Выбрать главу

Die Statuette in der Hand, ging sie an ihm vorüber zu Eretria. Angst schimmerte in den Augen des Mädchens, als die Hexe zu ihr trat.

»Und was hast du mitgebracht?« klang Mallenrohs Frage durch die Stille.

Eretria war sprachlos. Verzweifelt sah sie zu Wil hinüber, dann wieder auf Mallenroh. Die Hand der Hexe glitt einmal in einer Geste, die sowohl besänftigend als auch gebieterisch war, an ihren Augen vorüber.

»Du hübsches Ding«, sagte Mallenroh lächelnd. »Hast du dich selbst mitgebracht?«

Eretrias zierlicher Körper bebte.

»Ich — nein, ich —«

»Schlägt dein Herz, für diesen da?« Mallenroh wies plötzlich auf Wil. Sie drehte sich um, um den jungen Mann anzusehen. »Sein Herz schlägt für eine andere, glaube ich. Für ein Elfenmädchen vielleicht? Ist das richtig?«

Wil nickte langsam. Ihre merkwürdigen Augen hielten die seinen fest, und ihre Worte trafen ihn bestimmt und mit Nachdruck.

»Du bist es, der die Zaubersteine bei sich trägt.«

»Die Zaubersteine?« stammelte Wil.

Ihre Hände glitten wieder unter die schwarzen Gewänder.

»Zeig sie mir.«

Ihre Stimme war so zwingend, daß Wil Ohmsford die Hand mit dem Lederbeutel öffnete, ohne zu wissen, was er tat. Sie nickte andeutungsweise.

»Zeig sie mir«, wiederholte sie.

Unfähig zu widerstehen, schüttete Wil die Elfensteine aus dem Beutel in seine offene Hand. Blitzend und schimmernd lagen sie da. Mallenroh hielt den Atem an, und eine Hand näherte sich den Steinen.

»Elfensteine«, sagte sie leise. »Blau für den Suchenden.« Ihre Augen begegneten denen Wils. »Sollen sie dein Geschenk an mich sein?«

Wil versuchte zu sprechen, doch die Kälte in seinem Inneren lahmte ihn, und keine Worte kamen über seine Lippen. Er war nicht einmal imstande, seine Hand zurückzuziehen. Mallenrohs Augen blickten tief in die seinen; was er dort sah, entsetzte ihn. Sie wollte ihn wissen lassen, was sie ihm antun konnte.

Die Hexe trat zurück.

»Wisp«, rief sie.

Aus den Schatten kam ein kleines, buschig behaartes Geschöpf hervorgesprungen, einem Irrwisch ähnlich, mit dem Gesicht eines uralten Mannes. Der kleine Wicht dribbelte eilig zu Mallenroh hin und blickte diensteifrig zu dem kalten Gesicht auf.

»Ja, Dame. Wisp dient nur Euch.«

»Hier sind Geschenke…« Sie lächelte schwach, und ihre Stimme verlor sich in der Stille.

Stumm reichte sie Wisp die kleine Holzstatuette, die sie selbst zeigte, dann trat sie ein paar Schritte zur Seite und blieb wartend vor Hebel stehen. Wisp eilte ihr nach und kauerte sich in die Falten ihres Umhangs.

»Alter Mann«, sprach sie Hebel an, und ihr bleiches Gesicht neigte sich dem seinen entgegen. »Was soll ich mit dir tun?«

Hebel schien wieder zu klarem Verstand gekommen zu sein. Der Blick seiner Augen war nicht mehr geistesabwesend, als er die Hexe rasch ansah und dann wieder wegblickte.

»Mit mir? Ich weiß nicht.«

Ihr Lächeln war hart.

»Vielleicht solltest du hier in der Senke bleiben?«

»Es spielt keine Rolle«, erwiderte er, als spüre er irgendwie, daß die Hexe mit ihm ohnehin tun würde, wie ihr beliebte. Dann blickte er auf. »Aber die jungen Elfen, Mallenroh. Helft ihnen. Ihr könntet —«

»Ihnen helfen?« fiel sie ihm ins Wort.

Der alte Mann nickte. »Wenn Ihr wollt, daß ich bleibe, so werde ich es tun. Mich erwartet nichts mehr. Aber laßt die jungen Elfen gehen. Gebt ihnen die Hilfe, die sie brauchen.«

Sie lachte leise. »Vielleicht kannst du etwas tun, um ihnen zu helfen, alter Mann.«

»Aber ich habe schon alles getan, was ich kann …«

»Vielleicht nicht. Wenn ich dir sagte, daß du noch etwas tun kannst, wärst du dann bereit, es zu tun?«

Ihre Augen fixierten den alten Mann. Wil sah, daß die Hexe nur mit ihm spielte.

Hebel machte ein unsicheres Gesicht.

»Ich weiß nicht.«

»Natürlich weißt du es«, entgegnete sie mit gesenkter Stimme. »Sieh mich an.« Sie hob den Kopf. »Sie sind deine Freunde. Du willst ihnen doch helfen, nicht wahr?«

Wil war völlig verzweifelt. Irgend etwas Schreckliches war da im Gange, doch er konnte sich weder regen noch sprechen, um Hebel zu warnen. Flüchtig sah er Eretrias verängstigtes Gesicht. Auch sie witterte die Gefahr.

Auch Hebel spürte sie. Doch er spürte auch, daß er ihr nicht entrinnen könne. Sein Blick traf den der Hexe.

»Ich möchte ihnen helfen.«

Mallenroh nickte. »Dann sollst du es tun, Alter.«

Sie hob die Hand, um sein Gesicht zu berühren. In den Augen der Hexe sah Hebel, was aus ihm werden würde. Drifter fletschte plötzlich die Zähne und sprang auf, doch Hebel packte ihn und hielt ihn fest. Die Zeit des Widerstands war vorüber. Sachte streichelten die Finger der Hexe die bärtige Wange des alten Mannes, und sein ganzer Körper schien plötzlich zu erstarren. Nein! wollte Wil schreien, doch es war zu spät. Mallenrohs Umhang umfing Hebel und Drifter, und sie waren verschwunden. Einen Moment lang umhüllte sie der Umhang, dann fiel er wieder auseinander. Mallenroh stand allein. In der einen Hand hielt sie ein vollendet geschnitztes kleines Standbild des alten Mannes mit seinem Hund.

»Auf diese Weise hilfst du ihnen am meisten.« Sie lächelte kalt.

Sie reichte die kleine Figur an Wisp weiter, der sie an sich nahm. Dann wandte sie sich an Eretria. »So, und was soll ich nun mit dir anfangen, du Hübsche?« flüsterte sie.

Sie hob die Hand, und streckte einen Finger in die Höhe. Eretria wurde in die Knie gezwungen und senkte tief den Kopf. Die Finger winkten, und Eretria streckte der Hexe die Hände in einer Geste der Unterwerfung entgegen. Tränen rannen ihr über das Gesicht. Mallenroh betrachtete sie einen Moment lang ohne etwas zu sagen, dann blickte sie plötzlich auf Wil.

»Möchtest du, daß auch aus ihr eine Holzfigur wird?« Ihre Stimme hatte eine Schärfe, die Wil durch Mark und Bein ging. Noch immer konnte er nicht sprechen. »Oder vielleicht aus dem Elfenmädchen? Du weißt natürlich, daß es bei mir ist.«

Sie wartete nicht auf die Erwiderung, die er, wie sie wohl wußte, nicht geben konnte. Sie trat einige Schritte näher an ihn heran, und ihre hochgewachsene Gestalt neigte sich zu ihm hinunter, bis ihr Gesicht dem seinen ganz nahe war.

»Ich wünsche die Elfensteine, und du wirst sie mir geben. Du wirst sie mir zum Geschenk machen, Elf, denn ich weiß, wenn sie dir mit Gewalt genommen werden, dann sind sie nutzlos.« Ihre Augen brannten sich in die seinen. »Ich möchte ihre Zauberkraft haben, verstehst du? Ich weiß ihren Wert weit besser zu schätzen als du. Ich bin älter als diese Welt und ihre Waffen, älter als die Druiden, die in Paranor mit Zauberkräften spielten, die längst von meiner Schwester und mir gemeistert wurden. Und so ist es auch mit den Elfensteinen. Zwar fließt in mir kein Elfenblut, doch mein Blut ist das Blut aller Rassen, und daher ist es mir gegeben, mich ihrer Kräfte zu bedienen. Dennoch kann nicht einmal ich das Gesetz brechen, das ihre Kräfte wirksam macht. Die Elfensteine müssen freiwillig gegeben werden. Und so wird es auch geschehen.«

Ganz nahe kam ihre Hand seinem Gesicht, berührte es beinahe.

»Ich habe eine Schwester, Elf — Morag nennt sie sich. Seit Jahrhunderten leben wir in dieser Senke, wir, die Hexenschwestern, die letzten unserer Art. Vor langer Zeit einmal hat sie mir bitter Unrecht getan, und ich habe ihr nie vergeben. Ich hätte mich ihrer entledigt, doch wir sind einander völlig gleich an Kräften, so daß niemals die eine die andere besiegen kann. Die Elfensteine aber besitzen eine Zauberkraft, die meiner Schwester fehlt, eine Kraft, die es mir möglich machen wird, ihr Ende herbeizuführen. Morag — die verhaßte Morag! Süß ist der Gedanke, daß sie mir eines Tages dienen muß wie diese Holzmännchen! Süß ist der Gedanke, diese verhaßte Stimme zum Schweigen zu bringen. Oh, so lange habe ich darauf gewartet, mich von ihr zu befreien, Elf! So lange!«

Ihre Stimme schwoll an, während sie sprach, bis die Wörter sich an den Steinen des Turmes brachen und die tiefe Stille mit ihrem Widerhall füllten. Das schöne kalte Gesicht entfernte sich von Wil, die schlanken Arme verschränkten sich unter den schwarzen Gewändern. Wil spürte, wie ihm der Schweiß am ganzen Körper hinunterrann.