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»Aber natürlich«, versicherte Wil und legte eine Hand behutsam auf die Schulter seines Onkels. »Hab’ Geduld, Onkel Flick, eines Tages kehre ich zurück. Aber noch gibt es so viel zu lernen.«

»Mir geht es um dich, nicht um mich«, erklärte Flick eilig und straffte den untersetzten Körper. »Dein Großvater und ich kommen ohne dich gut zurecht, aber ich frage mich, ob du auch ohne uns auskommen kannst. Man braucht dich ja nur anzusehen. Du übernimmst dich, Wil! Du hast eine eigensinnige Ader, die dich blind dafür zu machen scheint, daß du einfach nicht alles tun kannst, was du gern tun würdest. Du bist ein normaler Mensch, genau wie alle anderen. Was muß ich denn nur tun, um dir das klarzumachen?«

Es schien so, als hätte er am liebsten noch mehr gesagt, doch er gestattete es sich nicht. »Das ist nicht die Zeit dafür.« Er seufzte. Seine Hand berührte die von Wil. »Leg dich doch jetzt hin. Wir können später miteinander sprechen, wenn du —«

Seine grauen Augen wandten sich plötzlich von Wil ab, und seine Stimme erstarb. Wil wandte sich hastig um und gewahrte eine Bewegung im Dunst — einen dunklen, einsamen Schatten. Neugierig beobachteten ihn die beiden Männer, sahen, wie er langsam Gestalt annahm. Aus dem Schatten wurde ein Pferd und ein Reiter, beide schwarz wie die Nacht. Der Reiter hing vornübergebeugt im Sattel, so als sei er zu Tode erschöpft von dem Ritt. Die dunklen Gewänder waren vom Regen durchweicht und klebten an seinem langgliedrigen Körper.

Wil erschien alles plötzlich nicht ganz geheuer. Dieser Reiter, der sichaus der Ferne näherte, war kein Stor. Er hatte keine Ähnlichkeit mit den Menschen, wie er sie kannte.

»Das kann doch nicht sein …« hörte er Flick murmeln.

Der alte Flick verstummte. Er drängte sich an Wil vorbei und trat an den Rand der Veranda. Mit ausgebreiteten Armen stützte er sich auf das regennasse Geländer. Wil trat neben ihn. Der Reiter hielt direkt auf sie zu. So stark war das Gefühl düsterer Vorahnung, das der nahende Reiter in ihm auslöste, daß der junge Mann für einen Augenblick daran dachte, die Flucht zu ergreifen.

Doch er war keiner Bewegung fähig. Er konnte nur stehen und warten und unverwandt der geisterhaften Gestalt entgegenblicken.

Vor den beiden Männern hielt der Reiter an. Sein Kopf war gesenkt, das Gesicht im Schatten einer dunklen Kapuze verborgen.

»Sei mir gegrüßt, Flick.«

Die Stimme des Reiters war ein tiefes, rauhes Flüstern. Wil bemerkte, wie sein Onkel zusammenfuhr.

»Allanon!«

Der hochgewachsene Mann glitt vom Rücken seines Pferdes, ein Arm jedoch blieb um den Hals des Tieres gelegt, als vermöchte er nicht, allein zu stehen. Wil trat einen Schritt näher und blieb stehen. Es war offensichtlich, daß irgend etwas nicht in Ordnung war.

Allanons Blick wanderte zu ihm.

»Wil Ohmsford?«

Der junge Talbewohner nickte überrascht.

»Lauf schnell und bitte die Stors, sich hier zu versammeln —« begann er und ging plötzlich in die Knie. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich zu fangen, bevor er völlig zusammenbrach.

Augenblicklich sprang Wil von der Veranda, um dem Druiden Beistand zu leisten, doch er hielt inne, als der große Mann warnend die Hand hob.

»Tu, was ich dir sage, Wil Ohmsford! Beeile dich!«

Da erst sah Wil klar und deutlich, was die Nässe des Regens bisher verborgen hatte. Allanons Gewänder waren von Blut durchtränkt. Ohne ein weiteres Wort stürzte der junge Mann die Straße hinauf zum Krankenhaus, und alle Müdigkeit fiel von ihm ab wie ein Traum, der dem Schläfer beim Erwachen entgleitet.

8

Die Stors brachten Allanon ins Krankenhaus. Wil und Flick wollten den verwundeten Druiden begleiten, doch man gab ihnen mit freundlicher Bestimmtheit zu verstehen, daß ihre Hilfe weder erforderlich noch erwünscht sei. Schweigend und rätselhaft verschwanden die Stors und der Druide in den Gängen des Krankenhauses, und die beiden Talbewohner blieben draußen im Regen zurück. Da im Augenblick keine weiteren Auskünfte über das Kommen des Druiden zu erwarten waren, wünschte Wil Ohmsford seinem Onkel gute Nacht und zog sich zurück. Am frühen Abend desselben Tages ließ Allanon den beiden Talbewohnern mitteilen, daß er sie zu sprechen wünsche. Wil nahm die Nachricht mit gemischten Gefühlen auf. Einerseits war er neugierig und gespannt darauf zu erfahren, was dem Druiden zugestoßen war. Allanon war ihm aus den Geschichten, die sein Großvater und Flick immer wieder erzählt hatten, wohl vertraut. Doch nirgends in den Berichten war von Verletzungen die Rede gewesen, die so schwer waren wie jene, die der Druide offensichtlich vor seiner Ankunft in Storlock erlitten hatte. Nicht einmal der Schädelträger, der ihn auf der Suche nach dem Schwert von Shannara in der Feuerkammer von Paranor überfallen hatte, hatte ihn so übel zugerichtet, und Wil hätte gern gewußt, was für ein schreckliches Wesen es war, das gefährlicher war als die geflügelten Kämpfer des Dämonen-Lords.

Andererseits beunruhigte ihn das Auftauchen des Druiden in Storlock. Es mochte Zufall sein, daß Allanon gerade zu einer Zeit gekommen war, als Flick und Wil sich beide im Dorf aufhielten. Es konnte Zufall sein, daß er gerade auf sie gestoßen war. Doch daran glaubte Wil nicht. Allanon war mit Bedacht zu ihnen gekommen. Aber aus welchem Grund? Und warum bat er sie nun zu dieser Zusammenkunft? Daß Allanon mit Flick sprechen wollte, konnte Wil noch verstehen; sie kannten einander und teilten gemeinsame Erinnerungen. Doch was wollte er von Wil? Der Druide kannte den jüngsten Ohmsford nicht einmal. Welches Interesse konnte Allanon an einem Zusammentreffen mit ihm haben ?

Trotz dieser Zweifel machte er sich gehorsam auf den Weg und eilte in der dichter werdenden Dunkelheit über den Dorfplatz zum Gästepavillon, wo, wie er wußte, Flick ihn erwartete. Wenn er auch hinsichtlich des Zwecks dieser Zusammenkunft äußerst mißtrauisch war, war er doch entschlossen hinzugehen. Er zählte nicht zu denen, die der Mut verläßt, wenn es brenzlich wird; außerdem konnte er sich irren. Vielleicht wollte der Druide ihm lediglich für seine Hilfe danken.

Flick wartete schon auf der Veranda des Gastepavillons, als Wil ankam. Er hatte sich fest in seinen schweren Reiseumhang vermummt und brummelte ärgerlich über das Wetter. Recht unwirsch kam er die Treppe herunter, und die beiden Männer machten sich auf den Weg zum Krankenhaus von Storlock.

»Was meinst du, was er von uns will, Onkel Hick?« fragte Wil nach einer Weile und zog dabei seinen eigenen Mantel fester um sich, um sich gegen die abendliche Kühle besser zu schützen.

»Schwer zu sagen«, brummte Flick. »Aber eines kann ich dir versichern: Jedesmal wenn er auftaucht, gibt’s Verdruß.«

»Sein Auftauchen in Storlock hat doch etwas mit uns zu tun, nicht wahr?« meinte Wil.

Flick schüttelte unsicher den Kopf.

»Sicher, ohne Grund ist er bestimmt nicht hierher gekommen. Und nur um uns Guten Tag zu sagen, hat er uns auch nicht zu sich gerufen. Ich sag’s dir, Wil, ganz gleich, was er uns mitzuteilen hat, es ist bestimmt nichts, was wir gern hören. Das weiß ich bestimmt. Es war immer so, und ich sehe keinen Grund, diesmal etwas anderes zu erwarten.« Unvermittelt blieb er stehen und blickte seinen Großneffen an. »Sei auf der Hut, Wil. Diesem Burschen kann man nicht über den Weg trauen.«

»Ich gebe schon acht, Onkel Flick, aber ich glaube nicht, daß wir uns Sorgen machen müssen«, erwiderte Wil. »Wir wissen doch beide einiges über Allanon, nicht wahr? Außerdem bist du ja dabei, um darauf zu achten, daß alles seine Ordnung hat.«

»Und genau das werde ich tun.« Flick wandte sich wieder ab und setzte den Weg fort. »Vergiß nur nicht, was ich dir gesagt habe.«

Bald darauf stiegen sie die Stufen zur Veranda des Krankenhauses hinauf und betraten das Gebäude. Es war ein langer, flacher Bau aus Stein, dessen Dach mit Lehmziegeln gedeckt war. Ein weiträumiges, behaglich eingerichtetes Foyer führte zu beiden Seiten in Gänge, die in verschiedene Trakte mündeten. Als die beiden Männer eintraten, kam ihnen einer der weißgekleideten Stors, die Aufsichtsdienst hatten, entgegen, um sie zu begrüßen. Wortlos winkte er ihnen und führte sie einen langen, leeren Gang hinunter. An seinem Ende befand sich eine geschlossene Tür. Der Stor klopfte einmal, drehte sich um und ging davon. Wil warf Flick einen Blick voller Unbehagen zu, doch der ältere Ohmsford starrte wie gebannt auf die verschlossene Tür. Stumm warteten sie.