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Nun, die Elfen und ihre Brüder ignorierten einfach die schlechte Meinung, die die Menschen von ihnen hatten. Was die Menschen von ihnen dachten, kümmerte sie nicht. Ihre einzige Sorge galt der Erhaltung und Bewahrung des Landes und der Wesen, die von ihm lebten, und dieser Aufgabe konnten sie trotz der unfreundlichen Gefühle, die die Menschen ihnen entgegenbrachten, weiterhin ungehindert nachgehen.

Doch auch da trat allmählich eine Änderung ein. Die Zahl der Menschen wuchs immer schneller, die Menschheit breitete sich weiter aus, man baute Städte und Festungen, man umsegelte die Welt, um neues Land zu entdecken, man rückte der Wildnis rundum zu Leibe, um sie urbar zu machen. Die Menschen begannen, das Land zu verändern, gaben ganzen Landstrichen ein neues Gesicht, indem sie das Land kultivierten. Die Elfen mußten immer tiefer in die Wälder zurückweichen, während die Menschen mit Äxten und Sägen stetig nachrückten. Alle Zauberwesen sahen durch diese Expansion plötzlich ihren Lebensraum bedroht und wurden immer weiter zurückgedrängt, bis es für einige schließlich keine Heimat mehr gab.«

»Aber versuchten sie denn nicht, sich den Eindringlingen zu widersetzen?« fragte Wil.

»Dafür war es schon zu spät«, antwortete Allanon mit einem bitteren Lächeln. »Als es soweit gekommen war, waren viele der Zaubervölker schon ausgestorben — einige, weil sie einfach nicht genug Nachkommen gezeugt hatten, andere, weil sie unfähig waren, sich einer veränderten Umwelt anzupassen. Jene, die übrigblieben, waren nicht mehr in der Lage, sich zusammenzuschließen, wie sie das einstmals getan hatten; Hunderte von Jahren waren seit dem Krieg mit den bösen Mächten vergangen, und die Zaubervölker hatten sich überall auf der Erde verstreut und die Verbindung miteinander wie untereinander verloren. Das schlimmste Unglück aber war, daß ihre Zauberkräfte erloschen waren. Als die bösen Mächte noch mit ihren Zauberkräften die Erde zu zerstören gesucht hatten, waren gute Kräfte der Magie nötig gewesen, dem Widerpart zu bieten. Doch als die bösen Mächte von der Erde verbannt waren, bestand keine Notwendigkeit mehr, Zauberkräfte einzusetzen. Und mit der Zeit gingen die Kräfte verloren. Da die Menschen kaum Zauberkräfte besaßen, hielten die Elfen es nicht für nötig, ihre magischen Kräfte zu gebrauchen. Und als sie dann einsahen, daß ihnen nur noch die Zauberkräfte helfen konnten, war es zu spät — sie waren ihnen zum großen Teil verloren. So kam es, daß sie dem Eindringen der Menschen in ihre heimatlichen Gebiete nur schwachen Widerstand entgegensetzen konnten. Anfangs kämpften sie mit Erbitterung und setzten all die magische Kraft ein, die ihnen noch verblieben war, doch es half nichts. Der Menschen waren zu viele, der Zauberwesen zu wenige. Ihre Magie hatte keine Wirkung. Sie brachte ihnen unbedeutende Siege ein, kurze Gnadenfristen, nicht mehr. Am Ende wurden sie einfach überwältigt, aus ihren Heimstätten vertrieben. Sie mußten sich entweder eine neue Heimat schaffen oder umkommen.«

»Und die Elfen?« fragte Wil leise.

»Sie lernten zu überleben. Ihre Bevölkerung schrumpfte beträchtlich, doch das Volk starb nicht aus wie viele andere Völker. Sie blieben in ihren Wäldern, zogen sich immer weiter zurück und lebten nunmehr völlig verborgen vor den Menschen, die inzwischen fast die ganze Erde erobert hatten. Mit Entsetzen verfolgten sie die Zerstörung ihrer Welt.

Sie sahen, wie die Erde ihrer Bodenschätze beraubt wurde, wie die Tiere, die auf ihr lebten, ausgerottet wurden. Sie mußten mit ansehen, wie die Erde von den Menschen völlig und irreversibel aus ihrem ökologischen Gleichgewicht gebracht wurde. Sie sahen tatenlos zu, wie die Menschen einander unaufhörlich bekriegten, weil immer eines der Völker die Vorherrschaft über die anderen erobern wollte. Sie sahen das alles mit an und warteten und bereiteten sich vor — denn sie erkannten, welches Ende das alles nehmen mußte.«

»Es kamen die Großen Kriege«, sagte Wil.

»Ja, es kamen die Großen Kriege«, bestätigte Allanon nickend. »Die Elfen sahen die Katastrophe voraus, und in einer gewaltigen Anstrengung rafften sie alle ihnen noch verbliebenen magischen Kräfte zusammen, um ihr eigenes Volk zu retten und einige sorgfältig ausgewählte Schätze ihrer Vergangenheit — darunter den Ellcrys — vor dem Untergang zu bewahren. Und die Anstrengung wurde belohnt. Sie überlebten. Die meisten anderen Zaubervölker wurden vernichtet. Eine kleine Zahl von Menschen überlebte ebenfalls, allerdings nicht aufgrund eigenen Weitblicks. Diese Menschen überlebten, weil es von ihrer Art so viele in allen Teilen der Welt gab, daß einige einfach dem Untergang durch die Katastrophe entkamen. Alles aber, was die Menschen erbaut hatten, fiel der Zerstörung anheim. Ihre wuchernde Zivilisation wurde ausgelöscht. Die alte Welt verkarstete in eine öde, wüste Wildnis.

Jahrhundertelang war alles Leben nach der Großen Katastrophe nur ein erbarmungsloser Kampf ums Überleben. Die wenigen Geschöpfe, die in dieser neuen Welt am Leben blieben, mußten sich der primitiven Umwelt anpassen, die durch die Katastrophe völlig verändert worden war. Die menschliche Rasse machte eine grundlegende Wandlung durch. Aus der alten Menschenrasse entwickelten sich vier neue, voneinander deutlich unterschiedliche Rassen: Menschen, Zwerge, Gnomen und Trolle. Man glaubte, und die meisten glauben es noch immer, daß die Elfen eine fünfte aus der Katastrophe geborene Rasse seien. Für die neuen Rassen war die Katastrophe der Beginn des Lebens. Die Geschichte der alten Welt geriet schnell in Vergessenheit; die alten Sitten und Gebräuche verloren sich. Die Elfen bewahrten sich einen großen Teil ihrer Geschichte und ihrer Traditionen. Nur ihre magischen Kräfte waren ihnen verloren — von nun an für immer. Die Notwendigkeit der Anpassung hatte Veränderungen zur Folge, die andernfalls nicht stattgefunden hätten. Diese Veränderungen brachten die Elfen in kultureller und physiologischer Hinsicht den neuen Rassen näher. Die neu geborenen Menschen und die überlebenden Elfen glichen sich in der neuen Welt einander an, bis sie schließlich kaum noch voneinander zu unterscheiden waren.

Und als sich schließlich, nahezu tausend Jahre nach dem Ende der Großen Kriege, die neuen Rassen aus dem primitiven Leben zu erheben begannen, das sie ertragen hatten, solange sie unter den Nachwirkungen der Katastrophe um das nackte Überleben gekämpft hatten, zogen sich die Elfen nicht vor ihnen zurück. Nimmermehr würden sie sich in ihren Wäldern verbergen, um als unbeteiligte Zuschauer die Entwicklung einer neuen Welt zu beobachten. Diesmal würden sie an dieser Entwicklung mitwirken, mit den neuen Rassen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, daß die Menschen nicht ein zweites Mal jenen Weg einschlugen, der nur um Haaresbreite an der Vernichtung allen Lebens vorbeigeführt hatte.

Die Elfen riefen also durch den Druiden Galaphile den ersten Druidenrat in Paranor zusammen. Sie bemühten sich, die neuen Rassen abzubringen von der verderblichen Suche nach den alten wissenschaftlichen Erkenntnissen von Kraft und Energie, rieten statt dessen zu einer behutsameren Annäherung an die Geheimnisse des Lebens. Sie strebten danach, die magischen Kräfte wieder zu erlangen, die sie verloren hatten, weil sie glaubten, diese Künste würden ihnen in ihrem Bemühen, die neue Welt und ihr Leben zu erhalten, helfen.«

»Aber die Elfen besitzen keine Zauberkräfte«, erinnerte Wil. »Nur die Druiden besaßen sie.«

»Die Druiden und eine Handvoll anderer, die über das Land verstreut lebten«, berichtigte Allanon.

Eine geraume Weile schien er mit seinen Gedanken woanders zu sein. Als er wieder sprach, klang seine Stimme abweisend. »Die Druiden machten früh Bekanntschaft mit den Gefahren, die der Suche nach den verlorenen Zauberkräften innewohnen. Ein Druide namens Brona führte sie ihnen vor Augen. Seine Begierde, die Magie bis an ihre Grenzen zu erforschen, vernichtete ihn und machte aus ihm jenes Wesen, das wir den Dämonen-Lord nennen. Als die Druiden erkannten, was die Gier nach dem Wissen um die Magie aus ihm gemacht hatte, unterbanden sie weiteres Forschen.