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»Vereinbarung mit wem?«

»Mit den Landelfen. Einige Angehörige der Rassen, die zurückgeblieben sind, wußten, daß man das Feuer entfachen muß, wenn man uns zu sprechen wünscht. Auch einige der Elfen kamen über die Jahre zurück. Da wußten dann noch einige mehr von dem Feuer. Aber die meisten sind seitdem gestorben. Diese Addershag – ich weiß nicht, wie sie es herausgefunden hat.«

»Laßt uns das einen Moment zurückstellen, Tiger Ty«, bat Wren mit einer beschwichtigenden Geste. »Beendet zuerst Eure Geschichte über die Landelfen. Was geschah mit ihnen? Ihr sagtet, sie seien vor über hundert Jahren ausgewandert. Was wurde danach aus ihnen?«

Tiger Ty zuckte die Achseln. »Sie siedelten, bauten Häuser, gründeten Familien und waren glücklich. Alles wurde so, wie sie es sich vorgestellt hatten – zunächst. Vor ungefähr zwanzig Jahren allerdings begannen die Probleme. Es war nicht leicht zu sagen, was das eigentliche Problem war. Sie wollten es nicht mit uns besprechen. Wir sahen sie nur ab und zu, wißt Ihr. Wir hatten noch immer nicht viel miteinander zu tun, selbst nachdem wir auch ausgewandert waren. Wie dem auch sei, alles auf Morrowindl begann sich zu ändern. Es begann mit Killeshan, dem Vulkan. Er hatte Hunderte von Jahren geschlafen und erwachte plötzlich wieder zum Leben. Er begann zu rauchen, zu spucken und brach ein- oder zweimal aus. Vogwolken – Ihr wißt schon, vulkanische Asche – begannen den Himmel zu verdunkeln. Die Luft, das Land, das Wasser darum herum – alles wurde anders.«

Er machte eine Pause, und ein grimmiger Blick veränderte seinen Gesichtsausdruck. »Auch sie wurden anders – die Landelfen. Sie wollten es nicht zugeben, aber wir sahen, daß sich etwas verändert hatte. Man konnte es an ihrem Verhalten erkennen, wenn wir in der Nähe waren. Sie wurden heimlichtuerisch mit allem. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet, wo auch immer sie hingingen. Und seltsame Lebewesen begannen auf der Insel zu erscheinen, monströse Wesen, Wesen, die niemals zuvor dort gewesen waren. Sie erschienen einfach so, aus dem Nichts. Und das Land begann zu kränkeln und sich zu verändern wie alles andere.«

Er seufzte. »Die Landelfen begannen dann wegzusterben, einige auf einmal, nach einer Weile dann immer mehr. Sie hatten einst über die ganze Insel verteilt gelebt. Das wurde geändert, und sie zogen in ihre Stadt, alle zusammengedrängt wie Ratten auf einem sinkenden Schiff. Sie bauten Befestigungen und verstärkten sie mit Magie. Mit alter Magie, wißt Ihr, aus der alten Zeit und auf die alte Art zurückgeholt. Die Himmelselfen wollten nichts damit zu tun haben, und wir haben die Magie niemals auf solch eine Art wie sie gebraucht.«

Er lehnte sich zurück. »Vor zehn Jahren verschwanden sie vollständig.«

Wren erschrak. »Sie verschwanden?«

»Sie verschwanden. Sie sind wohl noch immer auf Morrowindl, im Geist. Aber wo nur? Die Insel war da längst ein Durcheinander aus Asche und Nebel und dampfender Hitze. Sie hatte sich so vollständig verändert, daß sie ein völlig anderer Ort hätte sein können.« Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. »Wir sind nicht hingelangt und konnten daher nicht herausfinden, was geschehen war. Ich habe ein halbes Dutzend Flugreiter ausgeschickt. Nicht einer kam zurück. Nicht einmal die Vögel. Und niemand kam heraus. Niemand, mein Fräulein. In all diesen Jahren niemand.«

Wren schwieg einen Moment und dachte nach. Die Sonne war inzwischen aufgegangen. Warmes Licht fiel in Kaskaden von der Spitze des Irrybis hinab, und der wolkenlose Morgenhimmel war hell und freundlich. Seevögel flogen in großen Kreisen über die Blaue Spalte und fischten. Spirit hatte sich auf den Rand der Klippe gekauert und hatte sie scheinbar vergessen. Der Rock war zu einer Statue geworden. Nur seine scharfen, suchenden Augen zeigten Leben.

»Falls es also noch Elfen gibt«, sagte Wren schließlich, »Landelfen, meine ich, dann sind sie noch immer irgendwo auf Morrowindl. Seid Ihr Euch dessen sicher, Tiger Ty?«

Der Flugreiter zuckte die Achseln. »So sicher, wie man sein kann. Ich denke, sie könnten auch woandershin verschwunden sein, aber es ist seltsam, daß sie uns dann nicht verständigt haben.«

Wren atmete tief ein. »Könnt Ihr uns nach Morrowindl bringen?« fragte sie.

Es war eine impulsive Frage, geboren aus der wilden und phantastischen Entschlossenheit, die Wahrheit zu entdecken, die anscheinend nicht nur für sie, sondern auch für alle anderen im Verborgenen lag. Sie erkannte, daß sie selbstsüchtig dachte. Sie hatte nicht einmal daran gedacht, Garth nach seiner Meinung zu fragen. Sie hatte es nicht einmal für nötig gehalten, sich daran zu erinnern, wie schwer er bei dem Kampf mit dem Schattenwesen verletzt worden war. Sie konnte ihn jetzt nicht ansehen. Sie hielt die Augen fest auf Tiger Ty gerichtet.

Es war völlig klar, was er von der Idee hielt. Der kleine Mann runzelte wild die Stirn. »Ich könnte euch nach Morrowindl bringen«, sagte er. »Aber ich werde es nicht tun.«

»Ich muß wissen, ob es dort noch Elfen gibt«, drängte sie und versuchte, ihre Stimme ruhig zu halten. Erst jetzt riskierte sie einen kurzen Blick zu Garth. Das Gesicht des Fahrenden verriet nicht, was er dachte. »Ich muß herausfinden, ob sie in die Welt der Menschen zurückgebracht werden können. Das war Allanons Auftrag an mich, und ich glaube, ich halte ihn für wichtig genug, um ihn auszuführen.«

»Wieder Allanon!« schnappte Tiger Ty aufgebracht. »Ihr würdet Euer Leben riskieren für das Wort eines Schattens? Habt Ihr überhaupt eine Vorstellung davon, wie Morrowindl aussieht? Nein, natürlich nicht! Warum frage ich überhaupt? Ihr habt kein Wort von dem verstanden, was ich gesagt habe, nicht wahr? Ihr glaubt, Ihr könnt einfach dort hingehen, Euch umschauen und wieder weggehen? Das aber könnt Ihr nicht! Ihr würdet keine zwanzig Fuß weit kommen – Ihr oder Euer großer Freund! Diese ganze Insel ist eine Todesfalle! Sumpf und Dschungel, Vog, der alles erstickt, Killeshan, der Feuer spuckt. Und die Wesen, die dort leben, die Monster? Welche Chance glaubt Ihr gegen sie zu haben? Wenn kein Flugreiter mit seinem Rock landen und wieder herauskommen kann, dann könnt Ihr das auch nicht. Bei Dämons Blut!«

»Vielleicht ist es so«, stimmte Wren zu. »Aber ich muß es versuchen.« Sie schaute erneut zu Garth hinüber, der ihr kurz Zeichen machte, nicht als Tadel, sondern zur Warnung. Bist du sicher? Sie nickte heftig und sagte zu Tiger Ty: »Wollt Ihr nicht wissen, was mit ihnen geschehen ist? Was ist, wenn sie Hilfe brauchen?«

»Was, wenn es so ist?« grollte er. »Was sollen die Himmelselfen tun? Wir sind nur eine Handvoll. Es gab Tausende von Landelfen. Wenn sie mit dem, was dort ist, nicht umgehen konnten, welche Chance hätten wir dann? Oder Ihr, Fräulein Retterin?«

»Werdet Ihr uns hinbringen?« wiederholte sie.

»Nein, das werde ich nicht! Vergeßt die ganze Angelegenheit!« Er stand verärgert auf.

»Sehr gut. Dann werden wir ein Boot bauen und Morrowindl auf diesem Weg erreichen.«

»Ein Boot bauen! Was wißt Ihr denn vom Bootebauen! Oder auch vom Segeln!« Tiger Ty war erzürnt. »Von allen einfältigen, dickschädeligen... !«

Er stürmte davon, hinüber zu Spirit, blieb dann stehen und stampfte mit dem Fuß auf die Erde, wirbelte herum und kam wieder zurück. Sein gefurchtes Gesicht war karmesinrot, die Hände hatte er zu Fäusten geballt.

»Ihr wollt es also wirklich tun, nicht wahr?« fragte er. »Ob ich Euch nun helfe oder nicht?«