auf die Kontrolltaste über seinem Bett, und der Schirm wurde dunkel. Er überschüttete den verängstigten Diener, der noch immer an der Tür stand, mit einer Flut von Befehlen. In Minutenschnelle war er angezogen und hastete den Korridor entlang, der zu seiner privaten Duellmaschine führte.
Ein Trupp Wachsoldaten erwartete ihn an der Tür zu dem großen Saal.
»Die Maschine bleibt ausgeschaltet!« befahl Kanus. »Wenn jemand in der Maschine auftaucht, nehmt ihr ihn fest und bringt ihn sofort zu mir.«
Der Truppführer salutierte.
Ein Bediensteter kam auf Kanus zu. »Außenminister Romis ist eingetroffen, Sir. Er…«
»Bring ihn in mein Büro. Auf der Stelle!«
Wutentbrannt machte er kehrt und marschierte zu seinem Arbeitszimmer. Zwei bewaffnete und helmbewehrte Posten standen an der Tür. Er stürmte an ihnen vorbei in das Zimmer. Romis war bereits dort und stand neben dem erhöhten Schreibtisch am Fenster.
»Verräter!« schrie Kanus, als er des Diplomaten ansichtig wurde. »Abtrünniger! Wache, schießt ihn nieder!«
Erschreckt griff Romis nach der Waffe in seinem Gürtel. Aber die Wachen standen bereits mit gezogenen Pistolen im Zimmer.
Romis zauderte. Dann nahmen die beiden Uniformierten die Helme ab. Zwei Blondschöpfe, zwei schmale, grinsende Gesichter kamen zum Vorschein.
»Wir sind früher als erwartet in Ihrer Duellmaschine angekommen«, sagte Odal zu Kanus. »Die Wachen an der Tür zu überwältigen und ihnen die Uniformen abzunehmen, war ein Kinderspiel.«
»Wir gingen gerade, als Ihr Trupp Wachsoldaten eintraf«, ergänzte Hector, »und kamen direkt hierher, ein paar Sekunden vor Ihnen.«
Kanus’ Knie gaben nach.
Romis atmete auf. Er ließ die Arme sinken. »Es ist aus, Kanzler. Sie sind gestürzt. Meine Leute halten das Informationsministerium besetzt; der größte Teil der Armee hat sich gegen Sie gestellt. Sie können eine Menge Blutvergießen verhindern, wenn Sie sich mir ergeben und Ihrer Leibgarde befehlen, nicht gegen die eigenen Landsleute zu kämpfen.«
Kanus versuchte zu schreien, aber kein Laut drang über seine Lippen. Wild entschlossen stürzte er an Odal und Hector vorbei zur Tür.
»Nicht schießen!« schrie Romis. »Wir brauchen ihn lebend, wenn wir einen Bürgerkrieg verhindern wollen!«
Blindlings rannte Kanus die Korridore entlang zur Duellmaschine. Ohne ein Wort zu den verdutzten Wachen, die die Maschine umringten, drückte er ein halbes Dutzend Tasten an der Kontrollkonsole und stürzte in eine Kabine. Mit fliegenden Fingern brachte er die Neurokontakte an Kopf und Schultern an. Dann holte er tief und seufzend Atem. Sein jagendes Herz schlug langsamer, regelmäßiger. Seine Lider sanken herab. Sein Körper entspannte sich.
Er saß auf einem goldenen Thron am Ende eines unglaublich langen Saals. Dicht an dicht standen Untertanen entlang den mit kostbaren Teppichen behängten Wänden, und die schönsten Frauen der Galaxie lagen ihm zu Füßen. Vor den Stufen seines Throns kniete Sir Harold Spencer, gefesselt, geblendet, seine einstmals stolze Uniform verdreckt und blutbesudelt. Nein, nicht blind. Kanus wollte ihm in die Augen sehen, wollte sich an der Angst und dem Entsetzen weiden, während er dem Star-Watch-Commander genüßlich und in allen Einzelheiten beschrieb, wie er langsam, ganz langsam sterben würde.
Und jetzt schwebte er durch den Weltraum, allein ungeschützt vor Vakuum und kosmischer Strahlung, trotzdem unantastbar und göttergleich. Sonnen zogen an ihm vorbei, während er majestätisch durch die Galaxie flog, seine Galaxie, sein persönlicher Besitz. Er sah einen Planeten unter sich. Er mißfiel ihm. Er streckte eine Hand aus. Die Städte gingen in Flammen auf. Er hörte die Schreie der Bewohner, ihre flehenden Bitten um Gnade. Lächelnd ließ er sie verbrennen.
Berge wurden bearbeitet, behauen, gemeißelt, und wurden zu Statuen von Kanus dem Sieger, Kanus dem Allmächtigen. Überall in der Galaxie knieten Menschen nieder und verehrten ihn.
Sie fürchteten ihn. Was noch mehr war, sie liebten ihn. Er war ihr Führer, und sie liebten ihn, weil er allmächtig war. Sein Wort war Gesetz, Naturgesetz. Er konnte die Schwerkraft aufheben, Sterne verfinstern, Leben spenden oder Leben nehmen.
Er stand vor den knienden Massen, lächelte einigen zu, bedachte andere, die sein Mißfallen erregten, mit einem finsteren Blick. Sie krümmten sich zusammen und welkten wie Blätter in glühender Hitze. Aber da war einer, der nicht kniete. Ein großer Mann mit silberweißer Mähne, schlank und kerzen-grade, der zielbewußt auf ihn zukam.
»Geben Sie auf«, sagte Romis ernst.