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Garth signalisierte. Ich verstehe. Ich wäre nicht hier bei dir, wenn ich es nicht täte.

»Das weiß ich«, flüsterte sie, und ihre Kehle wurde eng. »Ich wollte es dich nur sagen hören.«

Sie schwiegen einen Moment und wandten die Augen ab. Irgend etwas Großes platschte weit draußen auf dem Wasser auf. Das Geräusch hallte einen Moment wider und verklang dann. Wren stieß ihren Schuh in den rauhen Sand.

»Garth«, signalisierte sie und lenkte seinen Blick auf sich.

»Gibt es irgend etwas über meine Eltern, was du mir nicht gesagt hast?«

Garth sagte nichts. Sein Gesicht war ausdruckslos.

»Denn wenn da etwas ist«, signalisierte sie, »mußt du es mir jetzt sagen. Du kannst mich diese Suche nicht fortsetzen lassen, ohne daß ich es weiß.«

Garth bewegte sich und ließ den Kopf in Schatten versinken. Als er ihn wieder hob, begannen seine Finger, die Zeichen zu formen. Ich würde dir nichts vorenthalten, was nicht nötig wäre. Ich enthalte dir jetzt nichts über deine Eltern vor. Was ich weiß, habe ich dir gesagt. Glaube mir.

»Das tue ich«, bestätigte sie ruhig. Und doch beunruhigte sie die Antwort. Enthielt er ihr vielleicht doch noch etwas anderes vor, weil er es für notwendig hielt? Hatte sie das Recht, zu fordern, daß auch sie erfuhr, was das war?

Sie schüttelte den Kopf. Er würde sie niemals verletzen. Das war das Wichtigste. Nicht Garth.

Wir werden die Wahrheit über deine Eltern herausfinden, signalisierte er plötzlich. Ich verspreche es.

Sie streckte kurz die Hand aus, um seine Hände zu ergreifen, und ließ sie dann wieder los. »Garth«, sagte sie, »du bist der beste Freund, den ich jemals haben werde.«

Sie hielt dann Wache, während er schlief, und fühlte sich durch seine Worte getröstet. Jetzt war sie wieder sicher, daß sie trotz allem nicht allein war, daß sie ihr Ziel gemeinsam angehen würden. Verborgen in der Dunkelheit brütete Morrowindl weiter vor sich hin. Aber sie war jetzt nicht mehr so eingeschüchtert. Ihr Entschluß wurde fester, ihr Ziel deutlich. Es würde so sein, wie es schon so viele Jahre war – sie und Garth gegen alles, was immer sie erwartete. Das würde genügen.

Als Garth um Mitternacht erwachte, begab sie sich schnell zur Ruhe.

Der Sonnenaufgang ließ den Himmel in hellem Silber erstrahlen, aber Morrowindl war eine schwarze Mauer, die dieses Licht ausschloß. Die Insel stand zwischen der Dämmerung auf der einen Seite und Wren und Garth auf der anderen, als wollte sie die Fahrenden für immer in ihre Schatten einschließen. Der Strand war ruhig und leer, eine schwarze Linie, die sich in die Ferne erstreckte wie ein ausgebreiteter Streifen Trauerflor. Felsen und Klippen ragten aus dem grünen Gewirr des Dschungels heraus und stießen hervor wie gefangene Tiere, die zu atmen versuchen. Killeshan stieß in stummem Schweigen himmelwärts, und Rauch entstieg aus den Rissen in seiner Lavafelshaut. Weit entfernt im Norden enthüllte ein Blick auf die Wüstenseite der Insel eine harte, gebrochene Oberfläche, über der eine Decke aus schwefelhaltigem Nebel lag, auf der sich nichts bewegte.

Die Fahrende und ihr Begleiter wuschen sich und aßen ein eiliges Frühstück. Sie waren bestrebt, schnell fortzukommen. Die Tageshitze war bereits spürbar und verdrängte die Meeresbrisen über dem Wasser. Seevögel glitten und schössen darin entlang und hielten nach Nahrung Ausschau. Krabben trippelten vorsichtig in den Felsen herum und suchten in Rissen und Spalten nach Schutz. Rundherum erwachte die Insel.

Wren und Garth schulterten ihr Gepäck, überprüften ihre Waffen, sahen sich kurz an und starteten landeinwärts. Der Strand endete in einem kleinen Flecken hohen Grases, der dann wieder einem Wald aus turmhohen Akazien Platz machte. Die Stämme der uralten Bäume hoben sich wie Säulen himmelwärts, wo sie sich in der Höhe verloren, was ihnen das Aussehen einer Mauer gab. Der Boden des Waldes war karg und strauchlos. Stürme und Fluten hatten alles fortgewaschen, nur die riesigen Bäume waren geblieben. Innerhalb der Akazien war alles ruhig. Die Sonne im Osten war noch wolkenverhangen, und Schatten lagen über allem. Wren und Garth gingen langsam, aber stetig vorwärts und waren für jede Art von Gefahr gewappnet. Sie traten aus den Akazien heraus und auf ein Wäldchen aus Bambuspflanzen zu. Sie gingen an dessen Rand entlang, bis sie einen Durchgang durch das Gesträuch fanden. Sie benutzten ihre kurzen Schwerter, um sich ihren Weg hindurch zu bahnen. Von da aus gingen sie an einer Wiese entlang weiter, auf der das Gras brusthoch stand und Wildblumen in vielerlei Farben inmitten des Grüns wuchsen. Vor ihnen stieg der Wald die Hänge des Killeshan empor, Bäume und Sträucher überzogen die seltsamen Formationen von Lavagestein, und alles verschwand schließlich im Vog.

Der erste Tag verging ohne Zwischenfälle. Sie reisten durch offenes Land, wann immer es möglich war, und wählten einen Weg, der ihnen erlaubte, zu sehen, worauf sie gingen. In dieser Nacht schlugen sie ihr Lager auf einer Wiese auf und machten es sich auf erhöhtem Untergrund bequem, so daß sie wieder eine klare Sicht in alle Richtungen hatten. Der zweite Tag verging auf die gleiche Weise wie der erste. Sie kamen gut voran, indem sie Flüsse und Ströme nutzten und Senken und kleinere Erhebungen ohne Schwierigkeiten überwanden. Es gab keinerlei Hinweise auf die Monster, vor denen Tiger Ty sie gewarnt hatte. Es gab buntgefärbte Schlangen und Spinnen, die mit ziemlicher Sicherheit giftig waren, aber die Fahrenden hatten bereits in anderen Teilen der Welt mit deren Vettern zu tun gehabt und wußten genug von ihnen, um jeden Kontakt zu vermeiden. Sie hörten das Fauchen von Moorkatzen, sahen aber keine. Ein- oder zweimal flogen Raubvögel über sie hinweg, aber nach mehrmaligem flüchtigen Kreisen schössen die Jäger auf der Suche nach leichterer Beute davon. Es regnete häufig und schwer, aber niemals sehr lange, und die einzige Gefahr war, von einer unerwarteten Sturzflut in einem trockenen Flußbett überrascht zu werden oder in neu gebildete Senkgruben zu fallen. Außerdem kühlte der Regen sie ab.

Die ganze Zeit über kamen die in Dunst halb verborgenen Hänge des Killeshan näher, ein Versprechen von zukünftigen, härteren Herausforderungen.

Der dritte Tag begann auf die gleiche Art wie die beiden vorherigen, schattig und ruhig und brütend. Die Sonne ging auf und war kurz durch die Bäume vor ihnen zu sehen, ein warmes und einladendes Lichtzeichen. Doch dann verschwand sie plötzlich, als sich die unteren Ränder des Vog noch weiter hinabzogen. Der Dunst war dünn und zunächst wenig beunruhigend, nicht viel mehr als eine Verdichtung der Luft, ein Ermatten des Lichts. Aber langsam begann er dichter zu werden, sich zusammenzuballen und alles auszuschließen, was mehr als dreißig Fuß von ihrem jeweiligen Standort entfernt war. Das Land wurde rauher, als die Ebenen der Küstenlinie und die grasbewachsenen Ausläufer Hügeln und Abhängen wichen und das Lavagestein bröckelig und lose wurde. Der Untergrund wurde unsicher, und sie verlangsamten ihren Schritt.

Sie aßen besorgt und schweigend eilig zu Mittag und gingen dann vorsichtig weiter. Sie banden oberhalb der Stiefelschafte und unter den Knien dicke Felle um ihre Beine, um vor Schlangen geschützt zu sein. Sie legten ihre schweren Umhänge an und zogen sie fest um sich. Die Hitze der niedrigeren Hügel fehlte hier, und die Luft – von der sie geglaubt hatten, sie würde wärmer werden, je mehr sie sich Killeshan näherten – wurde kalt. Garth übernahm entschlossen die Führung und schirmte Wren somit ab. Schatten bewegten sich überall um sie herum durch den Dunst, Wesen ohne Gestalt und Form, die aber dennoch da waren. Die vertrauten Geräusche von Vögeln und Insekten erstarben zu erwartungsvoller Stille. Die Dämmerung sank früh herab. Es war wie ein Abfließen von Licht. Und dann begann der Regen als stetige Wand zu fallen.