Выбрать главу

Wil nickte langsam. »Ich vermute, irgend etwas hat es notwendig gemacht.«

Enttäuschung und Sorge spiegelten sich in Flicks Augen.

»Es ist noch nicht zu spät, dir deinen Entschluß in dieser Sache noch einmal zu überlegen«, flüsterte er rauh und hätte noch mehr gesagt, wenn Wil nicht mit einem Kopfschütteln abgewehrt hätte. »Also gut. Ich werde deinem Großvater berichten, was geschehen ist. Ich bin überzeugt, es wird ihm ebensowenig gefallen wie mir. Sei vorsichtig, Wil. Und denk an meine Worte — uns allen sind Grenzen gesetzt.«

Wil nickte. Barsch, als hätten sie Angst zu zeigen, was sie fühlten, nahmen sie Abschied voneinander. Ihre Gesichter waren starr, ihre Blicke verlegen, als sie einander hastig umarmten. Dann machten sich Allanon und Wil auf den Weg. Flick, die Stors und das Dorf wurden zu Schatten, die allmählich mit den grauen Nebeln der Wälder des Ostlands verschmolzen.

Der Druide und Wil Ohmsford ritten in westlicher Richtung aus Storlock hinaus bis zum Rand der Rabb-Ebene. Dort wandten sie sich nach Süden. Allanon hielt seinen Rappen kurz an, um Wil mitzuteilen, daß die erste Etappe ihrer Reise sie über den Silberfluß hinüber in ein kleines Dorf am westlichen Ausläufer des Unteren Anar führen würde. Havenstead hieß das Dorf, sagte er, und dort würden sie Amberle finden. Nähere Erklärungen gab der Druide nicht, und Wil fragte auch nicht.

In Strömen rauschte der Regen auf sie nieder, während sie, sich am Rand der Wälder haltend, mit eingezogenen Köpfen, tief über ihre Pferde gebeugt, dahinritten, ohne ein Wort untereinander zu wechseln. Wils Gedanken wanderten zurück zu den Ereignissen des vergangenen Abends. Selbst jetzt wußte er nicht recht, warum er sich entschlossen hatte, den Druiden zu begleiten. Und das beunruhigte ihn. Er mußte doch in der Lage sein zu erklären, weshalb er sich auf ein solches Wagnis eingelassen hatte — wenn schon nicht anderen, dann wenigstens sich selbst! Aber er konnte es nicht. Zeit genug hatte er gehabt, über die Gründe für seine Entscheidung nachzudenken, und er hatte in der Tat auch kaum an etwas anderes gedacht. In der Rückschau wenigstens hätte es ihm gelingen müssen, seine Handlungsweise klar zu sehen; aber es gelang ihm nicht. Vielmehr verspürte er ein beharrliches Gefühl der Verwirrung, das sich nicht vertreiben lassen wollte. Alles schien in seinem Geist zu einem wirren Knäuel verfilzt — Argumente, die jeder Logik entbehrten und nicht bis zum Ende durchdacht waren, Emotionen, die wie Farben ineinanderliefen und miteinander verschwammen. Sie ließen sich nicht trennen und zu säuberlicher Überschaubarkeit ordnen. Sie jagten durcheinander wie eine Herde von Wölfen gejagter Schafe, und er hetzte ihnen hoffnungslos hinterher.

Er wollte gern glauben, daß er ausersehen worden war, diesen Weg einzuschlagen, weil er gebraucht wurde. Wenn all das, was Allanon berichtet hatte, der Wahrheit entsprach — und er glaubte es trotz Flicks unverhohlener Skepsis —, dann konnte er dem Elfenvolk und insbesondere dem Mädchen Amberle einen großen Dienst erweisen. Aber machte er sich da nicht etwas vor? Er hatte keine Ahnung, ob er die Elfensteine, die sein Großvater ihm anvertraut hatte, überhaupt zu gebrauchen verstand. Angenommen, ihre zauberischen Kräfte blieben ihm unzugänglich? Angenommen, Allanon täuschte sich, wenn er glaubte, die Elfensteine könnten einfach an ihn weitergegeben werden! Ach, alle möglichen ›Wenn‹und ›Aber‹fielen ihm ein. Nur eines stand fest: Er hatte eine reichlich impulsive Entscheidung getroffen, und nun mußte er eben versuchen, dieser Entscheidung gerecht zu werden.

Die Tatsache, daß die Entscheidung so impulsiv getroffen worden war, tat ihrem Verdienst keinen Abbruch. Wenn er die Mittel besaß, den Elfen zu helfen, dann mußte er diese Mittel zur Verfügung stellen. Er mußte wenigstens versuchen, Unterstützung zu leisten. Außerdem — sein Großvater wäre bestimmt mit Allanon gezogen! Shea Ohmsford wäre Allanon gefolgt, hätte dieser sich an ihn gewandt; genau wie er ihm damals gefolgt war, das Schwert von Shannara zu suchen. Wil durfte dem nicht nachstehen.

Er holte tief Atem. Ja, er hatte die richtige Entscheidung getroffen, und er glaubte, sie aus den richtigen Motiven heraus getroffen zu haben, so wirr und unklar sie ihm jetzt auch schienen. Das, was ihm am stärksten zu schaffen machte, erkannte er plötzlich, hatte mit der Entscheidung und den Gründen, die sie bewirkt hatten, gar nichts zu tun. Es hatte mit Allanon zu tun. Wil hätte gern geglaubt, daß sein Entschluß, den Druiden zu begleiten, von ihm allein gefällt worden war. Doch je ehrlicher er die Sache in Augenschein nahm, desto gewisser wurde er, daß er im Grunde mit der Entscheidung nichts zu tun gehabt hatte. Allanon hatte entschieden. Sicher, er — Wil Ohmsford — hatte die Worte ausgesprochen, als kämen sie aus seinem Herzen, hatte sie trotz der Warnungen seines Onkels mutig und beherzt ausgesprochen. Doch er wußte, daß der Druide genau vorausgesehen hatte, mit welchen Argumenten Wil Ohmsford dazu bewegen werden konnte, eben diese Worte auszusprechen; daß er das Gespräch entsprechend gelenkt hatte. Er hatte gewußt, wie Will und wie Flick reagieren würden, wie die beiden sich gegenseitig beeinflussen würden, wie seine eigenen Bemerkungen auf sie wirken würden. All dies hatte er gewußt und dieses Wissen angewandt. Shea Ohmsford hatte seinem Enkel einmal erzählt, Allanon besäße die Fähigkeit, die Gedanken anderer zu lesen. Wil verstand jetzt, was sein Großvater damit gemeint hatte.

Nun, wie dem auch sei, er hatte sich verpflichtet. Das konnte nicht ungeschehen gemacht werden, selbst wenn er den Wunsch gehabt hätte, sich von dieser Verpflichtung zu befreien, was jedoch nicht der Fall war. Von jetzt an würde er vor derartigen raffinierten Manipulationen des Druiden auf der Hut sein. Soweit es ihm möglich war, würde er sich bemühen, die Gründe zu erkennen, die sich hinter den Worten und Handlungen Allanons verbargen, um auf diese Weise klarer zu sehen, wohin er dirigiert wurde. Wil Ohmsford ließ sich nicht so leicht an der Nase herumführen. Er stand nun schon seit mehreren Jahren auf eigenen Füßen und hatte nicht die Absicht, sich das Heft aus der Hand nehmen zu lassen. Er mußte sich vor dem Druiden in acht nehmen. Er wollte ihm vertrauen, aber nicht blind und ohne kritische Überlegung. Vielleicht konnte er den Elfen und dem Mädchen Amberle Hilfe leisten; aber er würde selbst darüber entscheiden, wie er diese Hilfe geben wollte. Und er würde selbst darüber entscheiden, wessen Interessen er dienen wollte. Er wollte nichts einfach so akzeptieren, wie es sich darstellte.

Vorsichtig hob er den Kopf und spähte durch den Regen zu der dunklen Gestalt hin, die vor ihm ritt — Allanon, der letzte der Druiden, ein Wesen, das aus einer anderen Zeit kam und dessen besondere Kräfte alles Wissen dieser gegenwärtigen Welt klein und gering erscheinen ließen. Wil mußte ihm vertrauen und doch nicht blindlings vertrauen. Wieder fühlte er sich heillos verwirrt. Worauf hatte er sich da eingelassen? Vielleicht hatte Flick doch recht gehabt. Vielleicht hätte er gut daran getan, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken. Aber dazu war es jetzt zu spät. Und zu spät war es auch für diese Gedanken. Er schüttelte den Kopf. Es hatte keinen Sinn, weiter solchen Überlegungen nachzuhängen. Besser war es, den Gedanken eine andere Richtung zu geben.

Den Rest des Tages plagte er sich mit diesem Bemühen ab. Ohne Erfolg.

Der prasselnde Regen flaute allmählich zu einem Nieseln ab und versiegte schließlich ganz im kalten Grau des Abends. Immer noch verhüllten Gewitterwolken den Himmel, als der Einbruch der Nacht den Tag verdunkelte. Dunstschwaden woben in der Luft und wanderten am Waldessaum entlang wie verirrte Kinder.

Allanon lenkte sein Pferd unter das schirmende Dach der mächtigen Bäume, und auf einer kleinen Lichtung schlugen sie ihr Nachtlager auf. Hinter ihnen befand sich, die Wipfel der Wälder weit überragend, die finstere Mauer des Wolfsktaag-Gebirges, schwarz im Dunkel der Nacht. Trotz der Nässe fanden sie genug dürres Holz, um ein kleines Feuer zu entfachen, dessen Flammen an diesem feuchtkalten Abend etwas Wärme spendeten. Sie hängten ihre Reisemäntel über Leinen, die sie von Baum zu Baum gespannt hatten, und pflockten die Pferde in der Nähe an.