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Wil tat, wie ihm befohlen. Artaq warf den Kopf zurück und wieherte leise. Allanon sprach weiter flüsternd auf ihn ein. Dann faßte er Amberle um die Mitte und hob sie so schwungvoll, als besäße sie höchstens das Gewicht einer Feder, hinter Wil auf das Pferd. Er selbst schwang sich auf Spitter.

»Leise«, mahnte er. »Kein Wort.«

Sie bogen in die Straße ein, die vor dem kleinen Haus vorbeiführte, und folgten ihr in östlicher Richtung durch das schlafende Dorf. Nur das sachte Trappeln der Pferdehufe auf der festgetrampelten Erde durchbrach die tiefe Stille. Bald hatten sie die Häuser des Dorfes hinter sich gelassen und den Rand des Waldes erreicht. Vor ihnen dehnten sich Wiesen und Äcker, und in den Bewässerungsgräben glitzerte das Wasser im Mondlicht.

Wortlos stieg Allanon vom Pferd. Eine Weile stand er unbewegt in dermondhellen Nacht und lauschte in die Stille hinein. Ängstliche Besorgnis spiegelte sich auf seinen Zügen. Schließlich trat er nahe an Artaq heran und bedeutete Wil und Amberle, sich zu ihm herunterzuneigen.

»Sie sind überall.« Er sprach die Worte wie einen Hauch. Wil überlief es eiskalt. Der Druide blickte ihn an, als wolle er seinen Wert taxieren. »Bist du schon einmal zur Jagd geritten?« Wil nickte. »Gut. Du und Amberle behaltet Artaq. Wenn ihr in Bedrängnis geratet, laß ihm die Zügel schießen. Er wird euch sicher aus aller Gefahr herausführen. Wirreiten jetzt am Dorfrand entlang in nördlicher Richtung bis zur Öffnung des Tals. Dort durchbrechen wir ihre Umzingelung. Halte auf keinen Fall an, ganz gleich, was geschieht. Hast du mich verstanden? Wenn wir getrennt werden sollten, dann kehrt nicht um. Reitet weiter nach Norden, bis ihr den Silberfluß erreicht. Wenn ich nicht gleich nachkomme, dann durchquert den Fluß und reitet nach Westen in Richtung auf Arborlon.«

»Was werdet ihr …?« fragte Wil hastig.

»Kümmere dich nicht darum, was ich tun werde«, fiel ihm der Druide ins Wort. »Konzentriere dich darauf, das zu tun, was ich dir aufgetragen habe.«

Wil nickte widerstrebend. Ihm gefiel das alles gar nicht. Als Allanon sich umdrehte, blickte er Amberle an.

»Halt dich fest«, flüsterte er mit einem Lächeln.

Sie erwiderte das Lächeln nicht. In ihren Augen stand unverhüllte Angst.

Allanon saß wieder auf. Langsam und vorsichtig trabten sie am Waldsaum entlang und schlugen einen Bogen um die westlichen Ausläufer des Dorfes. Tief und lastend hing die Stille über dem Tal. Wie Schatten glitten sie durch die Dunkelheit, während ihre Augen die Nacht nach Bewegungen durchforschten. Nach einer Weile erhob sich vor ihnen dunkel der Nordhang des Tals.

Plötzlich hielt Allanon sein Pferd mit einem Ruck an und bedeutete Wil, ebenfalls stehenzubleiben. Stumm wies er zu den Feldern zu ihrer Linken. Wil und Amberle blickten in die Richtung seines Armes. Zunächst war nichts weiter zu erkennen als endlose Reihen von Getreidehalmen. Doch gleich darauf machten sie die flinke Bewegung eines tierähnlichen Wesens aus, das aus einem der Bewässerungsgräben kroch und im Getreidefeld verschwand.

Eine Weile standen sie wie versteinert und warteten, dann ritten sie weiter. Sie hatten erst ein kurzes Stück Wegs zurückgelegt, als aus den Wäldern hinter ihnen ein tiefes, gieriges Heulen aufstieg. Amberle umfaßte Wil fester und drückte ihren Kopf an seinen Rücken.

»Dämonen-Wölfe«, sagte Allanon ruhig. »Sie haben unsere Spur aufgenommen.«

Er schlug Spitter die Hacken in die Flanken, und das Pferd fiel in einen leichten Trab. Artaq schnaubte angstvoll und folgte. Andere Dämonen-Wölfe stimmten in das Heulen ein, und dann dröhnte das laute Knacken von Ästen und Zweigen, als viele Leiber durch die Bäume brachen.

»Reitet zu!« rief Allanon.

Die Pferde sprangen vorwärts, schwenkten aus dem Schutz des Waldsaums in scharfem Winkel nach links. Im Galopp donnerten sie an den Feldern entlang, folgten der Linie des Hauptbewässerungsgrabenszur Öffnung des Tals, die den Weg ins offene Grasland freigab. Rings um sie herum widerhallte es vom gierigen, wilden Geheul der Dämonen-Wölfe. Gigantische, zuckende Schatten setzten in Riesensprüngen über Getreidehalme und Maisstengel und rasten wie toll vor Mordgier auf sie zu. Wil beugte sich tief über Artaqs Hals und trieb den schwarzen Rappen an. Der Paß, der aus dem Tal herausführte, kam in Sicht.

Ein halbes Dutzend knurrender, fauchender Schatten brach aus dem Wald vor ihnen, wolfsähnliche Wesen von riesenhafter Gestalt. Ihre Gesichter wirkten auf groteske Weise menschlich, als sie sie im Mondlicht emporhoben und die scharfen Zähne fletschten. Allanon ritt ihnen direkt entgegen. Blaue Flammen züngelten an den Fingern der Hand, die er drohend emporschwang. Gleich darauf schnellten die Flammen lodernd mitten in das Rudel hinein, brennend heiß, so daß die Wölfe wie rasend auseinanderstoben. Mittendurch jagte der Druide, und sein Pferd wieherte schrill vor Angst und Schrecken.

Artaq hatte den Druiden und die Dämonen-Wölfe schon hinter sich gelassen, flog in gestrecktem Galopp dem offenen Flachland entgegen. Mehrere dunkle Leiber stürzten aus dem Schutz der Felder, die vor ihnen lagen, und gierige Mäuler schnappten nach den Läufen des Rappen. Artaq ließ sich nicht aufhalten. Er prallte mit der Schulter gegen eines der greulichen Wesen, so daß dieses sich überschlagend zu Boden stürzte. Die anderen blieben rasch zurück. Wil beugte sich noch tiefer über den Hals des Pferdes, zog Amberle mit sich hinunter und ließ die Zügel lockerer. Zu ihrer Rechten tauchte eine neue Schar Dämonen-Wölfe auf.

Ihr wütendes Heulen erfüllte die Nacht. Blaue Flammen fuhren wie Messerklingen in den blutrünstigen Haufen hinein, und das Geheul wurde zu jämmerlichem Schmerzensgeschrei. Artaq jagte weiter.

Dann brach aus dem vor ihnen hegenden Wald ein einzelner Dämonen-Wolf hervor, ein gewaltiges Wesen, das an dem Flüßchen entlangschoß, aus dem die Bewässerungsgräben gespeist wurden. Er raste vorwärts, um sie abzufangen, flog mit unglaublicher Geschwindigkeit dahin, geschmeidig in seinen Bewegungen und völlig lautlos. Wil spürte, wie ein kalter, harter Klumpen sich in seiner Brust zusammenzog. Das Ungeheuer verkürzte den Abstand zu ihnen allzu rasch; sie würden ihm nicht entkommen. Er tat das einzige, was ihm einfiel. Er feuerte Artaq mit einem wilden Schrei der Verzweiflung an und ließ ihm die Zügel schießen. Der mächtige Rappe reagierte sofort, vermochte es, neue Kräfte zu mobilisieren. Sein Schritt wurde ausgreifender. Das Ungeheuer hatte sie fast eingeholt, ein finsteres Schreckgespenst, das plötzlich aus der Nacht aufzutauchen schien. Wil schloß die Augen und stieß erneut einen Schrei aus. Artaq wieherte wie zur Erwiderung, dann übersprang er mit einem gewaltigen Satz das Flüßchen. Sobald seine Hufe das andere Ufer berührten, jagte er aus den Wäldern und Feldern von Havenstead hinaus, dem offenen Flachland zu.

Sekundenlang ließ Wil die Augen geschlossen, klammerte sich nur blind an Artaqs Hals und überließ sich den sicheren Bewegungen des kräftigen Tieres, als dieses in die Nacht floh. Als er endlich den Kopf wieder hob und einen Blick nach rückwärts wagte, sah er, daß sie allein waren. Feuer und Rauch stiegen aus der Finsternis des Tals, und die Nacht erzitterte unter schrecklichem Jaulen und Winseln. Von den Dämonen-Wölfen war keine Spur zu sehen. Von Allanon allerdings auch nicht.

Ohne zu überlegen, zügelte Wil den Rappen mit heftiger Bewegung und riß ihn herum. Allanons Anweisungen waren klar und bestimmt gewesen. Unter keinen Umständen durfte er umkehren. Amberle mußte seine vordringlichste Sorge gelten. Sie war seinem Schutz anvertraut; sie mußte behütet werden um jeden Preis. Er warf einen raschen Blick auf das kindliche Gesicht hinter sich. Die grünen Augen blickten ihn fragend an. Er wußte, was er zu tun hatte. Und doch wußte er auch, daß der Druide noch im Tal war, inmitten der Ungeheuer, vielleicht in Gefahr. Wie konnte er ihn einfach im Stich lassen und davonreiten?

Nur einen Moment hielt seine Unschlüssigkeit an. Dann sah er Spitter, der wie von Furien gejagt aus dem Tal hervorschoß. Und tief über seinem Hals hing der Druide, dessen schwarze Gewänder sich im Wind bauschten, während hinter ihm der Himmel blutrot loderte. Dichtauf folgten die Dämonen-Wölfe mit gewaltigen zottigen Leibern und heulten ihren Haß auf die Menschen heraus, die ihnen entkommen waren.