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Ihre Stimme überschlug sich vor Erregung. Die anderen beobachteten sie, wie sie durch den Dämmerschein der Höhle humpelte, die gespreizten Finger wie Fühler ausgestreckt.

Eretria eilte zu Wil. Sie hielt noch immer Wisp an der Hand, der sich hinter ihr zusammenkauerte.

»Heiler, was soll das —?«

Er hob die Hand, um ihr Schweigen zu gebieten. Langsam schüttelte er den Kopf und sprach kein Wort. Sein Blick blieb auf das Elfenmädchen gerichtet. Sie war jetzt zu einem der höherliegenden Simse der Höhle emporgestiegen, einem kleinen Felssockel, der sich beinahe in der Mitte der Steinkammer erhob. Unter Schmerzen hinkte sie vorwärts. Am anderen Rand des Sockels lag ein großer Felsbrocken. Bis dorthin schleppte sich Amberle, dann blieb sie stehen. Leicht vorgeneigt streckte sie die Hände abwärts und strich über das rauhe Gestein des Felsens.

»Hier.« Das Wort war nur ein Hauch.

Wil wollte zu ihr, rannte durch die Höhle, sprang zu dem Sims hinauf. Augenblicklich drehte sich Amberle nach ihm um.

»Nein! Nicht näher, Wil!«

Wil blieb stehen. Etwas in ihrem Ton zwang ihn stehenzubleiben. Wortlos sahen sie einander im düsteren Licht der Höhle an. In den Augen des Elfenmädchens stand ein Ausdruck von Verzweiflung und Furcht. Noch einen Moment hielten sie die seinen fest, dann wandte sie sich wieder ab. Zierlich und schlank lehnte sie sich gegen den Felsen. Als sei er nur aus Papier, rollte der Brocken davon.

Weißes Feuer barst aus der Erde hervor. Aufwärts schoß es zum Dach der Höhle, und seine Flammen glitzerten wie flüssiges Eis. Weiß und funkelnd brannte es, und gab doch keine Hitze ab. Dann nahm es langsam die Farbe von Blut an.

Überrascht und erschreckt taumelte Wil Ohmsford zurück, ohne im ersten Augenblick zu gewahren, daß Amberle im gleißenden Feuer verschwunden war. Dann hörte er hinter sich die Entsetzensschreie Wisps.

»Verbrennen! Wisp wird verbrennen!« Das dünne Stimmchen wurde zu einem Kreischen. Das Greisengesicht verzerrte sich in panischer Angst, während das Feuer die Höhle mit rotem Licht durchflutete.

»Die Dame, die Dame, die Dame — brennt — sie brennt! Wisp — Wisp dient — er dient — er brennt!«

Er hatte völlig den Verstand verloren. Mit einem Ruck riß er sich von Eretria los und stürzte schreiend und kreischend aus der Höhle. Hebel wollte ihn packen, verfehlte ihn aber.

»Wisp, komm zurück!« rief Eretria ihm nach. »Wisp!«

Doch es war zu spät. Sie hörten, wie er durch den Wasserfall stürmte, und dann war er fort. Im scharlachroten Glanz des Blutfeuers sahen die drei, die zurückgeblieben waren, einander wortlos an.

47

Im nächsten Augenblick wurde Wil Ohmsford gewahr, daß er Amberle nicht mehr sehen konnte. Zuerst zauderte er, da er glaubte, seine Augen spielten ihm Streiche, das Feuer verberge sie in seinem Spiel aus scharlachrotem Licht und zuckenden Schalten. Er glaubte, sie müsse immer noch dort auf dem Felssockel stehen, wo sie eben gestanden hatte. Doch wenn das zutraf, wie kam es dann, daß er sie nicht sehen konnte? Er wollte gerade zum Blutfeuer laufen, um sich Gewißheit zu verschaffen, da hörten sie alle drei den Schrei — schrill und schrecklich gellte er durch die Stille. »Wisp!« flüsterte Eretria voller Entsetzen. Sie war schon auf dem Weg zum Tunnel, als Wil sie einholte und rasch zurückriß zum Feuer. Hebel folgte ihnen, eine Hand in Drifters zottigem Fell. Der große Hund knurrte warnend. Dann vernahmen sie, wie etwas durch den Wasserfall glitt. Nicht Wisp, das wußte Wil. Dies war ein anderer; ein Wesen, das viel größer war als Wisp. Das war dem Geräusch zu entnehmen. Und wenn es nicht der kleine Irrwisch war, dann … Drifters Nackenhaare sträubten sich, und der Hund kauerte sich knurrend nieder. »Hinter mich!« Wil winkte Eretria und den alten Hebel zurück.

Schon griff Wil unter seinen Kittel und riß den Beutel heraus, in dem die Elfensteine lagen. Während er bis zum Rand des Felssockels zurückwich, auf dem das Blutfeuer loderte, zog er den Beutel auf. Die Augen unverwandt auf den Eingang zur Höhle gerichtet, holte er die Elfensteine hervor.

Es war der Raffer.

Sein Schatten fiel düster in die Höhle, so lautlos wie der wandernde Mond. Der Raffer bewegte sich wie ein Mensch, doch er war größer und massiger als ein gewöhnlicher Sterblicher, ein gewaltiges, unheimliches Wesen, größer noch als Allanon. Nichts war von ihm zu sehen außer den Gewändern und der Kapuze von der Farbe feuchter Asche, die ihn völlig vermummten. Als er aus dem Gang in die Höhle glitt, übergoß ihn das brennend rote Licht des Feuers wie Blut.

Eretrias Schreckensschrei durchschnitt die Stille. Von einer großen, grausamen Krallenhand hing der leblose kleine Körper Wisps herab.

Augenblicklich zog Eretria den gekrümmten Dolch. Aus den schwarzen Schatten seiner Kapuze starrte der Raffer sie an, gesichtslos, ohne Erbarmen. Wil spürte die Eiseskälte, die ihn umgab, kälter noch als in jenem Augenblick, da er zum ersten Mal Mallenroh begegnet war. Er spürte das absolute Böse in der Gegenwart des Dämonen. Er dachte an seine Opfer, an die Elfenwachen im Drey-Wald, an Crispin, Dilph und Katsin auf dem Pykon, an Cephelo und die Fahrensleute am Heulekamm — alle waren sie von diesem Ungeheuer vernichtet worden. Und jetzt trachtete es ihnen nach dem Leben.

Er begann zu zittern. Die Angst in ihm war so heftig, daß sie wie etwas Lebendiges war. Er konnte den Blick nicht von dem Dämon wenden, brachte es nicht fertig wegzusehen, obwohl alles in ihm danach schrie. Das Gesicht Eretrias, die an seiner Seite stand, war grau vor Entsetzen, und ihre dunklen Augen sahen immer wieder zu Wil hin. Hebel wich noch einen Schritt weiter zurück, und Drifters Knurren wurde zu einem angstvollen Winseln.

Geschmeidig und lautlos wie ein Gespenst trat der Raffer durch dieÖffnung in das Innere der Höhle. Wil Ohmsford nahm seine ganze Kraft zusammen. Er hob die Hand, die die Elfensteine hielt. Der Raffer verharrte. Die gesichtlose Kapuze hob sich ein wenig. Doch nicht Wil hatte den Raffer veranlaßt zu zögern. Das blutrote Feuer, das hinter ihm loderte, ließ das Ungeheuer zaudern. Etwas an diesem Feuer verwirrte und störte den Raffer. Reglos betrachtete der Dämon die blutroten Flammen, die aus der glatten Fläche des Felssockels züngelnd zur Decke der Höhle emporstiegen. Das Feuer schien nicht zu drohen. Es brannte ruhig, kühl, rauchlos und beständig, ohne Spuren zu hinterlassen. Noch einen Augenblick wartete der Raffer, um das Feuer aufmerksam zu betrachten. Dann setzte er sich wieder in Bewegung.

Die Träume fielen Wil Ohmsford in diesem Augenblick wieder ein, die Träume, die seinen Schlaf in Havenstead und später in der Festung auf dem Pykon heimgesucht hatten; die Träume von dem Ungeheuer, das ihm durch Nacht und Nebel nachjagte, und dem er nicht entkommen konnte. So wie damals im Schlaf überfielen ihn jetzt die Träume, und all die Gefühle, die ihn gequält hatten, wurden wiedergeboren, doch intensiver und beängstigender. Es war der Raffer gewesen, der ihn verfolgt hatte, gesichtslos ihm nachgesetzt hatte von einer Traumwelt in die andere, immer nur einen Schritt entfernt — der Raffer, der jetzt aus den bösen Träumen in die Wirklichkeit getreten war. Diesmal jedoch gab es kein Entfliehen, kein Verstecken, kein Erwachen. Diesmal gab es kein Entkommen.

Allanon! Hilf mir!

Wil zog sich tief in sich selbst zurück und fand in einem Meer der Angst die Worte des Druiden wieder. Glaube an dich selbst. Glaube! Habe Vertrauen. Auf dich vor allen anderen verlasse ich mich. Ich verlasse mich auf dich.

Er raffte die Worte an sich. Mit ruhiger Hand beschwor er die Zauberkraft der Elfensteine. Tief tauchte er in den Zauber der Steine ein, spürte, wie er durch Schichten tiefblauen Lichtes sank. Sein Blick schien sich zu verschleiern, während er fiel, und der scharlachrote Schein des Blutfeuers schien dagegen fahl und grau zu werden. Fr war jetzt nahe, ganz nahe. Er konnte das Feuer der Kraft spüren, die den Elfensteinen innewohnte.

Und dennoch, es geschah nichts.

Wil geriet in Panik, und einen endlos langen Augenblick überwältigte ihn die Angst mit solcher Macht, daß er nahe daran war, einfach davonzulaufen. Nur das Wissen, daß er ja doch nicht entfliehen konnte, ließ ihn standhaft ausharren. Die Schranke in seinem Inneren sperrte immer noch genauso wie nach der Begegnung mit dem Dämon im Tirfing —, und sie würde immer in ihm sein, weil er nicht der wahre Meister der Elfensteine war, nicht ihr rechtmäßiger Besitzer, sondern nur ein einfältiger Talbewohner, der sich in seinem Hochmut eingebildet hatte, er könnte mehr sein als er wirklich war.