Выбрать главу

»Lavagestein«, sagte Tiger Ty mit einem Grunzen, als er ihren überraschten Gesichtsausdruck sah. »All diese Inseln sind Teil einer Inselkette, die irgendwann in der Vergangenheit, vor Hunderten oder vielleicht Tausenden von Jahren, durch Vulkane entstanden ist.« Er machte eine Pause, zog eine Grimasse und streckte die Hand aus. »Die Inseln, auf denen die Himmelselfen leben, liegen genau südlich. Natürlich werden wir dort nicht hingehen, Ihr versteht. Ich möchte nicht, daß jemandem auffällt, daß ich Euch nach Morrowindl bringe. Ich möchte nicht, daß sie erfahren, wie dumm ich bin.«

Er ging zu einer grasbewachsenen Kuppe hinüber und setzte sich. Nachdem er seine Handschuhe und seine Stiefel ausgezogen hatte, begann er seine Füße zu massieren. »Wir werden gleich etwas essen und trinken«, grummelte er.

Wren sagte nichts. Garth hatte sich in voller Länge im Gras ausgestreckt und hielt die Augen geschlossen. Er ist glücklich, wieder auf der Erde zu sein, dachte sie. Sie legte den Gesteinsbrocken, den sie untersucht hatte, hin und ging zu Tiger Ty hinüber.

»Ihr habt von Monstern auf Morrowindl gesprochen«, sagte sie kurz darauf. Eine leichte Brise zerzauste ihr Haar und blies ihr die Locken ins Gesicht. »Könnt Ihr mir etwas über sie erzählen?«

Die scharfen Augen sahen sie fest an. »Es gibt dort alle Arten, mein Fräulein. Große und kleine, vierbeinige und zweibeinige, fliegende, kriechende und einherstolzierende. Es gibt jene mit Haaren, jene mit Schuppen und jene mit Haut. Einige entspringen den schlimmsten Alpträumen. Einige, so sagt man, sind keine Lebewesen. Sie jagen in Rudeln. Jedenfalls einige von ihnen. Einige graben sich in die Erde und warten.« Er schüttelte seinen ergrauten Kopf. »Ich habe selbst erst eines oder zwei davon gesehen. Die meisten sind mir nur beschrieben worden. Aber sie sind dort, das ist ziemlich sicher.« Er machte eine Pause und überlegte. »Es ist recht seltsam, nicht wahr, daß es so viele verschiedene Arten gibt? Und es ist auch seltsam, daß zuerst überhaupt keine Monster dort waren und dann so plötzlich die ersten aufgetaucht sind.«

»Ihr glaubt also, daß die Elfen etwas damit zu tun hatten.« Wie sie es sagte, war es eine Feststellung.

Tiger Ty schürzte nachdenklich die Lippen. »Ich mußte einfach zu dem Schluß kommen. Es muß etwas mit ihrer Magie zu tun haben – ihrer Rückkehr zu den alten Riten. Sie haben es allerdings nicht gesagt und es nicht im mindesten zugegeben, die wenigen, mit denen ich gesprochen habe. Das war vor zehn Jahren. Vielleicht ist es auch noch länger her. Sie behaupteten, das alles habe etwas mit dem Vulkan zu tun und mit den Veränderungen der Erde und des Klimas. Stellt Euch das vor!«

Er lächelte entwaffnend. »So sieht es aus, wißt Ihr. Niemand wird Euch die Wahrheit sagen. Jeder will Geheimnisse bewahren.« Er machte eine Pause und rieb sein Kinn. »Nehmt Euch doch selbst. Ihr seid auch so ein Beispiel. Ich glaube nicht, daß Ihr mir erzählen werdet, was dort hinten am Wing Hove geschehen ist, nicht wahr, während ihr darauf gewartet habt, daß ich Euer Feuer entdecke?« Er beobachtete Wrens Gesicht. »Seht Ihr, ich bemerke Dinge ziemlich schnell. Mir entgeht so leicht nichts. Wie zum Beispiel, daß Euer großer Freund dort drüben so schwer bandagiert ist. Zerkratzt und von einem Kampf gezeichnet, der erst kürzlich stattgefunden hat. Ein harter Kampf. Auch Ihr selbst tragt einige Male. Und da war eine dunkle Stelle auf den Felsen, so wie sie durch ein sehr heißes Feuer entsteht. Sie war nicht dort, wo das Signalfeuer normalerweise brennt, und sie war neu. Und der Fels war an ein oder zwei Stellen ziemlich schlimm zerkratzt. Von schleifendem Metall, vermute ich. Oder von Klauen.«

Wren mußte wider Willen lächeln. Sie betrachtete Tiger Ty mit plötzlicher Bewunderung. »Ihr habt recht – Euch entgeht wirklich nicht viel. Es gab einen Kampf, Tiger Ty. Irgend etwas war uns seit Wochen gefolgt, ein Wesen, das wir Schattenwesen genannt haben. Es griff uns an, als wir das Signalfeuer entfachten. Wir haben es vernichtet.«

»Ach wirklich?« murmelte der kleine Mann spöttisch. »Nur Ihr beide? Ein Schattenwesen. Ich weiß ein wenig über Schattenwesen. Soweit ich weiß, ist immer etwas Besonderes nötig, um eines dieser Wesen zu vernichten. Feuer vielleicht. Von der Art, die der Elfenmagie entspringt. Das würde auch den Brandfleck auf den Felsen erklären, nicht wahr?«

Er wartete. Wren nickte langsam. »Vielleicht.«

Tiger Ty lehnte sich vor. »Ihr seid irgendwie wie die anderen, nicht wahr, mein Fräulein. Ihr seid eine Ohmsford wie die anderen. Ihr verfügt wahrscheinlich auch über die Magie.«

Er sagte es vorsichtig, formulierte es als Vermutung, und dabei spiegelte sich in seinen Augen eine Neugier, die vorher nicht zu sehen gewesen war. Er hatte natürlich wieder recht. Sie verfügte über die Magie, eine Erfahrung, über die sie, seit sie sie entdeckt hatte, bewußt nicht nachdachte, denn sonst wäre sie in gewisser Weise für ihren Besitz und Gebrauch verantwortlich. Sie sagte sich immer wieder, daß die Elfensteine nicht wirklich ihr gehörten, sondern daß sie sie lediglich hütete, und noch dazu, ohne es zu wollen. Ja, sie hatten Garth das Leben gerettet. Und ihr eigenes. Und natürlich war sie dankbar. Aber ihre Magie war gefährlich. Jeder wußte das. Sie hatte ihr ganzes Leben lang gelernt, selbstgenügsam zu sein, sich auf ihre Instinkte und ihre Ausbildung zu verlassen und nie zu vergessen, daß das Überleben überwiegend von ihren eigenen Fähigkeiten und Gedanken abhing. Sie wollte nicht auf die Magie der Elfensteine vertrauen und damit ihre Erziehung untergraben.

Tiger Ty sah sie noch immer an und wartete darauf, daß sie antwortete. Wren erwiderte seinen Blick unerschrocken und antwortete nicht.

»Nun«, sagte er schließlich und zuckte die Achseln. »Wir sollten etwas essen.«

Die Inseln waren üppig mit Obstbäumen bestanden, und sie erhielten eine sättigende Mahlzeit aus dem, was sie ernteten. Danach tranken sie aus einem Süßwasserfluß, den sie landeinwärts fanden. Überall blühten Blumen, und es gab dicke Büsche voller Blüten. Die Farben leuchteten durch das Grün, und ihre Düfte wurden bei jeder Bewegung durch die Luft getragen. Es gab Palmen, Akazien, Banyans und jenen Baum, der Gingko genannt wurde. Fremdartige Vögel, deren Gefieder in Regenbogenfarben leuchtete, spähten aus den stacheligen Zweigen dorniger Bäume herab. Tiger Ty beschrieb ihnen alles, während sie umhergingen, zeigte ihnen alles, benannte und erklärte es. Wren schaute sich staunend um und erlaubte ihrem Blick nicht, irgendwo länger als einige Sekunden zu verweilen, weil sie Angst hatte, dafür etwas anderes zu verpassen. Sie hatte noch niemals solche Schönheit gesehen, solchen Überfluß unglaublich wundervoller Lebewesen. Es war überwältigend.

»War Morrowindl wie die Insel hier?« fragte sie Tiger Ty irgendwann.

Er schaute sie kurz an. »Einst«, erwiderte er. Mehr erfuhr sie nicht.

Sie kletterten bald darauf wieder auf Spirits Rücken und setzten ihren Flug fort. Es war jetzt leichter, ein wenig vertrauter, und sogar Garth schien eine Möglichkeit gefunden zu haben, die Reise für sich erträglich zu gestalten. Sie flogen in Richtung Nordwesten, von der Sonne fort, die über ihnen vorbeizog. Es gab andere Inseln, klein und meist felsig, obwohl alle zumindest teilweise bewachsen waren. Die Luft streichelte warm und sanft ihre Haut, und die Sonne brannte aus einem wolkenlosen Himmel herab und ließ die Blaue Spalte erstrahlen, bis sie funkelte. Sie sahen große Meerestiere, die Tiger Ty Wale nannte und von denen er behauptete, sie seien die größten Lebewesen im Meer. Es gab Vögel in allen Größen und Formen. Es gab Fische, die in Gruppen, die er als Schulen bezeichnete, schwammen und in Formation aus dem Wasser heraussprangen, silberne Körper, die einen Bogen vor der Sonne bildeten. Wren lernte ungeheuer viel auf dieser Reise, und sie versenkte sich in ihre Lektionen.