Aber jetzt trat ihnen Wren gegenüber, die von ihrem eigenen Wahnsinn getrieben wurde und ihnen jetzt kalt und berechnend die Magie der Elfensteine entgegensandte, um sie zu zerschneiden wie mit Rasierklingen. Zu spät erkannten sie die Gefahr. Die Magie fing sie ein, und sie verschwanden im Aufflammen von Feuer und plötzlichen Schreien. In Sekundenschnelle blieb nichts weiter von ihnen übrig als Rauch und Asche.
Die ganze Nacht über folgten ihnen andere nach, kleine Gruppen, die im rasenden Ansturm aus der Dunkelheit hervorschossen und einem schnellen und sicheren Tod entgegengingen. Wren vernichtete sie ohne Gefühle und ohne Bedauern und setzte dann den Wald um sie herum in Brand, bis er genauso entflammte wie die Abhänge unter den Lavaflüssen. Als der Morgen herannahte, war die Erde um ihr Versteck fünfzig Fuß im Umkreis schwarz und verraucht, ein Leichenhaus mit jenseits allen Erkennens geschwärzten Körpern, ein Friedhof, auf dem nur sie überlebt hatten. Es gab keinen Schlaf, keine Ruhepause und nur wenig Aufschub zwischen den Angriffen. Die Morgendämmerung fand sie, wie sie hohläugig vor sich hin starrten, hagere, mitgenommene Gestalten vor dem aufsteigenden Licht. Triss war an einem halben Dutzend Stellen verwundet, seine Kleidung hing in Fetzen an ihm hinunter, und alle seine Waffen außer seinem Kurzschwert waren verloren oder zerbrochen worden. Wrens Gesicht war grau vor Asche, und ihre Hände zitterten nach diesen Anwendungen der Macht der Elfensteine. Stresas Stacheln fächerten sich in alle Richtungen auf, und es schien, als würde er sie niemals wieder anlegen können. Faun kauerte zusammengedrückt neben Wren.
Mit einem silbrigen Sonnenaufgang kroch aus dem Osten Licht durch den Dunst aus Feuer und Rauch. Erst jetzt erzählte Wren ihnen, was geschehen war, denn sie hatte schließlich das Bedürfnis, es zu erzählen, um sich von der einsamen Last, die sie trug, zu befreien, von dem bitteren Wissen, das allein das ihre war. Sie erzählte ruhig und leise, in der Stille, die auf den letzten Angriff gefolgt war. Sie weinte erneut und dachte, sie könnte vielleicht niemals wieder aufhören. Aber dieses Mal bewirkten die Tränen Reinigung, als würden sie schließlich einen Teil des Schmerzes fortspülen. Sie hörten ihr schweigend zu, der Hauptmann der Leibgarde, der Stachelkater und der Baumschreier, dicht um sie versammelt, so daß ihnen nichts entging, nicht einmal Faun, der ihre Worte vielleicht verstanden hatte oder auch nicht und sich an ihre Schulter schmiegte. Die Worte flössen leicht aus ihr heraus, der Damm aus Verzweiflung und Beschämung gab nach, und eine Art Frieden senkte sich über sie.
»Grrrrr, Wren, es war notwendig«, belehrte Stresa sie ernst, als sie geendet hatte.
»Du wußtest es, nicht wahr?« fragte sie als Antwort.
»Hsssttt. Ja. Ich erkannte, was das Gift anrichten würde. Aber ich konnte es dir nicht sagen, Wren von den Elfen, weil du mir nicht geglaubt hättest. Es mußte von ihm kommen.«
Und damit hatte der Stachelkater recht, obwohl es jetzt nicht mehr wirklich wichtig war. Sie sprachen noch ein wenig länger miteinander, während das Licht langsam durch die Dämmerung sickerte und die Welt um sie herum erhellte. Es war eine Welt aus schwarzen Trümmern, aus denen sich der Rauch noch immer in dünnen Spiralen himmelwärts ringelte und in der die Erde noch immer unter dem Zorn von Killeshan erzitterte.
»Er hat sein Leben für Euch gegeben, Hoheit«, begann Triss ernst. »Er stand über Euch, als der Wisteron Euch überwältigen wollte, und kämpfte um Eure Sicherheit. Niemand von uns hätte so gut reagieren können. Wir haben es versucht, aber nur Garth hatte die Kraft. Behaltet das von ihm in Eurer Erinnerung.«
Aber sie konnte noch immer spüren, wie sie auf den Griff des langen Messers gedrückt hatte, als es in sein Herz glitt, konnte noch immer spüren, wie seine Hände sich über ihre legten, fast als habe er ihr alle Verantwortung abnehmen wollen. Sie würde sie immer dort spüren, dachte sie. Sie würde immer sehen, was in seinen Augen gewesen war.
Sie brachen kurz danach wieder auf, überquerten das verkohlte Schlachtfeld der Nacht, das bald von der frischen, grünen Landschaft des Tages vor ihnen abgelöst wurde, zogen auf das letzte Stück Land zu, das sie vom Strand trennte. Die Erschütterungen unter ihren Füßen setzten sich noch immer stetig fort, und die Feuer der Lavaflüsse brannten sich näher heran und strömten von der Bergflanke über ihnen. Verschiedenartige Wesen flohen um sie herum in alle Richtungen, und sogar die Dämonen hielten auf ihrer Flucht nicht mehr inne, um anzugreifen. Alle rannten, um der brennenden Hitze zu entkommen, vom Zorn des Killeshan zu den Ufern der Blauen Spalte getrieben. Morrowindl verwandelte sich langsam in einen Feuerkessel und fraß sich selbst vom Zentrum nach außen hin auf. Risse brachen überall auf, breite Spalten, die sich in die Schwärze öffneten und zischten und Dampf und Hitze ausspien. Die Welt, die einst nach dem Gebrauch der Elfenmagie aufgeblüht war, verging zu Staub, und in wenigen Tagen würden nur noch die Felsen und die Asche der Toten übrig sein. Eine neue Welt entfaltete sich um die Freunde, während sie flohen, und wenn sie erst fertig gestaltet war, würde nichts mehr von der alten darin erkennbar sein.
Sie stiegen hinab zu den Wiesen mit hohen Gräsern, zu den letzten Feldern mit altem Bewuchs, die an die Küste grenzten. Die Gräser hatten bereits begonnen, sich zu kräuseln und im Rauch abzusterben. Sie waren voller Dampf und Gase, die das Leben aus ihnen heraussengten Ausgetrocknetes, lebloses Gestrüpp brach unter ihren Stiefeln. Feuer brannten in heißen Flecken überall um sie herum, und zu ihrer Rechten, jenseits einer tiefen Schlucht, bahnte sich ein dünnes Band rotglühenden Feuers unaufhörlich seinen Weg über einen Teppich von Wildblumen auf einen Hain mit Akazien zu, die in hilfloser, erstarrter Vorahnung warteten. Wolken von schwarzem Ruß wälzten sich von den Höhen des In Ju herab, wo der Dschungel langsam bis zum Wasser zu brennen begann, während der Sumpf darunter beinahe kochte. Fels und Asche regneten in Schauern von irgendwo jenseits ihres Sichtfeldes herab wie Hagel aus den Wolken. Die Ausbrüche des Vulkans schleuderten sie stetig heraus. Der Wind drehte sich, und die Sicht nahm ab. Es war Mittag, und der Himmel war so rauh und grau und dunstig wie im herbstlichen Zwielicht.
Wrens Kopf fühlte sich leicht und leer an, als sei er ein Teil der Luft, die sie atmete. Ihre Knochen hingen lose in ihrem Körper, und das Feuer der Magie der Elfensteine flackerte und funkelte noch immer wie abkühlende Kohlestücke. Sie suchte das Land um sich herum ab und konnte sich offenbar auf nichts konzentrieren. Alles trieb dahin wie Wolken.
»Stresa, wie weit noch?« fragte sie.
»Ein Stück noch«, grollte der Stachelkater, ohne sich umzudrehen. »Phfffft. Lauf weiter, Wren von den Elfen.«
Das tat sie, und sie merkte, daß ihre Kräfte nachließen, und sie fragte sich abwesend, ob dies nach dem häufigen Gebrauch der Magie so war oder nur durch Erschöpfung. Sie spürte, daß Triss sich ihr näherte und einen Arm um ihre Schultern legte.
»Lehnt Euch an mich«, flüsterte er und nahm ihr Gewicht auf sich.
Die Wiesen zogen wie die Sonne auf ihrer Wanderung nach Westen vorbei, und sie erreichten den alten Pflanzengürtel. Er war bereits zum Süden hin entzündet, die oberen Zweige brannten, und Rauch türmte sich auf. Sie eilten schnell hindurch, glitten und rutschten dabei über Moos und Blätter, über totes Holz und loses Gestein. Die Bäume standen still und verlassen da oder ragten in tiefhängende Wolken und Dunst wie Säulen hinein. Knurren und Fauchen stieg aus dem Dunst, entfernt, aber dennoch ringsum spürbar.