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Nichts geschah. Der Moroni blieb reglos wie ein Standbild. Ein schwacher Hauch traf Hartmanns Gesicht, und er erkannte, daß der Krieger noch lebte. Hartmann holte tief Luft, erkannte, daß er unwillkürlich den Atem angehalten hatte, und als er seine Lungen mit Luft füllte, durchzuckte ein heftiger Schmerz seinen Brustkorb. Er fühlte sich so steif wie ein toter Papagei, jeder seiner Muskeln war in Erschöpfung gelähmt. Obwohl seine Beine wegen der niedrigen Schwerkraft keine Last zu tragen hatten, zitterten seine Oberschenkel, und er hatte das vage Gefühl, daß jede noch so geringe Anspannung seiner Waden einen heftigen Krampf zur Folge haben würde. Er nahm die Schulter zurück und streckte den Rücken. Der Schmerz tanzte seinen Rücken entlang wie ein Buschfeuer. Hartmann fühlte sich, als würde sein Körper auseinanderfallen.

Kyles hilfreiche Gabe, dachte er mißmutig. Der Jared hatte ihm gesagt, daß er sich nicht besonders gut fühlen würde, sobald der Kraftschub vorüber war, den er ihm verpaßt hatte. Jetzt glaubte er, er habe in seiner Berserkerwut nicht die Moroni, sondern sich selbst verprügelt, so, als habe jeder Schlag, den er austeilte, ihn selbst ebenso heftig getroffen.

Ausgleichende Gerechtigkeit. Er schüttelte den Kopf, bemühte sich, die Schmerzen zu ignorieren, die durch seinen Nacken zuckten, und fixierte den Moroni. Der Krieger hatte sich nicht bewegt, seit Hartmann erwacht war. Langsam sah Hartmann sich um. Um seine Oberarme, Handgelenke, Fußknöchel und Oberschenkel lagen schwarze dicke Ringe, soweit er das in der unsicheren Beleuchtung erkennen konnte. Er spannte versuchsweise den rechten Arm an. Ebensogut hätte er versuchen können, einen Panzer anzuheben. In seiner augenblicklichen Verfassung hätte er wohl nicht einmal auf eigenen Beinen stehen können.

Man hatte ihn anscheinend in eine kleine Lagerhalle geschafft. Er konnte Schriftzeichen an der Tür hinter dem Krieger erkennen, die eindeutig menschlichen Ursprungs waren, eine Code-Bezeichnung, die auf eine militärische Anlage hindeutete. Die Beleuchtung bestand aus den kümmerlichen Resten von drei Reihen Leuchtröhren, um die sich seit sechzig Jahren vermutlich niemand mehr gekümmert hatte. Hartmann fragte sich, wie viele solcher Orte es geben mochte, in denen seit der Invasion das Licht nicht abgeschaltet worden war.

»Bin ich froh, daß ich die Stromrechnung nicht zahlen muß«, sagte er in die Stille hinein. Obwohl es kein Echo gab, schienen seine Worte lange nachzuhallen. Psychologie, dachte er mißmutig und behielt wachsam den Krieger im Auge. Es gab keine Reaktion. Nach einiger Zeit setzte er seine Bestandsaufnahme fort. Links und rechts von ihm sah er Regale, die sich drei Meter hoch bis zur Decke zogen. Zu Hunderten stapelten sich Behälter, Dosen und Pakete in den Regalen, geordnet und ausgerichtet. Vermutlich hatten Dutzende von Soldaten zahllose Stunden Strafdienst damit verbringen dürfen, das Material zu sortieren, von Staub zu befreien und zu inventarisieren. Die Armee hatte eine lange Tradition in der Erfindung solcher nützlichen Tätigkeiten. Er hatte selbst reichlich Zeit mit solchen Disziplinaraufgaben verbringen müssen.

Angestrengt spähte er in die Dunkelheit. Die Etiketten waren nicht zu erkennen, aber die Umrisse im Regal deuteten auf Ausrüstungsgegenstände hin. Er entdeckte die länglichen, kolbenförmigen Verpackungen von Munition und die flachen Kästen, in denen Magazine für automatische Waffen aufgehoben wurden, Batterieblöcke für Lasergewehre, zylinderförmige Behälter für Handgranaten und Gewehrgranaten und kistenweise Sprengstoff.

»Um Himmels willen«, entfuhr es ihm. Zu Tode erschrocken sah er zur anderen Seite. Noch mehr Munition, Rauchgranaten, Tanks für Flammenwerfer, Explosivgeschosse für Maschinenkanonen, Sprengkapseln. Hinter dem Regal war eine ganze Reihe Leuchtkörper intakt geblieben, und er konnte ein weiteres Regal erkennen. Er kam sich vor wie jemand, der mitten in einer riesigen Bombe von den Ausmaßen eines Wohnblocks saß, während der Rest der Welt um dieses Haus herum Krieg führte.

Mühsam wandte er den Kopf und erkannte einen dunklen Umriß, der nur entfernt menschenähnlich wirkte. Noch ein Krieger, dachte er, aber dann erkannte er, daß in der rauchgeschwärzten Haut tatsächlich ein Mensch steckte, gekleidet in die verbrannten Reste menschlicher Kleidung.

Net, durchfuhr ihn ein Gedanke, und die Heftigkeit seiner Gefühle verwirrte ihn. Er überwand die Schmerzen und drehte sich herum, soweit seine Fesseln es zuließen. Hinter der reglosen Gestalt zeichnete sich eine kantige, stelzenbeinige Silhouette ab, ein weiterer Krieger, dessen Arme und Beine sich um Gelenke und Extremitäten des anderen Gefangenen schlangen. Hartmann begriff plötzlich, daß auch hinter ihm noch ein Moroni stand, und daß die schwarzen Zangen um seine Handgelenke und Beine Moroni-Hände waren, die sich unbarmherzig geschlossen hatten. Angestrengt starrte er auf seinen Leidensgenossen.

»Net?« fragte er zaghaft.

Ein einzelnes Auge öffnete sich in dem brandgeschwärzten Gesicht, reflektierte blaßblau das schwache Licht, und Hartmann begriff seinen Irrtum. Der Megamann sah schrecklich aus. Er konnte den Geruch verbrannter Haare wahrnehmen, und die Haut an der Schulter, die im Licht einer der Deckenlampen lag, war mit Brandblasen bedeckt. Die Beine, im Halbdunkel kaum auszumachen, wirkten ... seltsam.

»Kyle«, sagte er, und es gelang ihm nicht ganz, die Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung in seiner Stimme zu unterdrücken. Der Jared verzog sein Gesicht zu einem Lächeln. Er hatte zwei Zähne verloren, und die Hartmann zugewandte Gesichtshälfte war blutverschmiert.

»Dasss meissste davon isst Ruß«, sagte Kyle. Seine Stimme schwankte.

»Und Ihr Auge?«

»Zssugesswollen«, kam die knappe Antwort.

»Was ist passiert?« fragte Hartmann und wappnete sich gegen eine schlechte Nachricht.

»Dass frage ich Ssie«, sagte Kyle.

Hartmann verzog das Gesicht. »Das ist eine lange Geschichte«, sagte er.

»Ich habe gerade nichts anderes vor«, erwiderte Kyle ohne Humor.

Hartmann ignorierte den Tonfall. »Was ist mit Net?«

»Keine Ahnung.« Der Gesichtsausdruck des Megamanns war nicht zu erkennen. »Sie war nicht weit von mir weg, als die Moroni die ganze Anlage in Fetzen geschossen haben. Ich wurde in die Halle hineingeschleudert und habe dabei das Bewußtsein verloren. Ich weiß nicht, ob Net vor der Explosion noch weggekommen ist. Falls nicht ...«

»Ich verstehe«, erwiderte Hartmann tonlos. »Wenn sie noch am Leben wäre, dann wäre sie hier.«

Kyle verzichtete auf einen Kommentar.

»Und wo sind wir?« fragte er.

»Ein Depot. Um uns herum liegt tonnenweise Munition, alles, was das Soldatenherz begehrt. Mit dem Zeug hätten wir in den Zweiten Weltkrieg einsteigen können.« Er deutete mit dem Kopf auf den Krieger, der vor ihnen stand. »Hinter unserem Freund hier liegt eine Durchgangstür. Vielleicht können Sie die Beschriftung auf der Tür besser lesen als ich.«

»Halle 15«, las Kyle. »Mil-Arm römisch drei ... Das ist alles unverständliches Zeug, Hartmann.«

»Was haben Sie erwartet?« Hartmann bewegte sich, soweit der eiserne Zangengriff seines Moroni-Wächters es zuließ. »Mindestens fünfzehn Lagerhallen. Nun, ich denke, daß wir irgendwo auf der Rückseite des Mondes sein müssen. Tranquilitatis war eine wissenschaftliche Basis, und wenn dort militärisches Material eingelagert gewesen war, dann hat es bestimmt nicht ausgereicht, um eine ganze Armee auszurüsten. Die Mondbasen auf der Seite, die der Erde zugewandt war, konnte man leicht beobachten und angreifen. Nein, ich vermute, wir sind in dieser großen Basis auf der erdabgewandten Seite, MacDonalds oder so ähnlich.«

»Sind Sie sicher?«

»Natürlich nicht«, antwortete Hartmann. »Ich bin nie auf dem Mond gewesen. Wir müßten einen freien Ausblick auf den Himmel haben, dann wüßten wir es.«