Выбрать главу

»Und er ist dumm. Ohne Initiative, ohne Verstand; ein abgerichteter Roboter.« Kyle verbarg seine Wut nicht. »Früher oder später werden diese Kreaturen sterben, weil sie nicht einmal mehr wissen, daß sie leben sollen, oder aber sie werden wahnsinnig. Die Shait setzen solche entgeistigten Krieger für Selbstmordangriffe auf Jared-Nester ein.« Kyle atmete heftiger. »Es paßt zu ihnen, sich dazu eines Nestparasiten zu bedienen, der schon in grauer Vorzeit eine Pest für die Jared war.« Er verstummte.

»Und wieso funktioniert es bei Menschen?« fragte Hartmann und meinte die Infektion, die ein Wesen zu einem Jared werden ließ.

»Zufall«, antwortete Kyle nach einiger Zeit. »Ein Teil der Baustoffe, die zum Milieu des Proteins gehören, sind auch im Menschen vorhanden. Es sind ziemlich grundlegende Moleküle, wissen Sie. Jedes höher entwickelte Lebewesen trägt diese Moleküle mit sich herum. Das ist normalerweise nicht ausreichend, aber wir können die entsprechenden Stoffe von außen zuführen. Ein Mensch, der ständig mit Jared zusammen ist, nimmt die fehlenden Substanzen mit der Luft und mit der Nahrung auf.«

»Das dauert zu lange«, sagte Hartmann. »Erzählen Sie mir keinen Blödsinn.«

Kyle lachte kalt. »Das menschliche Nervensystem ist der Schlüssel«, sagte er. »Es gibt ein paar Regionen der Großhirnrinde, die besonders empfindlich auf eine bestimmte Beeinflussung reagieren ... es ist schwer zu beschreiben. Die Umwandlung, die Sie bei Ihren Soldaten gesehen haben, war nur eine Art Trance. Die körperliche Veränderung setzte später ein, und danach erst wird ein Mensch vollständig zum Jared. Es war ein glücklicher Zufall.«

»Kommt darauf an, aus welcher Perspektive man es sieht«, sagte Hartmann eisig und fixierte Kyle.

»Natürlich«, sagte Kyle mit höflicher Distanz.

Hartmann wich seinem Blick nicht aus. »Sie hätten sich dagegen wehren können«, vermutete er. Es war ein Schuß ins Blaue hinein.

Kyle nickte langsam. »Ich bin nicht so leicht zu beeinflussen wie ein normaler Mensch«, sagte er. »Aber es war Teil einer Abmachung.« Er wandte den Blick ab und richtete sein Auge auf den Wächter vor der Tür. »Und ich wollte es«, fügte er nach einer Weile hinzu.

Hartmann verzichtete darauf, nach dem Grund zu fragen. Falls der Megamann darüber reden wollte, würde er es früher oder später von selbst tun. »Das heißt, der Krieger hinter Ihnen ist bereits infiziert«, folgerte er. »Er ist gar kein Moroni mehr, sondern ein verstümmelter Jared.«

»Ja.« Kyle lachte verbittert. »Niemand wird uns holen, Hartmann. Man hat uns hier abgestellt, damit wir aus dem Weg sind, und man wird uns hier verschimmeln lassen, mitsamt unseren armseligen Bewachern.«

»Warum haben sie uns dann nicht getötet?« fragte Hartmann verwundert.

»Vielleicht hat der Shait einen Sinn für Humor«, erwiderte Kyle grimmig. »Vielleicht ist er auch nur ein Dummkopf.«

»Und wie kommen wir hier heraus?«

Kyle richtete sich auf, als bestünde der Krieger hinter ihm aus Luft. Mit einem scheußlichen Geräusch zerrissen Gelenke aus Horn. Der Wächter vor Hartmann erwachte aus seiner Starre und schnellte vor, aber ein gestrecktes Bein erwischte ihn und durchstieß seinen Brustpanzer. Hartmann konnte einen entsetzten Aufschrei nicht unterdrücken. Die Zangen an seinen Armen und Beinen begannen sich zu schließen. Aus den Augenwinkeln heraus sah er einen unförmigen Schatten, der sich mit atemberaubender Geschwindigkeit um sich selbst drehte. Eine geschwärzte Hand zuckte an seiner Wange vorbei, und die Zangen, die sich anschickten, seine Knochen zu brechen, verkrampften sich in der Bewegung. Er hörte splitterndes Chitin, und ein warmer Hauch streifte ihn, als der Moroni-Krieger hinter ihm ein letztes Mal ausatmete.

Kyle zog die Hand zurück. Zwischen Chitinscherben, Sehnen und Knochensplittern konnte Hartmann einen Strang silbriger Fäden erkennen, bevor der Jared seine Hand öffnete.

»Wie haben Sie das gemacht?« brachte Hartmann dann schwerfällig heraus. Sein ganzer Körper schmerzte, und einen Moment lang befürchtete er, die Ameisen hätte ihm doch noch das Rückgrat gebrochen, so taub fühlten sich seine Beine an.

Kyle richtete sich auf. Im Halbdunkel wirkte er plötzlich sehr viel unförmiger als früher. Das zweite Auge öffnete sich plötzlich.

»Eine Frage der Anpassung«, sagte der Jared.

Hartmann wich zurück, bis er gegen die tote Ameise prallte. Anscheinend hatte Kyle die Nervenstränge des Moroni zerrissen. Der Megamann beugte sich über den Wächter vor der Tür. Im Licht der Deckenbeleuchtung konnte Hartmann erkennen, daß unter Kyles verbrannter Haut sich eine glatte, schwarze Masse abzeichnete, schimmernd wie geölter Panzer an den Stellen, wo das abgestorbene menschliche Gewebe sich bereits von ihm gelöst hatte.

»Was geschieht mit Ihnen?« fragte er gegen seinen Willen.

»Ich weiß es nicht«, sagte Kyle. »Es muß beim letzten Transmitter-Durchgang passiert sein. Zu Anfang war es schmerzhaft, und es hat mich alle Kraft gekostet, die ich noch hatte, aber jetzt ... ist es angenehm.«

»Sie verwandeln sich«, sagte Hartmann, auf grauenvolle Weise fasziniert von dem Anblick. Die linke Gesichtshälfte war ein starrer Panzer aus schwarzem Chitin, auf dem noch die Überreste des verbrannten Gesichts hingen, und das nun wieder offene Auge hatte eine gleichmäßig glitzernde, dunkelblaue Färbung angenommen.

»Nur dort, wo ich verletzt worden bin«, antwortete Kyle. »Es sieht so aus, als wenn meine Wundheilung manipuliert worden ist. Mein eigenes Gewebe regeneriert sich nicht mehr, sondern wird durch anderes ersetzt.« Er hob die rechte Hand, deren Finger wie Krallen aussahen, die aus Ebenholz geschnitzt waren.

»Ihre eigenen Leute?« fragte Hartmann, während es ihm gelang, seine Arme von dem leblosen Zangengriff seines toten Bewachers zu lösen.

»Das steht außerhalb unserer Macht«, antwortete Kyle, aber sein Tonfall klang unsicher.

Hartmann verzichtete auf Widerspruch. »Nun«, versetzte er, »dem Shait haben wir das wohl kaum zu verdanken. Schließlich wollte man uns hier festhalten.«

»Sie waren dumm, es überhaupt zu versuchen«, antwortete Kyle. Hartmann riß sich von dem toten Krieger los und sah sich um. Der Moroni, der Kyle festgehalten hatte, lag auf dem Rücken. Die meisten Extremitäten waren zerfetzt worden wie morsches Holz, und der Brustkorb war eingedrückt. Die Ameise wirkte, als sei sie mumifiziert worden. Es war kein Blut zu sehen, der Kadaver wirkte wie eingetrocknet.

»Was haben Sie mit ihm gemacht?« fragte er, während er um die tote Ameise herumging und sich dabei vorsichtig einem der Regale näherte.

»Er war schon tot, bevor ich zu Bewußtsein kam«, antwortete Kyle. »Vielleicht habe ich mich von ihm ... genährt. Ich weiß es nicht.«

Hartmann warf ihm einen Blick zu. Kyle wirkte, von den Stellen abgesehen, an denen fremdes Gewebe sein eigenes ersetzt hatte, unverkennbar menschlich, und seine Haltung zeigte, daß er die unheimliche Schwäche überwunden hatte, die ihn nach der Flucht aus der Schwarzen Festung befallen hatte. Was immer in ihm vorging, es schien ihm noch nicht zu schaden.

»Sie werden das nicht brauchen«, sagte Kyle mit kaltem Spott.

Hartmann folgte dem Blick und betrachtete einen Moment lang seine rechte Hand, die nach einer der verpackten Handgranaten getastet hatte. »Vielleicht nicht«, sagte er und nahm den Behälter an sich.