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»Folgen!« Wil fuhr vom Kissen hoch, und sein kurzes Lachen troff von Ironie. »Was wißt denn Ihr schon von Folgen, Allanon?« Seine Stimme brach. »Wißt Ihr, was sie mir bedeutet hat? Wißt Ihr das?«

Tränen strömten ihm über das Gesicht. Er legte sich wieder hin, fühlte sich seltsam beschämt. Alle Bitterkeit war von ihm abgefallen, und die Leere, die geblieben war, schmerzte. Befangen wandte er den Blick von Allanon, und beide schwiegen sie. In der Dunkelheit des Zimmers berührte der Kerzenschein sie mit sanftem Licht.

Lange Zeit verging, ehe Wil Ohmsford den Druiden wieder anblickte.

»Nun, jetzt ist es vorbei. Sie ist nicht mehr.« Er schluckte krampfhaft. »Wollt Ihr mir wenigstens erklären, warum es so kommen mußte?«

Einen Moment lang sagte der Druide nichts, sondern saß stumm in die Schatten seiner Gewänder gehüllt. Als er dann schließlich sprach, war seine Stimme beinahe ein Flüstern.

»Dann hör mir zu, Talbewohner. Er ist ein herrliches Geschöpf — dieser Baum, der Ellcrys —, lebendiger Zauber, durch die Verschmelzung von menschlichem Leben mit Erdenfeuer geschaffen. Vor den Großen Kriegen wurde er gemacht. Die Zauberer der Elfen erschufen ihn, als die Dämonen endlich in die Enge getrieben waren und ein Mittel gefunden werden mußte, sie daran zu hindern, das Land der Elfen je wieder zu bedrohen. Die Elfen, das weißt du wohl, waren kein gewalttätiges Volk. Der Erhaltung des Lebens galt ihr Sinnen und Streben und ihr Schaffen. Selbst bei Geschöpfen, die so zerstörerisch und böse waren wie die Dämonen, kam absichtliche Vernichtung der Gattung für sie nicht in Betracht. Die Verbannung von der Erde schien ihnen die annehmbarste Möglichkeit, aber sie wußten, es mußte ein Fluch von solcher Kraft über die Bösen verhängt werden, daß seine Gesetze auch nach Tausenden von Jahren noch wirken würden. Und die Dämonen würden an einen Ort verbannt werden müssen, wo sie anderen keinen Schaden tun konnten. Da bedienten sich die Zauberer der Elfen ihrer mächtigsten Magie, jener, die das größte Opfer von allen verlangte, die freiwillige Gabe des Lebens. Dank dieser Gabe konnte der Ellcrys geschaffen und die Bannmauer der Verfemung errichtet werden.«

Er schwieg einen Moment.

»Du mußt die Einstellung der Elfen zum Leben verstehen, das Gesetz, das ihre Lebensweise bestimmt, um würdigen zu können, wofür der Ellcrys steht und warum Amberle sich entschied, zu diesem Baum zu werden. Die Elfen glauben, daß sie bei der Erde in Schuld stehen, denn die Erde ist die Schöpferin und Erhalterin allen Lebens. Ihr Leben wird ihnen gegeben; daher müssen sie Leben zurückgeben. Dies tun sie, indem sie sich dem Dienst an der Erde verschreiben, indem jeder auf seine eigene Weise dafür sorgt, daß das Land erhalten bleibt. Der Ellcrys ist nichts als eine Ausweitung dieses Dienstes an der Erde. Er ist die Verkörperung der Überzeugung, daß die Erde und die Elfen gegenseitig aufeinander angewiesen sind. Der Ellcrys ist eine Verschmelzung der Erde mit elfischem Leben, geschaffen dazu, gegen das Böse zu schützen, das beide zu zerstören trachtet. Dies begriff Amberle schließlich. Sie sah ein, daß das Westland und ihr Volk nur durch ihr Opfer gerettet werden konnten, durch ihre Bereitschaft, der Ellcrys zu werden. Sie erkannte, daß das Samenkorn, das sie bei sich trug, nur zum Leben erwachen konnte, wenn sie sich selbst aufgab und opferte.«

Er machte eine Pause und beugte sich mit einer bedächtigen Bewegung weiter vor, so daß der Schatten seiner dunklen Gestalt über Wil fiel.

»Auch der erste Ellcrys war eine Frau, Talbewohner. Der Ellcrys muß immer eine Frau sein, denn nur eine Frau kann andere ihrer Art hervorbringen. Die Zauberer sahen diese Notwendigkeit der Fortpflanzung voraus, wenn sie auch nicht vorausahnen konnten, wie häufig sie sich ergeben würde. Sie wählten eine Frau, ein junges Mädchen, das, so stelle ich mir vor, Amberle sehr ähnlich war, und sie verwandelten sie. Dann gründeten sie den Orden der Erwählten, damit stets jemand da war, den Ellcrys zu pflegen, und damit der Ellcrys, wenn die Zeit kam, die Möglichkeit hatte, eine Nachfolgerin zu wählen. Doch der Ellcrys berief, abgesehen von einer Handvoll junger Frauen, Jahrhunderte hindurch nur junge Männer zu seinen Erwählten. Die Geschichte berichtet nichts darüber, warum er das tat — und auch er selbst erinnerte sich nicht mehr des Grundes. Frauen wählte der Ellcrys nur, wenn eine Notwendigkeit dafür bestand. Vielleicht hatte es etwas mit seiner Erschaffung zur Zeit der Elfen-Zauberer zu tun. Vielleicht versprach man damals dem jungen Mädchen, das verwandelt wurde, daß junge Männer ihr zu Diensten sein würden — vielleicht bat sie darum. Ich weiß es nicht.

Jedenfalls, als der Ellcrys Amberle berief, da fürchtete er schon, daß er bald würde sterben müssen. Er war sich nicht sicher, da er ja der erste seiner Art war, und niemand etwas darüber sagen konnte, wann sein Tod nahen und wie er sich ankündigen würde. Ja, es gab viele, die überzeugt waren, der Ellcrys sei unsterblich. Es hatte andere Zeiten in seinem Leben gegeben, als er geglaubt hatte, dem Tod nahe zu sein, als er geglaubt hatte, so gefährdet zu sein, daß er die berufen mußte, die ihm folgen sollte. Jedesmal berief er eine junge Frau — das letzte Mal vor fünfhundert Jahren. Die genauen Gründe kenne ich nicht, frag mich also nicht danach. Es ist ja im Grunde auch nicht von Bedeutung.

Als Amberle zur Erwählten berufen wurde, die erste Frau seit fünfhundert Jahren, war die Verwunderung unter den Elfen groß. Doch die Berufung Amberles war von viel größerer Bedeutung als die Elfen ahnten; in ihr nämlich sah der Ellcrys seine mögliche Nachfolgerin. Und eigentlich noch mehr als das. Die weibliche Seele des Ellcrys sah in Amberle gewissermaßen ihr ungeborenes Kind. Du magst das merkwürdig finden, aber berücksichtige die Umstände. Der Baum wußte, wenn er sterben würde, dann würde er zuvor einen Samen hervorbringen, und dieser Same und Amberle würden eins werden, ein neuer Ellcrys, zum Teil wenigstens aus dem alten geboren. Im Bewußtsein dieser Tatsache wurde Amberles Wahl getroffen, und sie war notwendigerweise mit Gefühlen verbunden wie sie eine Mutter ihrem ungeborenen Kind entgegenbringt. Körperlich hatte sich die Frau, die der Ellcrys geworden war, gewandelt; ihre Seele jedoch blieb so, wie sie gewesen war. Und in Amberle spürte der Baum eine Seelenverwandtschaft. Deshalb verband beide von Beginn an eine solch ruhige Nähe.«

Wiederum schwieg er sinnend.

»Unglücklicherweise war es gerade diese Nähe, die dann zu Schwierigkeiten führte. Als ich, durch den langsamen Verfall der Bannmauer und den drohenden Durchbruch der Dämonen geweckt, zuerst nach Arborlon kam, ging ich in den Garten des Lebens, um mit dem Ellcrys zu sprechen. Er sagte mir, daß er nach der Erwählung Amberles versucht hatte, die Bande zu dem Elfenmädchen fester zu knüpfen. Er hatte es getan, weil er spürte, wie die Krankheit an ihm zu nagen begann. Er hatte erkannt, daß das Ende seines Lebens nahte; das Samenkorn, das schon damals in ihm zu wachsen begann, sollte an Amberle weitergegeben werden. Der Ellcrys wollte Amberle auf das Kommende vorbereiten, er wollte ihr etwas von der Schönheit und der Anmut und dem Frieden begreiflich machen, derer er während seines Lebens teilhaftig geworden war. Amberle sollte fähig sein zu würdigen, was es bedeutete, mit der Erde eins zu werden, über Jahrhunderte hinweg ihre Entwicklungen mitzuerleben und ihre Wandlungen — kurz, sie sollte wohl auf den Prozeß des Erwachsenwerdens vorbereitet werden, den eine Mutter kennt, ein Kind aber nicht.«

Wil nickte gedankenvoll. Er dachte an den Traum, den er und Amberle geteilt hatten, nachdem der König vom Silberfluß sie vor den Dämonen gerettet hatte. In diesem Traum hatten sie einander gesucht — er war durch einen heiteren Garten geirrt, dessen Schönheit ihm den Atem geraubt hatte; sie hatte in Finsternis nach ihm gerufen, doch nie eine Antwort bekommen. Beide hatten sie nicht verstanden, daß dieser Traum eine Prophezeiung gewesen war. Beide hatten sie nicht verstanden, daß der König vom Silberfluß ihnen erlaubt hatte, einen Blick in die Zukunft zu werfen, die das Schicksal für sie bereithielt.