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Wil wollte etwas erwidern, doch der Fahrensmann hob rasch die Hand.

»Bevor Ihr etwas sagt, laßt mich Euch raten, mich nicht zu bitten, Euch zu begleiten. Das war nicht unsere Abmachung, und ich habe andere Verpflichtungen, die ich erfüllen muß.«

»Ich wollte nur fragen, ob wir etwas Proviant mitnehmen könnten«, erklärte Wil kühl.

Der Fahrensmann zuckte die Schultern.

»Für ein, zwei Tage, ja, aber nicht mehr.«

Er nickte der alten Frau zu, die durch die Tür in den Wagen hineinging. Wil fiel auf, daß Cephelo recht unbehaglich im Sattel hin und her rutschte, während sie auf die Rückkehr der Alten warteten. Irgend etwas stimmte da nicht.

»Und wie finde ich Euch, um Euch Euren Anteil an der Belohnung zu bezahlen?« fragte Wil unvermittelt.

»Belohnung? Ach ja.« Cephelo schien die Belohnung ganz vergessen zu haben. »Also, ich habe schon gesagt, ich werde es wissen, wenn Ihr Euren Lohn erhalten habt. Ich werde zu Euch kommen, Heiler.«

Wil nickte, stand auf und stieg vom Wagen herunter. Er wandte sich um, Amberle zu helfen und warf ihr einen raschen Blick zu, als er sie herunterhob. Ihr schien das Verhalten des Fahrensmannes so befremdlich wie ihm, das sah er ihr an. Er wandte sich wieder Cephelo zu.

»Könntet Ihr uns ein Pferd geben? Dann —«

»Wir können keines unserer Pferde entbehren«, unterbrach ihn Cephelo. »Ich finde, Ihr solltet Euch jetzt auf den Weg machen. Es sieht nach einem Gewitter aus.«

Die alte Frau kam aus dem Wagen und reichte Wil einen Beutel. Der warf ihn über die Schulter und dankte ihr. Dann blickte er noch einmal den Fahrensmann an.

»Gute Reise, Cephelo.«

Der Mann nickte. »Euch das gleiche, Heiler. Lebt wohl.«

Wil nahm Amberle beim Arm und führte sie durch die Schar der Reiter zur Kreuzstraße. Eretria saß auf ihrem Braunen, und ihr schwarzes Haar flatterte im stürmischen Wind. Wil blieb an ihrer Seite stehen und streckte ihr die Hand hin.

»Leb wohl, Eretria.«

Sie nickte stumm. Ihr dunkles Gesicht war ausdruckslos, kalt und schön. Ohne ein Wort wendete sie dann ihr Pferd und ritt zu Cephelo zurück. Wil schaute ihr einen Moment lang nach, doch sie blickte nicht zu ihm zurück. Er ging weiter, dem Pfad entgegen, der nach Süden führte. Der Wind blies ihm Staub und Erde in die Augen, und er beschattete sie mit einer Hand. Mit Amberle an seiner Seite machte er sich auf den Weg.

Hebel saß den ganzen Morgen an seiner Werkbank hinter der kleinen Hütte und arbeitete an der Holzskulptur einer Sumpfkatze. Wahrend er schnitzte, wanderten seine Gedanken zu den Ereignissen des vergangenen Abends zurück, zu den beiden jungen Elfen und ihrem seltsamen Unterfangen, zu den Warnungen, die er geäußert hatte, und die sie ignoriert hatten. Er verstand es nicht. Warum weigerten sie sich, auf ihn zu hören? Er hatte es doch klar und deutlich ausgesprochen, daß jeder, der sich in die Senke wagte, des Todes war. Und er hatte ihnen ebenso klar und deutlich zu verstehen gegeben, daß die Senke das Reich der Hexenschwestern war, die keine Eindringlinge duldeten. Was also konnte es sein, was diese Geschwister trieb, sich trotz allem in die Senke zu wagen ?

Nur die Suche nach einer Wurzel, aus der eine bestimmte Medizin gemacht werden konnte? Er glaubte es nicht. Da steckte mehr dahinter. Und je länger er diesen Gedanken hin und her wendete, desto plausibler schien er ihm. Die beiden waren gewiß nicht so töricht, einem Burschen wie Cephelo die Wahrheit anzuvertrauen; nein, dieser junge Mann ganz sicher nicht — dazu war er zu klug. Sichermal lag in den Tiefen der Hochwarte; was für eine Wurzel wuchs im Bauch eines Berges, in den niemals Sonnenlicht eindrang, um sein Wachstum zu fördern? Aber Zauberkräfte hatten einst in Sichermal gewirkt, das hatte die Hexe ihm zugeflüstert — Zauberkräfte aus einem anderen Zeitalter, längst verloren und vergessen. War es möglich, daß die jungen Elfen hofften, diese Kräfte wiederzuentdecken?

Der alte Mann hielt in seiner Arbeit inne und blickte zu dem immer dunkler werdenden Himmel auf. Das Heulen des Windes in den Bäumen schwoll an. Das wird ein arges Gewitter geben, dachte er. Schlimm für die jungen Elfen, denn das Gewitter würde sie zweifellos überraschen, noch ehe sie die Senke erreichten. Er schüttelte den Kopf. Er wäre ihnen nachgeeilt, wenn er glauben könnte, daß es etwas ausrichten würde. Doch die beiden waren offenbar fest entschlossen. Dennoch, es war arg. Ganz gleich, was sie in Sichermal zu finden hofften, ob Wurzel oder Zauberkraft, sie hätten besser daran getan, das Unternehmen zu vergessen. Denn sie würden es nicht überleben.

Drifter, der zu seinen Füßen lag, hob den Kopf und streckte schnuppernd die Nase in den Wind. Dann knurrte er plötzlich, tief und zornig. Hebel blickte verwundert zu ihm hinunter und sah sich dann um. Die Schatten der Bäume fielen in die Lichtung, aber nichts rührte sich.

Drifter knurrte wieder, und seine Nackenhaare sträubten sich. Mißtrauisch ließ Hebel den Blick schweifen. Da draußen trieb sich etwas herum, hielt sich in der Düsternis des nahenden Gewitters verborgen. Er stand auf und nahm die Axt zur Hand. Vorsichtig machte er sich auf den Weg zu den Bäumen. Drifter begleitete ihn, immer noch knurrend.

Dann aber hielt er an. Er wußte selbst nicht, weshalb er anhielt. Es war einfach so, daß plötzlich etwas Eiskaltes sich in seinen Körper hineinstahl, ihn so schüttelte, daß er kaum stehen konnte. Drifter lag auf dem Bauch zu seinen Füßen und wand sich wimmernd, als sei er geschlagen worden. Der alte Mann bemerkte flüchtige Bewegungen — einen gewaltigen, vermummten Schatten. Eben noch war er da, und gleich darauf war er verschwunden. Eine schreckliche Furcht überfiel ihn, so heftig, daß er nicht die Kraft aufbringen konnte, sie abzuschütteln. Sie hielt ihn mit grausamen Klauen umkrallt, während er hilflos in den finsteren Wald spähte und mit aller Kraft, die noch in ihm war, wünschte, er könnte sich umdrehen und fliehen. Die Axt entglitt seiner Hand und fiel nutzlos zu Boden.