Leoh grinste breit, und das Mädchen lächelte zurück. »Keine schlechte Idee«, meinte sie.
»Fragen Sie nach mir, wenn Sie zur Universität kommen. Ich bin Dr. Leoh. Ich sorge dafür, daß Sie mit ein paar Studenten bekannt gemacht werden.«
»Aber… ja, vielen Dank, Dr. Leoh. Ich nehme mir das kommende Wochenende dafür frei.«
»Fein. Jetzt — haben Sie irgendwelche Nachrichten für mich? Sucht jemand auf der Station nach mir?«
Das Mädchen wandte sich um und drückte ein paar Tasten am Computerterminal. Eine Reihe roter Lämpchen blinkte kurz auf. Sie drehte sich wieder zu Leoh um.
»Nein, Sir. Tut mir leid, nichts.«
»Hm. Sehr merkwürdig. Trotzdem, vielen Dank… Und ich erwarte Sie an diesem Wochenende.«
Das Mädchen lächelte zum Abschied. Leoh machte sich auf den Weg, zurück zum Gleitband. Der junge Mann trat einen Schritt auf ihn zu, stolperte über seine Reisetasche und taumelte ein paar Meter, bevor er sein Gleichgewicht wiederfand. Leoh wandte den Kopf und sah, daß der junge Mann ein merkwürdiges Gesicht machte, eine Mischung aus Unentschlossenheit und Neugier.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?« fragte er und blieb am Rande des Gleitbands stehen.
»Wie… wie haben Sie das gemacht, Sir?«
»Was gemacht?«
»Das Mädchen dazu gebracht, die Universität zu besuchen.
Ich habe, äh, eine halbe Stunde auf sie eingeredet, und sie… äh…wollte mich nicht mal ansehen.«
Leoh lachte verhalten. »Nun ja, junger Mann, zuerst einmal waren Sie viel zu nervös. Das hat Sie zu begierig erscheinen lassen. Andererseits bin ich in einem Alter, in dem ich das Väterliche herauskehren kann. Sie war ihnen gegenüber auf der Hut, mir gegenüber jedoch nicht.«
»Ich verstehe… glaube ich jedenfalls.«
»Ja.« Leoh deutete auf das Gleitband. »Hier trennen sich unsere Wege wohl.«
»O nein, Sir. Ich komme mit Ihnen. Das heißt, ich meine… Sie sind doch Dr. Leoh, oder?«
»Ja, der bin ich. Und Sie müssen… « Leoh zögerte. Kann das ein Star-Watch-Offizier sein? fragte er sich.
Der junge Mann nahm Haltung an, und einen absurden Moment lang dachte Leoh, er würde salutieren. »Junior Lieutenant Hector, Sir, zum Sondereinsatz abkommandiert vom Kreuzer SW4-J188, Heimatbasis Perseus Alpha VI.«
»Aha«, brummte Leoh. »Hmm… Ist Hector Ihr Vorname oder Ihr Familienname?«
»Beides, Sir.«
Hätte ich mir denken können, stöhnte Leoh innerlich. Laut sagte er: »Na schön, Lieutenant, begeben wir uns lieber zur Fähre, bevor sie ohne uns abfliegt.«
Sie betraten das Gleitband. Eine halbe Sekunde darauf sprang Hector wieder ab und raste zum Infoschalter, um seine Reisetasche zu holen. Dann eilte er zu Leoh zurück, stieß mit sieben verdutzten Reisenden zusammen und brach sich fast die Beine, als er auf das rollende Gleitband aufsprang und dabei stürzte. Er fiel aufs Gesicht, je eine Körperhälfte auf zwei verschieden schnell laufenden Bändern, und benötigte die Hilfe einer älteren Dame, bevor er wieder auf den Füßen war und neben Leoh stand.
»Ich… entschuldigen Sie den, äh, Trubel, Sir.«
»Nicht schlimm. Sie haben sich doch nicht verletzt, oder?«
»Äh, nein… anscheinend nicht. Ist mir nur schrecklich peinlich.«
Leoh sagte nichts. Schweigend fuhren sie mit dem Gleitband durch die belebte Station und hinaus zu den Bays, wo die planetarischen Shuttles angedockt hatten. Sie betraten eines der Schiffe und suchten sich zwei Sitzplätze.
»Wie lange sind Sie eigentlich schon bei der Star Watch, Lieutenant?«
»Sechs Wochen, Sir. Drei Wochen an Bord eines Schiffes, das mich nach Perseus Alpha brachte, eine Woche auf der Planetenbasis dort und zwei Wochen an Bord des Kreuzers… äh, SW4-J188. Die Besatzung nannte ihn den Alten Fetteimer… nach dem Captain, glaube ich. Ich meine natürlich sechs Wochen nachdem ich mein Patent bekam… ich war vier Jahre auf der, äh, Akademie.«
»Sie haben die Akademie in vier Jahren geschafft?«
»Das ist die Regelstudienzeit.«
»Ja, ich weiß.«
Das Schiff erhob sich langsam aus seiner Bay. Einen Moment lang befanden sie sich im freien Fall, dann zündeten die Haupttriebwerke, und die Schwerkraft kehrte zurück.
»Sagen Sie, Lieutenant, wie sind Sie für diesen Einsatz ausgewählt worden?«
»Wenn ich das nur wüßte«, erwiderte Hector, das Gesicht in verwirrte Falten gelegt. »Ich habe an einem Programm für den Navigationsoffizier gearbeitet… auf dem Kreuzer. Ich bin sehr geschickt in solchen Dingen… Computerprogramme kann ich so ziemlich im Kopf ausarbeiten. Mathematik war mein bestes Fach auf der Akademie.«
»Interessant.«
»Ja, also, ich arbeitete an diesem Programm, und da kam der Captain persönlich auf das Deck, schüttelte mir die Hand und eröffnete mir, daß ich aufgrund eines direkten Befehls des Commanders-in-Chief für einen Sondereinsatz nach Acquatainia abgestellt sei. Er sah sehr glücklich aus… der Captain, meine ich.«
»Wahrscheinlich hat er sich darüber gefreut, daß Sie mit solch einem ungewöhnlichen Auftrag betraut wurden«, sagte Leoh taktvoll.
»Da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte Hector treuherzig. »Ich glaube, er hat mich als… na ja, so eine Art Problemfall betrachtet. An Bord des Kreuzers teilte er mich praktisch jeden Tag für einen anderen Dienst ein.«
»Jetzt sagen Sie«, wechselte Leoh das Thema, »was wissen Sie über Psychonik?«
»Über was, Sir?«
»Äh… Elektroenzephalographie?«
Hector machte ein verständnisloses Gesicht.
»Psychologie vielleicht?« fragte Leoh hoffnungsvoll. »Physiologie? Computer Moletronics, also elektronischer Computermißbrauch?«
»Von Mathematik verstehe ich ziemlich viel!«
»Ja, ich weiß. Haben Sie, rein zufällig, einen Lehrgang in Diplomatie mitgemacht?«
»Auf der Star-Watch-Akademie? Nein, Sir.«
Leoh fuhr sich durch das schüttere Haar. »Warum hat dann die Star Watch ausgerechnet Sie für diesen Job ausgesucht. Ich muß gestehen, daß ich die Arbeitsweise einer militärischen Organisation nicht ganz begreife.«
Geknickt schüttelte Hector den Kopf. »Ich auch nicht, Sir, ich auch nicht.«
Die folgende Woche zog sich qualvoll in die Länge für Dr. Leoh, der seine Zeit zu gleichen Teilen darauf verwendete, die einzelnen Komponenten der Duellmaschine auf Herz und Nieren zu überprüfen und schändliche Tricks zu erfinden, um Hector so oft und so weit wie möglich von der Maschine fernzuhalten.
Der Star Watchman war begierig darauf zu helfen, und seine Fähigkeit, komplexe mathematische Aufgaben im Kopf zu lösen, grenzte schon an Genialität. Aber er war auch, wie Leoh fand, ein tolpatschiges, plapperndes, pfeifendes, flatterhaftes Nerven- und Geräuschbündel. Konzentriertes Arbeiten war in seiner Gegenwart unmöglich.
Vielleicht beurteilst du ihn zu streng, ermahnte sich Leoh. Möglicherweise hat dich der Ärger über die Maschine aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht.
Der Professor saß in dem Arbeitszimmer, das die Acquatainier ihm zur Verfügung gestellt hatten, in der einen Ecke des ehemaligen Hörsaals, in dem jetzt die Duellmaschine stand. Leoh konnte die reglose Metallmasse durch die offene Tür sehen. Der Raum, in dem er saß, gehörte zu einer ganzen Büroflucht, die normalerweise das Bedienungspersonal der Duellmaschine beherbergte. Es war jedoch bis auf den letzten Mann ausgezogen, aus Rücksicht auf Leoh (vielleicht auch aus gekränkter Eitelkeit), und die acquatainische Regierung hatte die kleinen Büros in Aufenthaltsräume für Leoh und den Star Watchman umbauen lassen.
Leoh lehnte sich zurück und betrachtete müde den dicken Papierstapel, auf dem die letzten Probeläufe der Maschine aufgezeichnet waren. Heute morgen hatte er die EEG-Aufzeichnungen klinischer Fälle von Katatonie in die Maschine eingespeist. Die Duellmaschine hatte sie sofort zurückgewiesen und sich geweigert, sie in den Verstärker-Units und den Assoziationsfeldern zu verarbeiten. Mit anderen Worten, die Maschine hatte diese EEG-Hirnstromkurven als eine für Menschen schädliche Anomalie erkannt.