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»Diese Kinder sind mir anvertraut worden —« begann das Mädchen hastig von neuem, doch mit einer brüsken Bewegung hob Allanon die Hand.

»Was glaubst du wohl, wird geschehen, wenn die Elfen erst vernichtet sind? Glaubst du, die Bösen werden sich damit zufriedengeben, innerhalb der Grenzen des Westlandes zu bleiben? Was soll dann aus den Kindern werden, die dir anvertraut sind, Elfenmädchen ?«

Einen Augenblick starrte Amberle ihn betroffen und schweigend an. Dann sank sie langsam wieder auf der Bank nieder. Tränen strömten ihr aus den Augen, und sie drückte die Lider fest zu.

»Warum wurde ich erwählt?« fragte sie leise, flüsternd beinahe. »Es gab keinen Grund dafür. Ich habe das Amt nicht gesucht —, und es waren so viele andere da, die danach strebten.« Die Hände in ihrem Schoß verkrampften sich. »Es war der reine Spott, Druide — der reine Hohn. Seht Ihr das nicht? Seit mehr als fünfhundert Jahren war keine Frau mehr erwählt worden. Immer nur Männer. Aber dann wurde ich erwählt — ein schrecklicher, grausamer Irrtum. Ein Irrtum.«

Das Gesicht des Druiden wirkte wieder ausdruckslos, als er den Blick durch den Garten wandern ließ.

»Es war kein Irrtum«, antwortete er, obwohl Wil den Eindruck hatte, daß er wie zu sich selbst sprach. Der Druide wandte sich langsam um und blickte das Mädchen an. »Wovor hast du Angst, Amberle? Denn du hast doch Angst, nicht wahr?«

Sie blickte nicht auf, hielt die Augen geschlossen. Nickte nur stumm.

Allanon setzte sich wieder. Seine Stimme klang jetzt sanft und gütig.

»Die Angst ist ein Teil des Lebens, aber man sollte ihr offen ins Angesicht blicken, sie niemals verschleiern. Wovor also fürchtest du dich?«

Seinen Worten folgte ein langes Schweigen.

Schließlich sprach Amberle. Ihre Worte waren nur ein Flüstern.

»Vor ihm.«

Der Druide runzelte die Stirn.

»Vor dem Ellcrys?«

Doch diesmal antwortete Amberle ihm nicht. Sie hob die Hände zu ihrem tränenfeuchten Gesicht und trocknete ihre Tränen. Amberle öffnete ihre grünen Augen und stand wieder auf.

»Wenn ich nun mit dir nach Arborlon reisen würde, wenn ich bereit wäre, meinem Großvater und meinem Volk gegenüberzutreten und ein letztes Mal vor den Ellcrys hinzutreten — wenn ich also alles täte, was Ihr verlangt habt, was geschieht dann, wenn er mir sein Samenkorn nicht gibt?«

Allanon richtete sich auf.

»Dann sollst du nach Havenstead zurückkehren, und ich werde dich nicht wieder belästigen.«

»Ich werde es mir überlegen.«

»Für lange Überlegungen bleibt keine Zeit«, entgegnete Allanon eindringlich. »Du mußt dich jetzt entscheiden, noch heute abend. Die Dämonen suchen dich schon.«

»Ich werde es mir überlegen«, wiederholte sie. Ihre Augen hefteten sich auf Wil. »Welche Rolle spielst du in dieser Sache, Heiler?« Wil wollte antworten, doch sie kam ihm mit einem Lächeln zuvor. »Laß nur. Ich spüre, daß wir hier im gleichen Boot sitzen. Du weißt nicht mehr als ich.«

Weniger, hätte Wil gern gesagt, aber sie hatte sich schon abgewandt.

»Ich habe in meinem Haus keinen Platz für Euch.« Sie richtete das Wort wieder an Allanon. »Ihr könnt hier nächtigen, wenn Ihr möchtet. Morgen werden wir uns weiter besprechen.«

Sie machte sich auf den Weg zu ihrem Häuschen. Das kastanienbraune Haar fiel ihr wie ein Schleier den Rücken herab.

»Amberle!« rief der Druide ihr nach.

»Morgen«, gab sie zurück und verlangsamte den Schritt nicht.

Dann war sie verschwunden, und die Haustür fiel hinter ihr lautlos ins Schloß.

11

Aus den träge wogenden Nebeln seines Schlafes kommend stürzte sich das Ungeheuer auf Wil, ein formloses Geschöpf seiner Träume, das aus den Tiefen seines Unbewußten aufstieg, um ihn zu quälen. Ein Schreckenswesen war es, ein Wesen, das in den finsteren Nischen seines Geistes lauerte, dort, wo er seine tiefsten Ängste verborgen hielt. Schlau und hinterhältig überfiel es ihn, überwand mit Leichtigkeit die Hindernisse, die er ihm entgegenstellen wollte, und seine Bewegungen waren schnell und geschmeidig, als es sich über ihn warf. Er konnte es nicht sehen, als es nahte; würde es nie sehen. Es besaß weder Substanz noch Identität; hatte keinen Sinn. Es existierte nur durch das überwältigende Gefühl des Entsetzens, das es auslöste. Natürlich floh er vor ihm — flog auf schnellen Beinen durch die Landschaften seiner Phantasie, lief und lief, bis ihm schien, daß es ihn nicht mehr einholen könnte. Doch er irrte. Augenblicklich war es wieder da, holte ihn schnell und sicher ein. Voller Verzweiflung floh er wieder, während er lautlos um Hilfe schrie. Aber es war niemand da, der ihm helfen konnte. Er war mutterseelenallein mit dem Ungeheuer und konnte ihm nicht entkommen. Und doch mußte er ihm entrinnen, denn er wußte mit Gewißheit, daß er sterben würde, wenn es ihn einholte, wenn es ihn berührte. So rannte er denn weiter voller Angst, mit blinden Augen, und spürte den Atem des Schreckenswesens heiß in seinem Nacken … Mit einem Aufschrei fuhr er aus dem Schlaf, riß sich die Decke herunter und setzte sich auf. Kalt lag die Nachtluft auf seinem Gesicht und seinem Körper. Schweiß strömte ihm aus den Achselhöhlen, und er spürte im Kopf den wilden Schlag seines Herzens. Allanons dunkle Gestalt kauerte an seiner Seite. Seine kräftigen Hände hielten Wils Schultern umfaßt. Die Stimme des Druiden war ein heiseres Flüstern. »Schnell, Talbewohner. Sie haben uns gefunden.« Wil Ohmsford brauchte nicht zu fragen, wer die waren, die sie gefunden hatten. Sein Traum war Wirklichkeit geworden. Mit einem Sprung war er auf den Beinen, packte seine Decke und stürzte dem Druiden nach, der schon zu dem kleinen Haus eilte. Als hätte die Intuition sie geweckt, erschien Amberle auf der Veranda. Das weiße Nachtgewand flatterte gespenstisch um ihre zierliche Gestalt. Sie wirkte wie ein Geisterwesen.

Sogleich eilte Allanon zu ihr.

»Ich habe dir befohlen, dich anzuziehen«, flüsterte er zornig.

Sie schien nicht überzeugt.

»Solltet Ihr versuchen, mich mit List von hier fortzulocken, Druide? Sollte dies ein Spiel sein, das Ihr Euch ausgedacht habt, um mich zu bewegen, Euch nach Arborlon zu begleiten?«

Allanons Miene verfinsterte sich.

»Bleib ruhig noch einige Minuten hier stehen, dann wirst du deine Antwort schon bekommen! Kleide dich jetzt an!«

Sie ließ sich nicht einschüchtern.

»Gut. Aber ich kann die Kinder nicht einfach im Stich lassen. Sie müssen an einen Ort gebracht werden, wo sie in Sicherheit sind.«

»Dazu bleibt keine Zeit«, entgegnete der Druide ungeduldig. »Außerdem sind sie hier sicherer, als wenn wir sie jetzt durch die Dunkelheit schleppen.«

»Sie werden es nicht verstehen, daß sie einfach verlassen werden.«

»Bleib, dann werden sie dein Schicksal teilen.« Allanon war mit seiner Geduld am Ende. »Wecke das älteste! Sag ihm, daß du fort mußt, daß du keine Wahl hast. Sag ihm, es soll die anderen zu einem Nachbarn bringen, sobald es draußen hell wird. Tu, was ich dir sage — spute dich!«

Diesmal widersprach sie nicht. Sie machte kehrt und verschwand im Inneren des Häuschens. Wil zog seine Kleider zurecht und wickelte seine Decke zusammen. Gemeinsam mit Allanon sattelte er die Pferde. Sie führten sie vor das dunkle Haus, um dort das Elfenmädchen zu erwarten.

Amberle ließ nicht lange auf sich warten. Ihre Füße steckten in Stiefeln, und über der langen Hose und dem gegürteten Kittel trug sie einen langen blauen Umhang.

Allanon führte das Elfenmädchen und den Talbewohner dicht vor Artaq. Flüsternd sprach er mit dem Tier, während er seinen seidenweichen Hals streichelte. Dann drückte er Wil die Zügel in die Hand.

»Steig auf!«