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Beim Essen, einem kargen Mahl aus kaltem Rindfleisch, Früchten und Nüssen, sprachen sie kaum miteinander. Der Druide hockte in grüblerischem Schweigen da, wie schon seit ihrem Aufbruch aus dem Dorf in seine eigenen Gedanken vertieft. An einem Gespräch schien er kein Interesse zu haben. Doch Wil war entschlossen, mehr darüber zu erfahren, was ihn erwartete, und er hatte nicht die Absicht, seine Fragen noch länger zurückzuhalten. Als sie beide gegessen hatten, rückte er ein wenig näher ans Feuer, tat es recht umständlich, um Allanons Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

»Könnten wir ein Weilchen miteinander reden?« fragte er vorsichtig, eingedenk der Berichte seines Großvaters über das unberechenbare Temperament des großen Alten.

Der Druide blickte ihn einen Augenblick ausdruckslos an, dann nickte er.

»Könnt Ihr mir noch ein wenig mehr über die Geschichte der Elfen erzählen?« fragte Wil, der fand, daß das Gespräch hier seinen Ausgang nehmen müsse.

Allanon lächelte schwach. »Was möchtest du denn gern wissen, Wil Ohmsford?«

Der junge Mann zögerte.

»Gestern abend habt Ihr uns erzählt, daß es die Elfen genau wie die Menschen wirklich gegeben hat, obwohl die geschichtlichen Zeugnisse aus den Zeiten der alten Welt nichts über sie berichten, sondern nur Märchen und Sagen von ihnen erzählen. Ihr sagtet, sie hätten existiert, aber die Menschen hätten sie nicht sehen können. Das hab’ ich nicht verstanden.«

»Nein?« Der Druide schien belustigt. »Nun, dann sollst du eine Erklärung bekommen. Einfach gesagt, die Elfen waren immer Geschöpfe des Waldes — ganz besonders in den Zeiten vor den Großen Kriegen. Damals waren sie, wie ich dir schon erzählt habe, Geschöpfe mit magischen Kräften. Sie besaßen die Fähigkeit, mit ihrer Umgebung zu verschmelzen und so unauffällig zu werden wie ein Busch oder Baum, an dem man tausendmal vorbeikommen kann, ohne ihn zu bemerken. Die Menschen konnten die Elfen nicht sehen, weil sie es nicht verstanden, nach ihnen Ausschau zu halten.«

»Aber sie waren nicht unsichtbar?«

»Kaum.«

»Nur schwer zu erkennen?«

»Ja, ja.« In der Stimme des Druiden schwang ein Anflug ungeduldiger Gereiztheit.

»Aber wieso fällt es uns heute nicht schwer, sie zu sehen?«

Allanon richtete sich auf.

»Du hörst nicht zu. In den Tagen der alten Welt waren die Elfen Geschöpfe mit magischen Kräften — genau wie alle anderen sogenannten Geisterwesen. Aber das sind sie heute nicht mehr. Sie sind Menschen genau wie du ein Mensch bist. Ihre Zauberkräfte sind ihnen abhanden gekommen.«

»Wie ist das geschehen?«

Wie ein wißbegieriges Kind stützte Wil die Ellbogen auf die Knie und drückte sein Kinn in die geöffnete Hand.

»Das ist nicht so leicht zu erklären«, erwiderte der Druide. »Aber ich sehe schon, daß du keine Ruhe geben wirst, solange ich nicht wenigstens versucht habe, es dir zu erklären. Also, paß auf.« Er beugte sich nach vorn. »Nach der Erschaffung des Ellcrys, nach der Verbannung der Mächte des Bösen von der Erde, lebten sich die Elfen und die anderen Völker der sogenannten Geisterwelt wieder auseinander. Das war ganz natürlich, denn sie hatten sich ja ursprünglich nur deshalb zusammengetan, um den gemeinsamen Feind zu besiegen. Als das erreicht war, blieb wenig Gemeinsames. Über ihre Sorge hinaus, die Erde zu erhalten, hatten sie fast nichts gemein. Jedes Volk hatte seine eigene Lebensweise, seine eigenen Gewohnheiten, seine eigenen Interessen. Elfen, Zwerge, Gnomen, Trolle und Hexen waren so verschieden voneinander, wie die Tiere des Waldes von den Fischen im Meer verschieden sind.

Die Menschheit war aus ihren frühen, primitiven Anfängen noch nicht erwacht, und die Dämmerung sollte sich noch über Hunderte von Jahren hinziehen. Die Zauberwesen zollten den Menschen kaum Aufmerksamkeit, und es schien ja auch, als gäbe es dazu keinen Anlaß. In diesem Stadium schließlich war der Mensch nicht mehr als ein höheres Tier. Er besaß eine größere angeborene Intelligenz als andere Tiere, aber weniger gut entwickelte Instinkte. Die Elfen und ihre Bruder sahen nicht voraus, welchen Einfluß die Menschen allmählich auf die Entwicklung der Erde gewinnen würden.«

Der Druide machte eine kurze Pause.

»Sie hätten das aber voraussehen können, wenn sie den Unterschieden zwischen ihrer eigenen Art und der Art der Menschen mehr Aufmerksamkeit gewidmet hätten. Zwei Unterschiede waren von besonderer Bedeutung. Die Elfen und ihre Brüder vermehrten sich langsam; die Menschen dagegen vermehrten sich rasch. Die Elfen beispielsweise waren eines der größeren Völker, doch infolge der längeren Lebenszeiten gab es weniger Geburten. Viele der anderen Zauberwesen gebaren im Lauf mehrerer hundert Jahre nur ein einziges Mal. Bei den Menschen hingegen gab es häufige Geburten im Familienverband, und ihre Bevölkerung wuchs rasch. Zu Beginn waren die Zauberwesen den Menschen an Zahl weit überlegen. Innerhalb von tausend Jahren jedoch kehrte sich die Situation um. Und von da an vergrößerte sich die menschliche Bevölkerung stetig, während die Zahl der Zauberwesen abzunehmen begann. Doch darauf komme ich gleich noch zurück.

Der zweite Unterschied zwischen den Zauberwesen und den Menschen betraf die Fähigkeit, sich den Gegebenheiten anzupassen. Die Elfen waren Geschöpfe des Waldes; nur selten verließen sie den Schutz ihrerWälder. Ähnlich verhielt es sich mit den anderen Völkern. Jedes lebte innerhalb eines ganz bestimmten geographischen Gebietes, eines scharf abgegrenzten Terrains. So war es immer gewesen. Die einen lebten in den Wäldern, die anderen in und an Flüssen und Meeren, wieder andere in den Bergen oder auf den offenen Ebenen. Sie hatten ihre Lebensweise dem Gebiet angepaßt, das ihr Heim war; sie konnten und wollten anderswo nicht leben. Der Mensch hingegen konnte überall leben; er war anpassungsfähiger. Ob Wälder oder Flüsse, ob Berge oder Täler — er nahm alles für sich in Anspruch. Und so breitete sich die Menschheit ganz natürlich und ohne Schwierigkeiten immer weiter aus, während ihre Zahl immer stetig zunahm. Der Mensch paßte sich jeder Veränderung der Umwelt an. Die Elfen und ihre Brüder widerstanden jeder Veränderung.«

Allanon schwieg. Dann lächelte er schwach und sagte: »Es gab eine Zeit, Wil Ohmsford, da hatte das Leben in der alten Welt viel mit dem heutigen Leben gemein. Das war damals, als die Menschen ihr Leben so ähnlich gestalteten, wie es die heutigen Rassen tun. Überrascht dich das?«

Wil nickte. »Ja, ein bißchen schon.«

Der Druide schüttelte den Kopf.

»Aber es hat eine solche Zeit gegeben. Und damals hätten die Elfen sich zeigen und sich mit den Menschen zusammentun sollen, um gemeinsam ihre Welt zu gestalten. Doch sie unterließen es — ebenso wie ihre Brüder. Sie zogen es vor, weiterhin in ihren Wäldern versteckt zu leben und Beobachter zu bleiben, da sie glaubten, die Entwicklung der Menschheit könne ihre Existenz nicht beeinflussen. Sie erkannten nicht die Bedrohung für sich. Die Menschen besaßen keine Zauberkräfte und wirkten auch nicht zerstörerisch — damals jedenfalls nicht. Kurz und gut, die Elfen hielten an ihrer Politik der Isolation fest und bildeten sich törichterweise ein, es könnte immer so bleiben. Das war ihr Verderben. Die menschliche Bevölkerung der Erde wuchs und wuchs und entwickelte sich immer weiter. Im Lauf der Zeit entdeckte der Mensch die Existenz der Elfen und ihrer Brüder.

Doch da die Zauberwesen es vorzogen, weiter im Verborgenen zu leben, weckten sie das Mißtrauen der Menschen. Man betrachtete sie als unheilbringende Geschöpfe, die andere bespitzelten und sich gegen sie verschworen, als boshafte Geschöpfe, die sich einen Spaß daraus machten, allerhand Schabernack zu treiben und den hart arbeitenden Menschen das Leben noch schwerer zu machen. Ein Körnchen Wahrheit lag in diesen Beschuldigungen. Einige dieser Geschöpfe spielten den Menschen tatsächlich mit Vergnügen üble Streiche, aber im großen und ganzen war ihr schlechter Ruf unverdient.