Выбрать главу

Verrückt nannten sie ihn — diese Narren in Grimpen Ward. Verrückt, in dieser Wildnis zu leben, ein alter Mann ganz allein. Er lächelte bei dem Gedanken. Vielleicht war es wirklich verrückt; doch er zog seine eigene Verrücktheit der ihren vor.

»Drifter«, rief er barsch, und der gewaltige schwarze Hund, der zu seinen Füßen ausgestreckt lag, erwachte und stand auf. Er war ein riesenhaftes Tier, der an einen Wolf ebenso wie an einen Bären erinnerte.

»Na du«, brummte der alte Mann, und der Hund legte den Kopf in den Schoß seines Herrn, um sich die Ohren kraulen zu lassen.

Irgendwo in der dichter werdenden Dunkelheit schrillte ein Schrei, flüchtig und durchdringend. Einen Moment lang hing sein verklingendes Echo in der Abenddämmerung, dann erstarb es. Drifter hob lauschend den Kopf. Der alte Mann nickte. Eine Sumpfkatze. Eine große. Irgendein Wesen war ihr in den Weg gelaufen, und sie hatte zugeschlagen.

Müßig ließ er den Blick über vertraute Formen gleiten, die sich aus dem Halbdunkel hoben. Hinter ihm stand die Hütte, in der er lebte, klein, aber solide gebaut, aus Holzbalken und —schindeln errichtet, mit Mörtel abgedichtet. Ein Stück zurückgesetzt von der Hütte befanden sich ein Schuppen und ein Brunnen. In einer kleinen eingezäunten Koppel graste ein Maultier. Hinter der Hütte waren eine Werkbank und ein großer Stapel Holz. Er zimmerte und schnitzte gern, brachte einen großen Teil seiner Tage damit zu, aus dem Holz, das er sich von den mächtigen alten Bäumen an der Lichtung holte, alle möglichen Gegenstände und Möbelstücke zu arbeiten, die er gern ansah. Wertloses Zeug, vermutete er, in den Augen anderer, aber für andere Leute hatte er ja ohnehin nicht viel übrig, da war ihre Meinung für ihn auch nicht wichtig. Er sah nur höchst selten andere Menschen, und selbst das war ihm beinahe noch zuviel. Er war froh, wenn sie ihn in Ruhe ließen. Drifter war ihm Gesellschaft genug. Und diese nichtsnutzigen Katzen, die ständig hier umherstreunten und hinter den Abfällen her waren wie die Aasgeier. Und das Maultier, ein bißchen störrisch, aber zuverlässig.

Er reckte seine Glieder und stand auf. Die Sonne war untergegangen; am Nachthimmel traten Mond und Sterne ihre Herrschaft an. Es war an der Zeit, sein Nachtmahl zu richten. Er warf einen Blick auf den Dreifuß und den Kessel über dem kleinen Feuer, das nur ein paar Schritte von ihm entfernt loderte. Die Suppe vom gestrigen Tag. Viel war es nicht mehr, reichte höchstens noch für eine Mahlzeit.

Kopfschüttelnd trottete er zum Feuer. Er war ein ziemlich kleiner Mann, vom Alter gebeugt, schmächtig und dünn wie eine Zaunlatte. Fedriges weißes Haar umkränzte seinen kahlen Kopf und wuchs die Wangen hinunter zu einem buschigen Bart. So braun und zerknittert wie Leder war die Haut seines zähen alten Körpers, und die Augen waren kaum sichtbar unter den hängenden, faltigen Lidern.

Vor dem Kessel blieb er stehen und blickte hinein, während er überlegte, wie er den Suppenrest etwas schmackhafter anrichten könnte. Und in diesem Moment vernahm er, weit entfernt noch, irgendwo im Dunkel des Pfades, der sich zu seiner Hütte wand, Geräusche, die das Nahen von Pferden und einem Wagen ankündigten. Er wandte sich um und spähte abwartend in die Nacht. Drifter, der an seiner Seite stand, knurrte mißtrauisch, und der alte Mann versetzte ihm einen warnenden Puff.

Die Geräusche kamen näher. Nach einer Weile tauchten Schatten aus dem Dunkel auf und glitten den Hang der Anhöhe hinunter, die die Lichtung begrenzte — ein Wagen, der von zwei Pferden gezogen wurde, und dahinter ein halbes Dutzend Reiter. Die Stimmung des alten Mannes sank, als er den Wagen erblickte. Er kannte ihn gut, wußte, daß er diesem Schurken Cephelo gehörte. Voller Abscheu spie er aus, spielte ernsthaft mit dem Gedanken, Drifter auf die Bande zu hetzen.

Am äußersten Rand der Lichtung hielten Reiter und Wagen an. Cephelos dunkle Gestalt sprang vom Pferd und kam näher. Als der Fahrensmann den Alten erreichte, zog er schwungvoll den breiten Schlapphut.

»Einen schönen guten Abend, Hebel.«

Der alte Mann brummte verächtlich.

»Cephelo. Was wollt Ihr?«

Cephelo spielte den Gekränkten.

»Hebel, ist das vielleicht eine Begrüßung für zwei Leute, die so viel füreinander getan haben wie wir? Dies ist wahrhaftig keine Begrüßung für zwei Männer, die Mühsal und Unglücksfälle des Lebens geteilt haben. Seid mir also gegrüßt.«

Der Fahrensmann ergriff die Hand des Alten und schüttelte sie kräftig. Hebel widersetzte sich nicht, tat aber auch nichts dazu.

»Gut seht Ihr aus.« Cephelo lächelte entwaffnend. »Das Hochland ist gut für die Schmerzen und Leiden des Alters, denke ich mir.«

»Was Ihr nicht sagt.« Hebel spie erneut aus und rümpfte die Nase. »Also, was verkauft Ihr, Cephelo — ein Wundermittel vielleicht für die Alten und Schwachen?«

Cephelo warf einen Blick zurück zu jenen, die mit ihm gekommen waren, und zuckte entschuldigend die Schultern.

»Ihr seid in hohem Maße unfreundlich, Hebel. Wirklich, höchst unfreundlich.«

Der Alte folgte seinem Blick.

»Was habt Ihr denn mit dem Rest Eurer Meute angestellt? Haben die sich einem anderen Dieb angeschlossen?«

Diesmal verdüsterte sich das Gesicht des Fahrensmannes.

»Ich habe sie vorausgeschickt. Sie haben die Hauptstraße nach Osten genommen und werden mich im Tirfing erwarten. Ich bin mit diesen wenigen in einer recht dringlichen Sache zu Euch gekommen. Vielleicht können wir uns darüber unterhalten.«