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Bis zu diesem Augenblick. Jetzt begriff er die Natur der Schranke, die ihm das Tor zur Kraft der Elfensteine verschloß. Es war die Angst — und mit ihr konnte er vielleicht fertig werden.

Wieder tauchte er tief in sich ein, bewußt und entschlossen, um Herz, Geist und Körper, Bereitschaft, Gedankenkraft und Körperkraft, im Hinblick auf ein einziges Ziel zu vereinigen. Einfach war es nicht. Die Angst war immer noch da. Wie eine Mauer stand sie vor ihm auf, wollte ihn zurückdrängen, seine Entschlossenheit brechen. So stark war sie, daß Wil einen Moment lang glaubte, er könne es nicht bewirken.

Eine Gefahr lag in seinem Gebrauch der Elfensteine, eine Gefahr, die er weder sehen noch berühren, weder bestimmen noch begreifen konnte. Sie war da, wirklich und greifbar, und sie konnte Körper und Seele nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen. Sie konnte ihn vernichten. Schlimmer, sie konnte ihn am Leben lassen. Es gab Dinge, die schrecklicher waren als das Sterben…

Er kämpfte. Er dachte an seinen Großvater. Als Shea Ohmsford das Schwert von Shannara gebraucht hatte, hatte eine Gefahr gedroht, die der Talbewohner zwar gespürt, aber nicht verstanden hatte. Das hatte er Wil erzählt. Doch nur die Zauberkraft des Schwertes hatte Rettung bringen können, und sein Großvater hatte die einzig mögliche Entscheidung getroffen. Und so stand es jetzt auch um Wil. Er stand Auge in Auge mit einer Notwendigkeit, hinter der seine eigenen Bedürfnisse zurücktreten mußten. Ihm war eine besondere Waffe in die Hand gegeben; ihm war es gegeben, Leben zu retten, die kein anderer retten konnte.

Er stürzte sich tief in das blaue Licht der Elfensteine, und die Angst zerfloß vor ihm. Der Mensch wich dem Elf, und die gewaltige Kraft der Steine schoß in ihm empor.

Vergangenheit und Gegenwart rissen auseinander, und die Sekunden waren verflogen.

Eretria!

Der Raffer war in Bewegung, sprang lautlos durch die rote Glut des Blutfeuers auf das Mädchen zu. Wil hob die Elfensteine, und ihr Feuer schoß aus seinen Händen hervor. Es traf den Raffer mit solcher Gewalt, daß der Dämon gegen die Mauern der Höhle geschleudert wurde.

Kein Geräusch war zu hören, als der Raffer gegen die Mauer schlug, und seine Gewänder am Fels in sich zusammenfielen. Doch im nächsten Moment schon war der Dämon wieder auf den Beinen und wollte sich auf den Talbewohner stürzen. Nie hätte Wil es für möglich gehalten, daß ein so massiges Wesen so schnell und behende sein konnte. Noch bevor er sich’s versah, tauchte der Raffer mit krallenden Klauenhänden vor ihm auf. Wieder sprang das blaue Feuer aus den Elfensteinen und traf mit zuckendem Strahl den Dämon, so daß dieser erneut zurücktaumelte. Und wieder herrschte tiefste Stille. Wil spürte diesmal das Feuer in seinem Körper. Als wäre es sein Lebensblut, pulste es in ihm. Es war das gleiche Gefühl wie damals im Tirfing. Etwas war mit ihm geschehen — etwas, das nicht unbedingt wünschenswert —war.

Doch es blieb keine Zeit, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. In einem lautlosen Angriff schoß die aschgraue Gestalt des Raffers durch das flackernde Zwielicht. Feuergarben aus den ausgestreckten Händen des Talbewohners, doch diesmal war der Raffer schneller. Er wich den züngelnden Flammen aus und stürmte weiter vor. Wieder versuchte Wil, ihn aufzuhalten, wieder mißlang es. Er wich wankend zurück, während er wie ein Rasender den Elfenzauber zu beschwören suchte, doch seine Konzentration war durchbrochen, und das Feuer drohte zu erlöschen. Der Raffer sprang durch die dünnen Flammen hindurch. Im letzten Augenblick erst gelang es Wil, die Flammen wie einen Schild vor sich zu sammeln. Dann warf sich der Raffer schon auf ihn und schleuderte ihn heftig zur Seite. Wil stürzte, schlug hart mit dem Kopf auf dem Steinboden auf. Flüchtig glaubte er, er würde ohnmächtig werden. Die Krallen des Raffers schlugen wild in die blauen Flammen in dem rasenden Bestreben, ihn zu erreichen. Doch Wil wehrte sich gegen Schwindel und Schmerz, kämpfte sie nieder, und der Zauber der Elfensteine blieb lebendig. In ohnmächtiger Wut sprang der Raffer zurück und tänzelte lautlos davon.

Benommen raffte sich Wil auf. Sein Körper schmerzte von der Gewalt des Angriffs durch den Raffer, und vor seinen Augen tanzten bunte Kreise. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich aufrecht zu halten. Die Dinge entwickelten sich ganz anders, als er erwartet hatte. Er hatte geglaubt, das Schlimmste sei vorüber, als es ihm endlich gelungen war, die Schranke in seinem Inneren zu durchbrechen und den Elfenzauber freizusetzen; er hatte geglaubt, nun endlich eine Waffe zu besitzen, welcher der Raffer nichts entgegenzusetzen hatte. Doch jetzt war Wil dessen nicht mehr so sicher.

Dann fiel ihm Eretria ein. Wo war Eretria? In seinem Inneren zuckte das Elfenfeuer wie ein eingesperrtes Wesen. Einen schrecklichen Moment lang hatte er Angst, daß er die Beherrschung über es verloren hatte. Und in diesem Augenblick griff der Raffer wieder wütend an. Geräuschlos und blitzschnell tauchte er aus den Schatten, sprang in den glühenden Schein des Blutfeuers und stürzte sich auf Wil. Beinahe wie von selbst flammte der Elfenzauber zwischen den beiden Widersachern auf, schoß in blendendem Strahl empor, so daß beide von dem schmalen Sims stürzten. Wil, der darauf nicht vorbereitet gewesen war, wurde gegen die Höhlenmauer geschleudert. Seine Rippen und der Ellbogen seines freien Arms zerbrachen wie dürres Holz, als er gegen den Fels geworfen wurde. Betäubender Schmerz durchzuckte ihn, und bald spürte er den Arm gar nicht mehr.

Irgendwie kam er wieder auf die Beine, blieb, gegen die Mauer gelehnt, stehen. Gegen den Schmerz und die Wellen von Übelkeit ankämpfend, die ihn zu übermannen drohten, rief er laut nach Eretria. Das Mädchen flog aus den Schatten, erreichte ihn kaum einen Schritt vor dem Raffer. Mit einem lautlosen Satz sprang der Dämon auf sie zu, so blitzschnell diesmal, daß Wil keine Zeit mehr blieb, etwas zu tun. Das Ungeheuer hätte sie überwältigt, wäre nicht Drifter gewesen. Von allen vergessen, riß sich der große Hund von Hebel los und stürzte sich auf den Dämon. Der wich von der Wucht des Angriffs torkelnd zurück, als scharfe Zähne sich in seine aschgrauen Gewänder schlugen. Einen Moment lang verschwanden die beiden in den Schatten. Drifters Knurren klang tief und grimmig. Dann reckte sich die Gestalt des Raffers, er schleuderte den tapferen Hund von sich, als sei er Schmutz an seinen Händen. Drifter flog durch die Luft und prallte gegen die Höhlenmauer. Wimmernd schlug er auf dem Boden auf, dann gab er keinen Laut mehr von sich.

Doch diese wenigen Sekunden verschafften Wil die Zeit die er brauchte, um sich zu erholen. Augenblicklich hob er den Arm, und sogleich sprühten die blauen Flammen. Sie streiften den Raffer, doch wieder gelang es dem gräßlichen Ungeheuer zu entkommen, indem er behende davonsprang und hinter der Säule des Blutfeuers Schutz suchte.

Wil wartete. Seine Augen durchschweiften aufmerksam die Steinkammer. Nirgends war eine Spur des Dämons zu sehen. Angestrengt suchte er in den Schatten. Er wußte, daß das Ungeheuer wiederkommen würde. Aber er konnte es nicht entdecken. Eretria kauerte zitternd wie Espenlaub neben ihm, noch immer den Dolch in der Hand. Ihr Gesicht war verschmiert von Schmutz und Tränen. Hebel beugte sich zu Drifter hinunter und streichelte flüsternd seine Hand. Die Sekunden verrannen. Noch immer regte sich nichts.