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Der Druide nickte. »Ich will versuchen, dir das zu erklären, wenn Flick sich nur noch ein Weilchen in Geduld fassen kann. Die Geschichte der Elfen ist für dieses Gespräch nur aus einem Grunde von Bedeutung. Die Elfen waren es, die den Gedanken des Ellcrys gebaren und zum Leben erweckten. Sie waren es, die dem Baum das Leben schenkten, ihm durch die Jahrhunderte Hege und Pflege angedeihen ließen. Sein Schutz und sein Wohlergehen sind einem Orden ihrer Elfen anvertraut, die sich die Erwählten nennen. Ein Erwählter hat dem Baum jeweils ein Jahr zu dienen und dafür zu sorgen, daß es ihm wohlergeht. Am Ende dieses Jahres wird er abgelöst. So ist es seit der Erschaffung des Baumes. Nur jeweils ein Jahr des Dienstes. Die Erwählten genießen im Elfenvolk hohes Ansehen, und es gilt als eine große Ehre, zum Dienst an dem Baum ausersehen zu werden.

Damit sind wir schon in die Gegenwart gesprungen. Wie ich euch berichtet habe, siecht der Ellcrys langsam dahin. Er selbst offenbarte dies vor einigen Tagen den Erwählten. Das ist deshalb möglich, weil er ein fühlendes Wesen ist und die Fähigkeit besitzt, sich anderen mitzuteilen. Er tat den Erwählten kund, daß sein Tod unvermeidlich sei und kurz bevorstehe. Er ließ sie aber auch noch etwas anderes wissen: Die Legenden der Elfen berichten darüber, und den ersten Elfen war es noch bewußt, doch Generationen später ist es in Vergessenheit geraten — daß nämlich der Ellcrys, auch wenn er sterben muß, wie alle anderen lebenden Wesen, im Gegensatz zu ihnen wiedergeboren werden kann. Seine Wiedergeburt jedoch hängt von den Bemühungen der Erwählten ab, Einer von ihnen muß im Fall des nahenden Todes das Samenkorn des Ellcrys zum Lebensquell der Erde bringen — dem Blutfeuer. Nur ein Erwählter, erklärte der Baum, der gegenwärtig in seinem Dienst stünde, sei dazu befugt. Er zeigte den Erwählten auch, wo das Blutfeuer zu finden ist und befahl ihnen, die nötigen Vorbereitungen zu treffen, und sich auf den Weg dorthin zu machen.«

Der Druide hüllte sich eine Weile in Schweigen.

»Aber noch bevor die Erwählten den Auftrag erfüllen konnten, gelang es einigen der Bösen, die hinter der Mauer der Verfemung eingesperrt gewesen waren, sich zu befreien, da die Mauer mit dem allmählichen Verfall des Ellcrys abzubröckeln begann. Einer von ihnen schlich sich heimlich in die Elfenstadt Arborlon, wo der Ellcrys steht, und tötete die Erwählten, die er dort vorfand. Er glaubte, mit dem Tod sei jede Möglichkeit einer Wiedergeburt des Baumes verhindert. Ich traf zu spät ein, um diese schrecklichen Geschehnisse noch verhindern zu können. Aber ich sprach mit dem Ellcrys, und er eröffnete mir, daß einer aus dem Kreis der Erwählten noch am Leben sei — ein junges Mädchen, das sich nicht in der Stadt aufhielt, als die anderen getötet wurden. Ihr Name ist Amberle. Daraufhin verließ ich Arborlon, um sie zu suchen.«

Wieder beugte er sich vor, so, als könne er dadurch seinen Worten mehr Eindringlichkeit verleihen.

»Aber auch die Bösen haben von ihr Kenntnis erhalten. Einmal schon versuchten sie, mich daran zu hindern, sie zu erreichen, und es wäre ihnen beinahe gelungen. Zweifellos werden sie es wieder versuchen, wenn sich ihnen eine Chance dazu bietet. Aber sie wissen nicht, wo das Mädchen gefunden werden kann, und im Augenblick wissen sie auch nicht, wo ich mich aufhalte. Wenn ich schnell genug bin, mußte es mir möglich sein, zu ihr zu gelangen und sie sicher und wohlbehalten nach Arborlon zu bringen, noch bevor die Bösen mir wieder auf die Spur kommen.«

»Dann finde ich, daß Ihr hier im Gespräch mit uns wertvolle Zeit vergeudet«, erklärte Flick mit Entschiedenheit. »Ihr solltet längst auf dem Weg zu diesem Mädchen sein.«

Der Druide ging auf seine Worte nicht ein, obwohl seine Gesichtszüge sich verfinsterten.

»Selbst wenn es mir gelingt, Amberle nach Arborlon zu bringen, sind damit nicht alle Probleme gelöst. Ihr, als der letzten der Erwählten, wird es obliegen, das Samenkorn des Ellcrys zum Blutfeuer zu bringen. Niemand aber — auch ich nicht — weiß genau, wo dieser Lebensquell der Erde zu finden ist. Der Ellcrys wußte es früher einmal. Doch die Welt, an die er sich erinnert, gibt es nicht mehr. Er nannte den Elfen einen Namen — Sichermal. Es ist ein Name aus der alten Welt, der ihnen nichts sagt. Als ich Arborlon verließ, reiste ich zuerst nach Paranor, um in den Geschichtsbüchern der Druiden zu forschen, die nach den Großen Kriegen vom Rat zusammengestellt wurden und in denen die Geheimnisse der alten Welt aufgezeichnet sind. Es gelang mir, das Land zu finden, in dem Sichermal liegt. Doch der genaue Ort, wo das Blutfeuer sprudelt, muß erst noch von jenen entdeckt werden, die es suchen.«

Plötzlich begriff Wil Ohmsford, warum Allanon wünschte, daß er ins Westland zöge.

Er verstand es und konnte es dennoch nicht glauben.

»Amberle kann dieses Abenteuer nicht allein wagen«, fuhr Allanon fort. »Das Land, das sie aufsuchen muß, ist gefährlich — viel zu gefährlich für ein junges Elfenmädchen. Jene, denen es gelungen ist, die Mauer der Verfemung zu durchbrechen, werden weiterhin ihre Spur suchen; und wenn sie sie finden, dann hat Amberle keinen Schutz gegen sie. Aber es darf ihr nichts zustoßen. Sie ist die letzte Hoffnung ihres Volkes. Wenn der Ellcrys nicht wiedergeboren wird, wird die Mauer der Verfemung schließlich ganz einstürzen, und das Böse, das dahinter gefangen ist, wird von neuem über die Erde einbrechen. Es wird zu einem Krieg mit den Elfen kommen, in dem diese höchstwahrscheinlich unterliegen werden. Werden aber die Elfen vernichtet, so wird das Böse auch in die anderen Länder vordringen. Es wird immer mächtiger werden, wie das in der Natur dieser Wesen liegt, und am Ende wird es alle vier Rassen verschlingen.«

»Aber Ihr seid doch da, um ihr zu helfen …« begann Wil, der verzweifelt nach einem Ausweg aus dem Netz suchte, in das er verstrickt zu werden drohte.

»Nein, ich kann nicht an ihrer Seite bleiben«, versetzte Allanon.

Darauf folgte ein langes Schweigen. Allanon breitete seine Hände auf dem Tisch aus.

»Das hat seinen guten Grund, Wil Ohmsford. Ich habe dir berichtet, daß die Bösen bereits hinter der Mauer der Verfemung hervorbrechen. Der Ellcrys wird stetig schwächer werden; und in dem Maße, in dem er schwächer wird, werden die Geschöpfe, die durch seine Macht gefangengehalten werden, dreister werden. Sie werden weiterhin gegen die Mauer der Verfemung anrennen. Immer neuen wird es gelingen, sich zu befreien. Und schließlich werden sie die Mauer völlig einreißen. Wenn das geschieht, werden sie über das Elfenvolk herfallen und es vernichten. Es kann der Fall eintreten, daß dies lange vor der Entdeckung des Blutfeuers geschieht. Es kann auch sein, daß das Blutfeuer nie oder doch zu spät gefunden wird. In jedem Fall muß das Elfenvolk zum Kampf bereit sein. Einige der Geschöpfe hinter der Mauer der Verfemung jedoch besitzen große Kräfte; eines zumindest verfügt über magische Kräfte, die sich vielleicht sogar mit den meinen messen können. Dagegen sind die Elfen machtlos. Ihre eigene Zauberkraft ist ihnen auf immer abhanden gekommen. Die Druiden, die ihnen einst zur Seite standen, sind nicht mehr. Nur ich bin noch da. Wenn ich die Elfen aber im Stich lasse und mit Amberle gehe, dann sind sie wehrlos. Darum kann ich das nicht tun. Ich muß ihnen jeden mir möglichen Beistand leisten.

Aber dennoch muß jemand Amberle begleiten — jemand, der über die nötigen Kräfte verfügt, dem Bösen zu widerstehen, das sie verfolgen wird. Es muß jemand sein, bei dem man sich darauf verlassen kann, daß er sein Menschenmögliches tun wird, sie zu beschützen. Und dieser Jemand bist du.«

»Was redet Ihr da?« rief Flick voller Unmut. »Wie soll Wil gegen solche Geschöpfe etwas ausrichten können, die beinahe sogar Euch vernichtet hätten? Ihr wollt doch nicht etwa, daß er zum Schwert von Shannara greift?«