Выбрать главу

»Erstaunt?« Ihre Stimme war kühl und beherrscht.

»Sehr«, bekannte er.

»Ich bin gekommen, um dich ein letztes Mal zu retten, Wil Ohmsford. Diesmal, denke ich, wirst du besser auf meine Worte hören.«

Wil lief zu ihr hin und blieb stehen.

»Cephelo hat die Steine.«

»Ich weiß. Er hat dir etwas in das Bier gemischt und sie dir dann in der Nacht, während du schliefst, abgenommen.«

»Und du hast nichts getan, um mich zu warnen?«

»Ich hätte dich warnen sollen?« Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich hätte dich gewarnt, Heiler. Ich hätte dir geholfen. Aber du hast dich geweigert, mir zu helfen — erinnerst du dich? Ich verlangte nicht mehr von dir, als daß du mich mitnehmen solltest. Hättest du zugestimmt, so hätte ich dir von Cephelos Plan, die Elfensteine an sich zu bringen, erzählt und dafür gesorgt, daß er sie dir nicht hätte nehmen können. Aber du hast mich abgewiesen, Heiler. Du hast mich im Stich gelassen. Du meintest, du seist fähig, ohne mich zurechtzukommen. Nun, da beschloß ich, einmal zu prüfen, wie gut der Heiler ohne mich zurechtkommt.«

Sie beugte sich zu ihm hinunter und musterte ihn mit abschätzendem Blick.

»Nicht allzu gut, wie ich sehe«, meinte sie.

Wil nickte, während er angestrengt überlegte. Jetzt durfte er auf keinen Fall etwas Törichtes sagen.

»Amberle ist verletzt. Sie ist gestürzt und hat sich den Fuß verstaucht. Sie kann ohne Hilfe nicht laufen. Ich mußte sie am Rand der Senke zurücklassen.«

»Es scheint eine Spezialität von dir zu sein, Frauen in Not im Stich zu lassen«, bemerkte Eretria bissig.

Er brauste nicht auf.

»Ja, ich kann mir denken, daß es so aussieht. Aber manchmal können wir nicht so handeln, wie wir gern möchten, auch wenn es darum geht, anderen zu helfen.«

»Das hast du schon mal gesagt. Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als dir zu glauben. Du hast also das Elfenmädchen verlassen?«

»Nur bis ich die Steine wiederhabe.«

»Die du ohne mich nicht wiederbekommen wirst.«

»Die ich sehr wohl wiederbekommen werde, ob mit dir oder ohne dich.«

Eretria starrte ihn einen Moment lang an, und ihr Gesicht wurde etwas weicher.

»Das glaubst du im Ernst, nicht?«

Wil legte seine Hand auf die Flanke des Pferdes.

»Bist du hier, um mir zu helfen, Eretria?«

Sie betrachtete ihn wortlos, dann nickte sie.

»Ja, wenn du mir auch hilfst. Diesmal mußt du mir helfen, das weißt du sehr wohl.« Als er nichts erwiderte, sprach sie weiter. »Ein Tauschgeschäft, Wil Ohmsford. Ich helfe dir, die Steine wiederzubekommen, wenn du mir versprichst, mich mitzunehmen, sobald sie wieder in deinem Besitz sind.«

»Wie willst du die Steine zurückholen?« fragte er.

Zum ersten Mal lächelte sie, dieses vertraute, strahlend schöne Lächeln, das ihm den Atem raubte.

»Wie ich es anstellen werde? Heiler, ich bin das Kind von Fahrensleuten und die Tochter eines Diebes — gekauft und bezahlt. Er hat sie dir gestohlen; ich werde sie ihm stehlen. Ich bin auf dem Gebiet besser als er. Wir müssen die Steine nur erst finden.«

»Wird er sich nicht inzwischen fragen, wo du geblieben bist?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Als wir uns von dir trennten, sagte ich zu ihm, ich wolle vorausreiten und mich dem Zug später wieder anschließen. Er erlaubte es mir, denn die Pfade des Wildewaldes sind den Fahrensleuten vertraut, und er wußte, daß ich bis spätestens zum Einbruch der Nacht aus dem Tal heraus sein würde. Wie du weißt, Heiler, will er auf keinen Fall, daß mir etwas zustößt. Angeschlagene Ware bringt keinen guten Preis. Wie dem auch sei, ich bin nur eine Meile über den Heulekamm hinausgeritten und bin dann auf einen anderen Pfad abgebogen, der nach Süden führt und sich ein Stück weiter hinten mit diesem hier vereinigt. Ich dachte, bis zum Abend würde ich euch schon einholen — entweder an der Senke oder hier auf dem Weg, falls du den Verlust der Steine bemerken solltest. Du siehst also, Cephelo hat keine Ahnung, was ich getan habe. Den Wagenzug wird er frühestens morgen im Lauf des Tages erreichen. Heute nacht wird er auf der Straße kampieren, die aus dem Tal hinausführt.«

»Dann haben wir die ganze Nacht, um die Steine zu holen«, sagte Wil.

»Mehr Zeit als genug«, meinte sie. »Aber nicht, wenn wir weiter hier herumstehen und noch länger plaudern. Außerdem willst du das Elfenmädchen doch bestimmt nicht unnötig lang allein bei der Senke lassen, oder?«

Der Gedanke an Amberle störte ihn auf.

»Nein. Komm, wir machen uns auf den Weg.«

»Einen Augenblick.« Sie ließ ihr Pferd ein Stück zurückgehen. »Erst mußt du mir dein Wort geben. Wenn ich dir geholfen habe wirst auch du mir helfen. Du nimmst mich mit, wenn du die Steine wiederhast. Du läßt mich danach bei dir bleiben, bis ich in sicherer Entfernung von Cephelo bin — und wann das der Fall ist, werde ich entscheiden. Versprich mir das, Heiler.«

Er hatte gar keine andere Wahl; höchstens hätte er versuchen können, ihr das Pferd zu nehmen, und er war nicht sicher, daß er das schaffen würde.

»Gut. Ich verspreche es.«

Sie nickte. »Und damit du dein Versprechen auch wirklich hältst, werde ich die Steine bei mir behalten, wenn wir sie wiederhaben, bis wir dieses Tal hinter uns gelassen haben. Setz dich jetzt hinter mich aufs Pferd.«

Wortlos schwang sich Wil auf den Rücken des Braunen. Niemals würde er ihr die Elfensteine überlassen, wenn sie sie Cephelo wieder abgenommen hatten, aber es war sinnlos, sich jetzt mit ihr darüber zu streiten. Er machte es sich einigermaßen bequem hinter ihr, und sie drehte sich nach ihm um.

»Du hast das, was ich für dich tue, nicht verdient — das weißt du wohl. Aber ich mag dich; du scheinst mir ein Glückspilz zu sein — besonders mit meiner Hilfe. Leg deine Hände um meine Taille.«

Wil zögerte, dann tat er wie ihm geheißen. Eretria lehnte sich an ihn.

»Viel besser«, schnurrte sie. »So bist du mir viel lieber als sonst, wenn du mit dem Elfenmädchen zusammen bist. So, jetzt halt dich fest.«

Mit einem plötzlichen Aufschrei schlug sie dem Pferd die Hacken ihrer Stiefel in die Flanken. Das erschreckte Tier bäumte sich auf und stürmte los, den Pfad zurück. Tief über den Hals des Pferdes geneigt, jagten sie durch die Wildnis und die Dunkelheit. Eretria schien wahre Katzenaugen zu haben. Mit sicherer und geübter Hand lenkte sie das Pferd an umgestürzten Baumstämmen vorbei, über Gräben und Furchen, schlammige Hänge hinunter und wieder hinauf. Wil klammerte sich an sie und fragte sich, ob sie den Verstand verloren hatte. Wenn das so weiterging, würden sie früher oder später stürzen.

Doch seine Befürchtung bewahrheitete sich nicht. Nur Sekunden später schwenkte Eretria vom Pfad ab und lenkte das Pferd durch eine schmale Lücke zwischen den Bäumen, die beinahe ganz zugewachsen war. Mit einem gewaltigen Satz sprang das Tier ins Unterholz, und sie gelangten auf einen Pfad — einen, den Wil auf dem Marsch zur Senke völlig übersehen hatte — und galoppierten weiter durch die dunstverschleierte Finsternis.

Als sie endlich anhielten, war die Sonne untergegangen, und die Luft war kühl geworden. Sie befanden sich jetzt wieder auf der Hauptstraße. Eretria zügelte das Pferd, tätschelte ihm den schweißfeuchten Hals und blickte mit einem schalkhaften Lächeln zurück zu Wil.

»Ich wollte dir nur zeigen, daß ich gut allein zurechtkomme. Ich brauche kein Kindermädchen.«

Wil spürte, wie sein Magen sich langsam wieder beruhigte.

»Du hast mich restlos überzeugt, Eretria. Aber warum halten wir hier an?«

»Ich wollte nur mal etwas nachsehen«, antwortete sie und schwang sich aus dem Sattel. Ihr Blick schweifte aufmerksam über den Pfad, dann runzelte sie die Stirn. »Das ist merkwürdig. Hier verlaufen keine Wagenspuren.«

Wil stieg ebenfalls vom Pferd.

»Bist du sicher?« Auch er musterte forschend die Straße; auch er fand keine Radspuren. »Vielleicht hat der Regen sie weggewaschen.«

»Der Wagen ist doch so schwer. Ganz hätte der Regen die Spuren sicher nicht weggespült.« Sie schüttelte langsam den Kopf. »Außerdem kann es nur noch schwach geregnet haben, als sie zu dieser Stelle hier kamen. Ich versteh’ das nicht, Heiler.«