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Er trat über die Schwelle und befand sich in der Feuerkammer der Burg, einem runden, höhlenartigen Raum, in dem ein schmaler Fußsteg rund um eine tiefe, dunkle Grube herumführte. Ein niedriges Eisengitter begrenzte den Rand der Grube. In die Mauer der Feuerkammer waren mehrere massive Holztüren mit eisernen Schlössern und Beschlägen eingelassen, alle verschlossen und verriegelt.

Der Druide trat zu dem niedrigen Gitter und spähte im Schein der Fackel in die Grube hinunter. Das schwache Licht des Feuers tanzte flackernd über geschwärzte Mauern, die mit Asche und Ruß verkrustet waren. Die Feuerkammer war jetzt kalt; die Vorrichtung, die einst die Hitze zu den Türmen und Sälen der Burg hinaufgepumpt hatte, ruhte. Aber tief unten, jenseits des blassen Fackelscheins, unter schweren eisernen Zugklappen, brannten die natürlichen Feuer der Erde. Selbst jetzt war das Zucken und Knistern der Flammen wahrnehmbar.

Er erinnerte sich eines anderen Tages. Vor mehr als fünfzig Jahren war er aus dem Zwergendorf Culhaven nach Paranor gekommen. Freunde hatten ihn begleitet — die Brüder Ohmsford, Shea und Flick; Balinor Buckhanna, der Prinz von Callahorn; Menion, der Prinz von Leah; Durin und Dayel Elessedil; und der tapfere Zwerg Höndel. Sie waren hierhergekommen, um das legendäre Schwert von Shannara zu suchen, denn der Dämonen-Lord war in die vier Länder zurückgekehrt, und nur die Macht des Schwertes konnte ihn besiegen. Allanon also war mit seinen Begleitern auf die Burg zurückgekehrt, und beinahe hätte er sie nie wieder verlassen. In eben diesem Raum hatte er auf Tod und Leben mit einem der Schädelträger gerungen. Der Dämonen-Lord hatte gewußt, daß er kommen würde. Und hatte ihm eine Falle gestellt.

Mit einem Ruck hob er den Kopf und lauschte in das tiefe Schweigen hinein. Eine Falle. Das Wort beunruhigte ihn; es weckte einen Instinkt, einen sechsten Sinn der Warnung. Etwas war nicht so, wie es sein sollte. Etwas …

Unschlüssig verharrte er einen Moment lang. Dann wurde er wieder ruhig. Das war töricht. Es war die Erinnerung, die ihn beunruhigte, weiter nichts.

Die Fackel hoch erhoben, schritt er den Steg entlang, bis er eine enge Wendeltreppe erreichte, die nach oben führte. Ohne einen Blick zurück schritt er eilig die Stufen hinauf und trat in die oberen Gemächer der Druidenfestung.

Alles war so, wie es vor fünfzig Jahren gewesen war. Sternen-licht fiel in zarten silbernen Streifen durch die hohen Fenster und strich über die hölzernen Paneele und schimmernden Balken, welche die hohe gewölbte Decke des Korridors trugen. Gemälde und Wandteppiche, deren satte Farben im Abendlicht zu sanften Grau- und tiefen Blautönen gedämpft wurden, schmückten den breiten Gang. Standbilder aus Stein und Eisen wachten stumm und unbewegt vor schweren Türen mit blitzenden Messinggriffen. Und überall lag der Staub wie ein dicker, weicher Teppich, und lange, zarte Girlanden aus Spinnweben fielen von der Decke zum Marmorboden hinunter.

Langsamen Schrittes ging Allanon durch den Korridor, und das Licht seiner Fackel brannte Löcher in den Dunst modriger Luft, die schwer und lastend überall in den Sälen und Gemächern hing. Alles war erfüllt von einem tiefen, durchdringenden Schweigen. Das Echo seiner Schritte klang gespenstisch durch die Hallen, und kleine Staubwölkchen quollen bei jedem Schritt hinter ihm in die Höhe. Vorüber ging es an Türen, die alle geschlossen waren und deren Metallbeschläge wie Feuer aufblitzten, wenn das Licht der Fackel sie traf.

Der Gang kreuzte sich mit einem anderen, und hier wandte sich Allanon nach rechts. Beinahe bis zum Ende des Korridors ging er, bis er schließlich vor einer ziemlich kleinen Tür aus weißem Eichenholz und Eisen den Schritt verhielt. Ein schweres Schloß sicherte diese Tür. Der Druide wühlte in dem Beutel an seinem Gürtel und zog einen großen eisernen Schlüssel heraus. Er schob ihn in das Schloß und drehte ihn zweimal um. Das rostige Metall knirschte protestierend, doch der Riegel sprang zurück. Die eiserne Klinke gab nach. Allanon trat über die Schwelle und schloß die Tür hinter sich.

Der Raum, in dem er sich nun befand, war klein und fensterlos. Früher einmal hatte er als Studierzimmer gedient. Regale mit verstaubten, in Leinen gebundenen Büchern standen an allen vier Wänden. Die Farben der Einbände waren längst verblaßt, die Seiten staubtrocken und vergilbt. Der Tür gegenüber standen zwei kleine Lesetische an der Wand und Stühle davor, die aus Rohr geflochten waren. So steif und unnahbar standen sie da wie zwei strenge Wachposten. Näher an der Tür warteten zwei einladender wirkende Ledersessel. Ein alter handgewebter Teppich bedeckte die Holzdielen, die mit Eisennägeln verankert waren.

Der Druide ließ den Blick nur flüchtig durch den kleinen Raum wandern, um dann an die Mauer zu seiner Linken zu treten. Hinter den Büchern am Ende des dritten Bords fanden seine Finger zwei große Eisenknöpfe. Als er diese berührte, schwenkte ein Teil des Bücherregals lautlos nach außen. Er schob es noch ein wenig weiter auf, um sich durch die Lücke hindurchzwängen zu können, dann zog er die Verkleidung wieder hinter sich zu.

Er stand in einem Gewölbe, das aus massigen Granitblöcken errichtet war. Ritzen und Spalten zwischen den ineinandergreifenden Quadern waren mit Mörtel verstrichen. Abgesehen von einem langen Holztisch und einem halben Dutzend hochlehniger Stühle war die Steinkammer leer und fensterlos. Und die einzige Tür war die, durch die Allanon soeben eingetreten war. Die Luft in dem Gemach stand muffig.

Mit der Flamme in seiner Hand entzündete Allanon die Fackeln, die zu beiden Seiten der Tür in Wandhaltern steckten sowie dicke Kerzen, die auf dem Tisch standen. Als das getan war, trat er an die Mauer rechts von der Tür und ließ seine Hände leicht über den glatten Stein gleiten. Nach einer Weile drückte er Finger und Daumenspitzen fest gegen den Granit, wölbte beide Hände nach außen und senkte den Kopf in tiefer Konzentration. Zunächst geschah nichts, dann aber breitete sich plötzlich von seinen Fingern ein tiefblaues Glühen aus und durchzog den Stein in blau schimmernden Adern. Einen Augenblick später stand die Wand in lautlosen blauen Flammen, und dann lösten sich Mauer und Feuer plötzlich in Luft auf.

Allanon trat zurück. Dort, wo die Granitmauer errichtet gewesen war, standen jetzt endlose Reihen dicker Bücher, auf deren Ledereinbänden kunstvoll geschwungene goldene Buchstaben schimmerten. Dieser Bücher willen war der Druide nach Paranor gekommen, denn sie bargen die geschichtlichen Aufzeichnungen der Druiden, die Gesamtheit des Wissens der alten und der neuen Welt, das man aus der Katastrophe der Großen Kriege gerettet und seit der Einberufung des ersten Druidenrats gewissenhaft zu Papier gebracht hatte.

Allanon hob den Arm und zog vorsichtig einen der schweren Bände heraus. Er war noch in gutem Zustand; das Leder war weich und biegsam, die Ränder der Seiten scharf, der Einband unversehrt. Die Zeit hatte diesen Büchern nichts anhaben können. Fünf Jahrhunderte zuvor, nach Brimens Tod, nachdem ihm klar geworden war, daß er der letzte der Druiden war, hatte er diese Kammer gebaut, um die Bücher zu schützen und den Generationen von Männern und Frauen zu erhalten, die eines Tages auf dieser Erde leben und das Wissen brauchen würden, das die Bücher enthielten. Von Zeit zu Zeit pflegte er auf die Burg zurückzukehren, um pflichtgetreu alles aufzuschreiben, was er während seiner Reisen durch die vier Länder gehört und gesehen hatte, um die Geheimnisse der Jahrhunderte festzuhalten, die sonst vielleicht auf immer verloren gehen würden. Ein großer Teil dessen, was in diesen Büchern enthalten war, befaßte sich mit den Geheimnissen der Zauberkunst, mit Kräften, die keiner, sei er nun Druide oder gewöhnlicher Mensch, je ganz zu verstehen hoffen konnte — geschweige denn praktisch anzuwenden erwägen konnte. Den Druiden war es angelegen gewesen, diese Geheimnisse vor den Menschen zu bewahren, die geneigt sein könnten, sich ihrer leichtsinnig und töricht zu bedienen, doch außer Allanon waren nun alle Druiden tot, und eines Tages würde auch er vergehen. Wer würde dann die Geheimnisse der Macht erraten? Die Frage machte Allanon schwer zu schaffen, und er hatte noch immer keine Lösung gefunden.