Das Tor hatte sich inzwischen auf einer Breite von über dreißig Metern geöffnet.
»Wir treffen uns an der Oberfläche«, sagte Hartmann. »Hast du verstanden?« Ihre Bestätigung klang nicht gerade freundlich. »Net, bitte, mach, daß du hier wegkommst.« Der Motor schaltete sich ab, und das Schiebetor kam zum Stillstand. »Wir schalten jetzt ab«, sagte Hartmann und setzte das Funkgerät zu Boden. Nets unhöfliche Antwort wurde mitten im Satz abgeschnitten.
»Was geht da vor?« fragte er und zog das Zielgerät wieder hervor. Die Luft knisterte plötzlich vor statischer Entladung, und ein hoher, sirrender Ton bohrte sich in sein Trommelfell. Maschinen wurden aus dem Leerlaufbetrieb hochgefahren und setzten gewaltige Energien frei.
»Sie aktivieren den Transmitter«, sagte Kyle.
»Mein Gott.« Hartmann suchte die Halle ab. »Wo ist der verdammte Shait?«
»Er ist nicht hier«, sagte Kyle nach einer Pause. »Ich würde es spüren, so wie er mich spüren kann.«
»Ihr beide solltet es mal mit einem Bad versuchen«, meinte Hartmann und überdeckte seine sichtliche Erleichterung mit mißglücktem Humor.
Kyle richtete sich auf. »Sehen Sie«, sagte er. Die Luft im dreißig Meter messenden Ring des Transmitters waberte plötzlich, dann schien sie aufzureißen und öffnete sich zu einem Tor.
»Was ist, wenn er doch zu entkommen versucht?« fragte Hartmann.
»Wir könnten ihn kaum daran hindern«, antwortete Kyle.
»Aber wir haben nichts zu befürchten. Sie müssen eine irrsinnige Energiemenge aufwenden, nur um dieses Tor zu öffnen, und ich vermute, daß es nicht einmal besondere Reichweite haben wird. Sie sind noch immer vom Netz abgeschnitten, darauf wette ich.«
»Wozu dann das ganze Schauspiel.«
»Ein Test vielleicht«, sagte Kyle. »Es könnte eine Verbindung zur Oberfläche sein, und sie wollen etwas hinaufschaffen oder von dort holen.«
Hartmann nahm das Funkgerät und klappte die Abdeckung des Notsenders nach oben. »Ich habe eine Idee«, sagte er. »Helfen Sie mir mit diesem Regler, Kyle.«
»Was haben Sie vor?«
»Der Transmitter überträgt alles nach oben, richtig?« Hartmann versuchte, sich an einen der Funkzeichen-Codes zu erinnern, den er vor Jahren gelernt hatte. »Dann kann er auch Funksignale übertragen.«
»Das ist verrückt«, sagte Kyle ruhig.
Hartmann schüttelte den Kopf. »Wir haben keine andere Chance«, sagte er. »Falls wir es nicht schaffen, wissen Ihre Leute wenigstens, wo sie dieses Scheusal suchen müssen.«
»Der Sprechfunk reicht keine zweihundert Kilometer weit, mit oder ohne Transmitter. Sie brauchen einen richtigen Sender, Hartmann, nicht so ein Spielzeug.«
»Aus diesem Loch hier können wir niemanden erreichen, egal, mit welchem Sender, solange wir keinen Transmitter benutzen«, entgegnete Hartmann und deutete auf den großen Ring. Gewaltige Kräfte tobten innerhalb des Bogens aus silberfarbenem Metall und verformten die Leere zu immer seltsameren Farben und Formen. »Da unten ist einer, nicht wahr?«
Kyle hockte sich neben Hartmann, der gespannt auf die Kontrollen blickte.
»Wie schaltet man den Notsender ein?« fragte er. »Den Sender für die Peilung, meine ich.«
»Die Moroni werden uns sofort entdecken«, warnte Kyle. »Die Notfrequenzen werden sie überwachen, gleichgültig, wie knapp sie an Energie sein mögen.«
»Dafür haben sie eine viel größere Reichweite als der Sprechfunk«, sagte Hartmann. »Wir müssen es riskieren.« Er sah aufmerksam zu, wie Kyle zwei Kippschalter umlegte, die eher für Zangen als für Finger ausgelegt waren, und dann auf einen dritten Schalter deutete.
»Ich kann ihn schnell einschalten und wieder ausschalten, richtig?« Hartmann legte den Finger auf die Taste.
»Und weiter?« fragte Kyle neugierig.
»Ich werde das Notsignal regelmäßig unterbrechen, um auf diese Weise Funkzeichen zu setzen. Es gibt da verschiedene Code-Systeme. Ich denke, ich werde ein Space-Force-System verwenden. Vielleicht fängt irgendein Relais oder ein Schiff das Signal auf.«
Kyle bemühte sich nicht sonderlich, seine Zweifel zu verbergen. »An wen wollen Sie die Botschaft schicken?«
»Captain Laird«, meinte Hartmann nach kurzem Überlegen. »Wenn ihr Name nicht ausreicht, um jemanden mißtrauisch zu machen, dann weiß ich auch nicht weiter.« Er sah zum Ring hinüber. Das Tor hatte sich stabilisiert.
»Der Weg ist offen«, sagte Kyle. Triebwerksgeräusche drangen zu ihnen herüber. »Hinter dem Schiebetor liegt der Hangar, in dem wir vorhin gewesen sind«, fügte er hinzu. »Ich glaube, sie wollen diese vier Flugmaschinen an die Oberfläche schaffen. Beeilen Sie sich, Hartmann.«
Er schaltete den Notsender ein und hielt unwillkürlich den Atem an, als er auf einsetzende Alarmsirenen wartete. Nichts geschah. Hastig begann er, das Trägersignal immer wieder zu unterbrechen.
»Warnung ...« murmelte er halblaut, während er die Worte in Funkzeichen umsetzte. »Befinden uns dunkle Seite ... Blödsinn ... Mondrückseite in unbekannter Tiefe ... Moroni haben Material von der Rückseite ins Innere geschafft ...« Mit dröhnenden Antriebsmaschinen schob sich der erste der Kampfgleiter aus dem Hangar in die Transmitterhalle und näherte sich dem Transmitter. »Shait verfügt über intakten Sternentransmitter ...« Seine Finger waren aus der Übung, nicht mehr so flink wie früher, und der Schalter ließ sich nur mit viel Kraft betätigen. »Warnung an Charity Laird ...« wiederholte er den Beginn seiner Nachricht. Der erste Gleiter wurde vom Transmitter verschluckt. Inzwischen war der zweite Kampfgleiter in die Halle gelangt.
»Sie haben etwas gemerkt«, warnte Kyle von seinem Standort aus. Hartmann verzichtete auf eine Antwort, wiederholte die Botschaft noch einmal, die insgesamt nicht einmal eine Minute dauerte. Der dritte Gleiter näherte sich dem Transmitter, und die Moroni fingen an, in der Halle auszuschwärmen.
»Sie können nicht abschalten«, stieß er hervor, während er die dritte Wiederholung begann. »Der vierte Gleiter ist noch nicht ...«
Ein Laserschuß tastete in der Dunkelheit nach ihnen und ließ eine Reihe abgeschalteter Scheinwerfer an der Decke zerplatzen. Hartmann warf sich mit einem Fluch nach hinten zwischen die Trümmer und schaltete den Sender ab. Weitere Schüsse trafen die rauchenden Überreste der Raffinerie.
»Verschwinden wir«, rief er Kyle zu und deutete nach hinten, wo die von der Hitze verzogenen Überreste eines Laufstegs zu einem Loch in der Wand führten. Unter ihnen begannen die Moroni damit, die Gerüstteile zu erklimmen. Der vierte Kampfgleiter verharrte vor dem Tor und drehte sich zu ihnen herum.
»Um Himmels willen«, rief Hartmann und rannte los. Kyle sprang einfach in die leere Luft; in der schwachen Schwerkraft konnte man ebensowenig schnell fallen, wie man schnell laufen konnte. Hartmann zog sich von Strebe zu Strebe und beschleunigte so seine Bewegung.
Dann schlug die Lasersalve aus den Kanonen des Gleiters in das Wrack der Raffinerieanlage ein, und die Welt ging in einem brüllenden Orkan aus Flammen und flüssigem Stahl unter. Die Druckwelle fegte Hartmann einfach zwischen den Doppelträgern und Bodengittern hindurch, bis die rußbedeckte Felswand ihn stoppte.
Das Transmittertor veränderte seine Form. Maschinenteile waren plötzlich verschwunden, ohne eine Lücke zu hinterlassen, und die Überreste hafteten an Schnittflächen aneinander, die wie mit dem Lineal gezogen wirkten, so, als habe ein kindischer Gott einen Teil der Welt weggeklappt wie die Falte einer riesigen Tischdecke. Gleich darauf zerplatzte die verstümmelte Maschine in einer dumpfen Explosion, die keine Flammen, sondern nur Rauch erzeugte. Das Transmitterfeld streckte sich und erfaßte den Gleiter, der, um zwei Meter verkürzt, aus seiner Fluglage kippte. Dann schien er in sich zusammenzufallen wie eine implodierende Konservendose und wurde durchsichtig wie Glas. Im nächsten Moment war er verschwunden, und das Transmitterfeld brach mit einem ohrenbetäubenden Knall in sich zusammen.