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Andor blickte in das geheimnisvolle Antlitz, tief in die glitzernden schwarzen Augen, und plötzlich waren alle Zweifel verschwunden. Der Mann, der vor ihm stand, war Allanon.

»Bringt mich zu Eurem Vater. Ich möchte mit ihm sprechen.« Allanons Stimme klang leise und verschwörerisch. »Wählt einen Weg, der selten benutzt wird. Ich wünsche mein Kommen geheimzuhalten. Schnell jetzt, bevor die Wachen auftauchen.«

Andor verschwendete keine Zeit mit Widerspruch. Der Druide folgte ihm so dicht wie sein eigener Schatten, als er in Richtung zur Stadt eilte.

Bald danach kauerten sie im Schatten einer Gruppe immergrüner Büsche. Hier, an einem Ende des Schloßparks, befand sich ein kleines Seitentor.

Andor zog einen Schlüsselbund aus seiner Tasche und schob einen der Schlüssel ins Schloß, Er drehte sich mit einem kurzen, durchdringenden Knirschen, und das Schloß sprang auf.

Unter normalen Umständen wäre der Park lediglich von den Torhütern bewacht worden. In der Frühe des Tages jedoch, kurz nachdem Andor die niedergemetzelten Erwählten in ihrem Haus gefunden hatte, war auch Went mit gebrochenem Genick unter einem Busch am Rande des Südgartens entdeckt worden. Da er auf andere Weise umgekommen zu sein schien als die Erwählten, sah man zunächst keinen Anlaß, hier einen Zusammenhang zu vermuten. Dennoch war die Leibgarde des Königs beunruhigt, und man hatte zusätzliche Wachposten im Park verteilt. Dardan und Rhoe, die persönlichen Leibwächter des Königs, hatten vor der Tür zu den Gemächern des Königs Posten bezogen.

Andor hätte es nicht für möglich gehalten, daß jemand sich durch den Park zum Herrenhaus schleichen könnte, ohne von den Wächtern gesehen zu werden. Irgendwie jedoch gelang es ihnen unter der Führung des Druiden, unbemerkt das Haus zu erreichen. Allanon schien so wesenlos zu sein wie die nächtlichen Schatten, die lautlos in der Dunkelheit woben. Er sorgte dafür, daß Andor sich stets dicht an seiner Seite hielt, und so gelangten sie schließlich zu den hohen Fenstertüren des Studierzimmers des Königs. Dort hielten sie einen Augenblick inne, während der Druide an einem der durch Vorhänge verhüllten Fenster lauschte. Dann umfaßte Allanon den eisernen Riegel und drehte ihn in seiner Angel. Geräuschlos schwang die Fenstertür auf, und der Druide und der Elfenprinz traten ins Zimmer.

Eventine Elessedil, der über alte Bücher gebeugt an seinem Lesetisch gesessen hatte, sprang auf und starrte ungläubig zunächst auf seinen Sohn, dann auf den Mann, der ihm folgte.

»Allanon!« stieß er flüsternd hervor.

Der Druide schloß die Fenstertür, zog den Vorhang wieder zu und wandte sich dann um, so daß das Kerzenlicht voll sein Gesicht traf.

»Nach so langer Zeit!« Eventine schüttelte verwundert ungläubig den Kopf und trat hinter dem Tisch hervor. Erst jetzt erkannte er die Züge des hochgewachsenen Mannes klar und deutlich, und Ungläubigkeit wurde zu staunender Verwunderung. »Allanon! Ihr seid nicht gealtert! Ihr — Ihr habt Euch nicht verändert, seit —« Die Worte versagten ihm. »Wie …«

»Ich bin der, der ich immer war«, erklärte der Druide kurz. »Es muß Euch genügen, das zu wissen, Elfenkönig.«

Eventine nickte wortlos, noch immer benommen von dem so unerwarteten Erscheinen des anderen. Langsamen Schrittes kehrte er an seinen Lesetisch zurück, und die beiden Männer nahmen einander gegenüber Platz. Andor blieb stehen, unschlüssig, ob er bleiben oder sich entfernen sollte.

»Setzt Euch zu uns, Elfenprinz.« Allanon deutete auf einen dritten Sessel.

Andor setzte sich rasch, erfreut, einbezogen zu sein, gespannt, was beraten werden würde.

»Ihr wißt, was geschehen ist?« wandte sich der König an Allanon.

Der Druide nickte. »Das ist der Grund, weshalb ich gekommen bin. Ich spürte eine Bresche in der Bannmauer. Ein Wesen, das hinter dieser Mauer gefangen war, ist in diese Welt eingedrungen.

Es ist ein Wesen von sehr großer Macht. Das Auftauchen dieses Wesens —«

Aus dem Korridor hinter der Tür des Arbeitszimmers drang der schwache Klang von Schritten herüber. Augenblicklich sprang der Druide auf die Beine. Dann jedoch hielt er inne. Sein Gesicht war ruhig, als er den König anblickte.

»Niemand darf erfahren, daß ich hier bin.«

Eventine versicherte Verschwiegenheit. Er nickte nur, erhob sich aus seinem Sessel, ging rasch zur Tür und öffnete sie. Auf der Schwelle hockte Manx und wedelte zaghaft mit dem Schwanz, während er aus dunklen Augen zu seinem Herrn aufblickte. Eventine trat in den Flur hinaus und stieß auf Gael, der mit einem Teetablett herankam. Lächelnd nahm der König es ihm ab.

»Geh nach Hause und schlaf dich aus«, befahl er. Als Gael Einwände erheben wollte, schüttelte der König mit Entschiedenheit den Kopf. »Keine Widerreden! Wir haben morgen wichtige Dinge zu erledigen. Geh nach Hause. Mir kann nichts geschehen. Sage Dardan und Rhoe, daß sie Wache halten sollen, bis ich mich zurückziehe. Ich möchte niemanden sehen.«

Mit einer hastigen Bewegung wandte er sich ab und betrat wieder sein Arbeitszimmer, wobei er die Tür mit fester Hand hinter sich schloß. Manx hatte sich hereingeschlichen und beschnupperte forschend den Fremden, der am Lesetisch seines Herrn saß. Dann legte er sich, offenbar beruhigt, zufrieden am offenen Kamin nieder, senkte den grauen, zottigen Kopf auf seine Pfoten und schloß träge seine braunen Augen.

Eventine nahm wieder seinen Platz ein.

»Dann war es dieses Wesen, das die Erwählten tötete?« fragte er, den Faden des Gesprächs erneut aufnehmend.

Der Druide nickte. »Ja, ich glaube es zumindest. Ich spürte die Gefahr, die den Erwählten drohte, und eilte so rasch ich konnte herbei.

Leider nicht schnell genug, um sie zu retten.«

Eventine lächelte traurig. »Ich fürchte, die Schuld liegt bei mir. Ich ließ sie schutzlos, selbst nachdem mir berichtet worden war, daß der Bannspruch seine Wirkung zu verlieren drohte. Doch selbst wenn die Erwählten am Leben geblieben wären, bin ich nicht sicher, daß sie den Ellcrys hätten retten können. Die Bilder, die der Baum ihnen von dem Standort des Blutfeuers mitteilte, vermochten wir nicht zu deuten. Nicht einmal der Name, den der Ellcrys nannte, ist bekannt. Sichermal — kennt Ihr ihn?«

Allanon schüttelte verneinend den Kopf.

»Unsere Aufzeichnungen berichten nichts über Sichermal — weder die meiner Vorgänger, noch jene, die von den Erwählten gemacht wurden«, fuhr der König fort. »Ich stehe vor einer unmöglich zu lösenden Aufgabe. Der Ellcrys stirbt. Um ihn zu retten, muß einer der Erwählten, denen in diesem Jahr die Hege des Baumes obliegt, sein Samenkorn zum Blutfeuer bringen und es in seine Flammen eintauchen, um es dann der Erde zurückzugeben. Nur so ist die Wiedergeburt möglich.«

»Ich bin mit der Geschichte vertraut«, warf der Druide ungeduldig ein.

Der König errötete. Der Zorn und das Gefühl hilfloser Ohnmacht, die er bis jetzt mühsam beherrscht hatte, brachen sich gewaltsam Bahn.

»Dann haltet Euch folgendes vor Augen: Wir wissen nicht, wo das Blutfeuer zu finden ist. Nicht in einer unserer Aufzeichnungen wird der Name Sichermal je erwähnt. Die Erwählten leben alle nicht mehr. Wir haben niemanden, der das Samenkorn des Ellcrys zum Blutfeuer bringen kann. So bitter es ist, es scheint offenbar, wie diese Katastrophe enden wird. Der Ellcrys wird sterben. Die Mauern des Bannspruchs werden nicht länger standhalten. Die Mächte des Bösen werden wieder in Freiheit sein. Den Elfen und allen Rassen, die in den vier Ländern leben, droht ein Kampf, der unser aller Untergang sein wird.«

Mit einer heftigen Bewegung beugte er sich vor.

»Ich bin nur König; ein König und weiter nichts. Doch Ihr seid Druide, ein Zauberer. Wenn Ihr helfen könnt, dann tut es. Ich bin mit meiner Macht am Ende.«

Der Druide neigte den Kopf leicht zur Seite, so als überdenke er ein Problem.

»Bevor ich Euch aufsuchte, Eventine, betrat ich die Gärten des Lebens, um mit dem Ellcrys zu sprechen.«

Der König starrte ihn ungläubig an.