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»Sehr gut, Wisp.«

Der kleine Bursche grinste. »Sehr gut.«

Wil lächelte. »Wie lange bist du schon hier, Wisp?«

»Lange. Wisp dient der Dame.«

»Hat die Dame dich gemacht — wie sie die Holzmänner gemacht hat?«

Der kleine Irrwisch lachte.

»Holzmänner — klick, klack. Wisp dient der Dame — aber nicht aus Holz gemacht.« Seine Augen leuchteten auf. »Elf wie du.«

Wil war erstaunt. »Aber du bist so klein. Und weshalb bist du so behaart?« Er deutete erst auf seine eigenen Arme und Beine, dann auf die von Wisp. »Hat sie das gemacht?«

Der kleine Elf nickte glücklich.

»Niedlich, hat sie gesagt. Da sieht Wisp niedlich aus. Da kann er mit den Stockmännern herumtollen und spielen. Niedlich.« Er hielt inne und spähte an ihnen vorbei zu Eretria, die immer noch schlief. »Hübsches Ding.« Er wies mit dem Finger zu ihr hin. »Die Hübscheste von allen.«

»Was weißt du über Morag?« fragte Wil, ohne auf Wisps offenkundiges Interesse an Eretria einzugehen.

Wisps altes Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse.

»Bös ist Morag. Sehr bös. Eine lange Zeit lebt sie schon in der Senke, alle beide, sie und die Dame. Sie sind Schwestern. Morag im Osten, die Dame im Westen. Beide haben Holzmännchen, aber nur die Dame hat Wisp.«

»Verlassen sie jemals die Senke — Morag und die Dame?«

Wisp schüttelte den Kopf. »Nie.«

»Warum nicht?«

»Außerhalb der Senke keine Zauberkraft.« Wisp grinste verschlagen.

Das verriet Wil etwas, was er nicht vermutet hatte. Die Macht der Hexenschwestern hatte ihre Grenzen; sie reichte über die Senke nicht hinaus. Das erklärte, warum niemals jemand ihnen irgendwo im Westland begegnet war. Er schöpfte neue Hoffnung. Wenn er ein Mittel finden konnte, um aus der Senke herauszukommen …

»Warum haßt die Dame Morag so sehr?« fragte Amberle.

Wisp überlegte. »Vor langer, langer Zeit war da einmal ein Mann. Schön war er, hat die Dame gesagt. Die Dame wollte ihn für sich haben. Morag wollte ihn für sich haben. Jede wollte den Mann haben. Der Mann —« Er verklammerte die Finger seiner beiden kleinen Hände ineinander und riß sie dann mit Gewalt auseinander. »Fort war er. Tot.« Er schüttelte den Kopf. »Morag tötete den Mann. Böse Morag.«

Böse Mallenroh, dachte Wil. Damit war jedenfalls klar, wie die Hexenschwestern zueinander standen. Er beschloß herauszufinden, was Wisp sonst noch über die Senke wußte.

»Gehst du jemals aus dem Turm heraus, Wisp?« fragte er.

Das alte Gesicht verzog sich wiederum zu einem Grinsen. Es war ein Grinsen des Stolzes.

»Wisp dient der Dame.«

Wil faßte das als eine bejahende Antwort auf.

»Warst du schon mal bei der Hoch warte?« fragte er.

»Sichermal«, antwortete Wisp sogleich.

Darauf folgte ein plötzliches Schweigen. Amberle faßte Wil am Arm und warf ihm einen raschen Blick zu. Wil war so verblüfft über diese Erwiderung, daß er einen Moment lang sprachlos war. Als er sich wieder gefaßt hatte, beugte er sich vor und winkte mit gekrümmtem Finger. Wisp rückte ein bißchen näher.

»Lange, lange Tunnel, die sich durch den Berg schlängeln«, sagte Wil. »In diesen Tunneln kann man sich leicht verirren, Wisp.«

Der behaarte kleine Elf schüttelte den Kopf.

»Wisp nicht.«

»Nein?« meinte Wil ein wenig herausfordernd. »Und was ist mit der Tür aus Glas, das nicht bricht?«

Wisp dachte einen Augenblick nach, dann klatschte er aufgeregt in die Hände.

»Nein, nein, sieht nur aus wie Glas. Wisp kennt das falsche Glas. Wisp dient der Dame.«

Wil versuchte noch, diese Antwort zu entschlüsseln, als Wisp in den Hintergrund der Zelle deutete.

»Schau, das hübsche Ding, hallo, hallo!«

Wil und Amberle drehten sich herum. Eretria hatte sich auf ihrem Strohsack aufgesetzt. Endlich war sie wach. Das schwarze Haar fiel ihr in schweren Locken ins Gesicht, als sie sich mit beiden Händen den Nacken rieb. Langsam blickte sie auf, wollte etwas sagen, sah dann, wie Wil warnend die Finger auf seine Lippen drückte. Sie blickte an ihm vorbei zu Wisp, der mit einem strahlenden Grinsen auf der anderen Seite des Eisengitters kauerte.

»Hübsches Ding, hallo!« wiederholte Wisp und hob winkend die Hand.

»Hallo«, erwiderte sie unsicher. Als sie sah, daß Wil beifällig nickte, setzte sie ihr strahlendstes Lächeln auf. »Hallo, Wisp.«

»Ich will mit dir sprechen, du hübsches Ding.«

Wil und Amberle hatte Wisp völlig vergessen. Eretria stand ein wenig schwankend auf, rieb sich die Augen und gesellte sich zu ihren beiden Freunden. Flink wanderte ihr forschender Blick zur Treppe und dem Flur dahinter.

»Was spielen wir denn jetzt, Heiler?« flüsterte sie aus dem Mundwinkel. Furcht stand in ihren dunklen Augen, doch ihre Stimme zitterte nicht.

Wil wandte den Blick nicht von Wisp.

»Wir versuchen, ihn ein bißchen auszuhorchen, damit wir hier irgendwie wieder rauskommen.«

Sie nickte, dann rümpfte sie plötzlich die Nase.

»Was ist denn das für ein Geruch?«

»Räucherwerk. Ich bin zwar nicht sicher, aber ich glaube, der Rauch wirkt wie ein Schlaftrunk, wenn man ihn einatmet. Ich glaube, deshalb fühlen wir uns alle so schwach.«

Eretria wandte sich wieder Wisp zu.

»Wozu ist das Räucherwerk gut, Wisp?«

Der behaarte kleine Elf dachte nach, dann zuckte er die Schultern.

»Schöner Geruch. Keine Sorgen.«

»In der Tat«, murmelte Eretria mit einem Blick auf Wil. Dann sah sie Wisp wieder mit strahlendem Lächeln an. »Kannst du die Tür aufmachen, Wisp ?« fragte sie und wies auf die Gitterstangen.

Wisp erwiderte das Lächeln.

»Wisp dient der Dame, hübsches Ding. Ihr müßt bleiben.«

Eretria lächelte wieder. »Ist die Dame jetzt hier, im Turm?«

»Sie sucht den Dämon«, antwortete Wisp. »Sehr schlimm. Hat alle ihre Holzmännchen kaputtgemacht.« Er schnitt eine Grimasse. »Sie wird dem Dämon sehr weh tun.« Er rieb zwei Finger aneinander. »Sie wird machen, daß er verschwindet.« Dann hellten sich seine Züge auf. »Wisp könnte dir kleine Holzfiguren zeigen. Wie den kleinen Mann mit dem Hund. In der Schachtel, hübsche Dinger, so wie du.«

Er wies auf Eretria, die blaß wurde und hastig den Kopf schüttelte. »Ach nein, Wisp, besser nicht. Schwatz lieber ein bißchen mit mir.«

Wisp nickte freundlich. »Wir schwatzen nur.«

Während Wil dem Gespräch lauschte, kam ihm plötzlich ein Einfall. Er beugte sich vor und umfaßte die Eisenstangen der Zellenwand mit beiden Händen.

»Wisp, was hat die Dame mit den Elfensteinen gemacht?«

Wisp sah ihn an.

»In der Schachtel sind sie, gut aufgehoben in der Schachtel.«

»In was für einer Schachtel, Wisp? Wo hebt die Dame die Schachtel auf?«

Wisp wies uninteressiert zum dunklen Korridor, während er unverwandt Eretria anstarrte.

»Schwatz mit mir, hübsches Ding«, bat er.

Wil sah Amberle an und zuckte die Schultern. Sehr erfolgreich war er nicht in seinen Bemühungen, Wisp auszuhorchen. Der kleine Bursche interessierte sich ausschließlich für Eretria.

Das Mädchen kreuzte die Beine und wippte ein wenig hin und her.

»Würdest du mir die hübschen Steine zeigen, Wisp? Könnte ich sie sehen?«

Wisp sah sich verstohlen um.

»Wisp dient der Dame. Wisp ist treu.« Er schwieg und überlegte. »Wisp kann dir die Holzfiguren zeigen, hübsches Ding.«

Eretria schüttelte den Kopf.

»Nein, Wisp, schwatzen wir lieber. Warum mußt du hier in der Senke bleiben? Warum gehst du nie von hier fort?«

»Wisp dient der Dame.« Wisp wiederholte eifrig diese, seine Lieblingsantwort, und sein Gesicht wurde unruhig. »Geht niemals aus der Senke fort. Kann nicht fortgehen.«

Irgendwo hoch oben im Turm ertönte ein Glockenschlag, dann war es wieder still. Hastig sprang Wisp auf.

»Die Dame ruft«, erklärte er Wil, den Blick schon zur Treppe gerichtet.

»Wisp!« rief Wil ihm nach. Der kleine Bursche blieb stehen. »Wird die Dame uns fortgehen lassen, wenn ich ihr die Elfensteine gebe?«

Wisp schien nicht zu verstehen. »Fortgehen?«