Выбрать главу

Als sie das Feuer erreichten, drehte Cephelo sich unvermittelt um.

»Nun, was soll es zuerst sein — eine Mahlzeit oder ein Bad?«

Wil verschwendete nicht einmal einen Blick an Amberle.

»Ein Bad, denke ich — auch für meine Schwester, wenn Ihr das Wasser entbehren könnt.«

»Das können wir.« Cephelo nickte und drehte sich um. »Eretria!«

Seide raschelte, und gleich darauf sah sich Wil einem Mädchen von atemberaubender Schönheit gegenüber. Sie war so klein und zierlich wie Amberle, doch sie hatte nichts von der kindlichen Unschuld des Elfenmädchens. Dichtes schwarzes Haar ergoß sich in lockigem Schwall über ihre Schultern, ein Gesicht umrahmend, das von ebenmäßiger Schönheit war. Unergründlich und geheimnisvoll blickten die dunklen Augen. Das Mädchen trug hohe Lederstiefel, dazu eine Hose und einen Kittel aus scharlachroter Seide, welche die weiblichen Formen wohl bedeckten, aber nicht verhüllten. Silber blitzte an Handgelenken und Hals.

Wil starrte sie voll Erstaunen an und konnte den Blick nicht von ihr wenden.

»Meine Tochter Eretria.« Cephelos Stimme klang gelangweilt. Er wies auf Amberle. »Kümmere dich um das Elfenmädchen. Sie möchte ein Bad nehmen.«

Eretria lächelte spitzbübisch. »Es wäre viel reizvoller, wenn ich mich um ihn kümmern dürfte«, bemerkte sie mit einem Nicken zu Wil hin.

»Tu, was ich dir gesagt habe«, befahl ihr Vater scharf.

Eretria ließ Wil nicht aus den Augen.

»Dann komm, Mädchen«, forderte sie Amberle auf.

Gleich darauf wandte sie sich ab und war verschwunden. Amberle folgte ihr. Übermäßig beglückt schien sie nicht.

Cephelo führte Wil auf die andere Seite des Lagers, wo zwischen zwei Wagen ein kleiner Platz durch aufgehängte Decken abgeschirmt war. Hinter den Decken wartete ein Zuber mit Wasser. Wil entledigte sich seiner Kleider und legte sie ordentlich auf den Boden neben sich. Er merkte sehr wohl, daß der Führer der Fahrensleute jedes Stück, das er ablegte, genau musterte. Er wollte wohl sehen, ob er etwas von Wert besäße. Wil achtete darauf, daß ihm der Beutel mit den Elfensteinen nicht aus der Tasche seines Kittels fiel.

Nachdem er sich völlig entkleidet hatte, stieg er in den Zuber, um sich den Schmutz und den Schweiß des langen Marsches wegzuwaschen.

»Es kommt nicht häufig vor, daß wir einem Heiler begegnen, der bereit ist, Fahrensleute zu behandeln«, bemerkte Cephelo nach einer Weile. »Im allgemeinen müssen wir selbst uns um unsere Kranken kümmern.«

»Ich habe bei den Stors gelernt«, antwortete Wil. »Sie leisten jedem Hilfe, der Hilfe braucht.«

»Bei den Stors?« Cephelo machte kein Hehl aus seiner Verwunderung. »Aber die Stors sind doch Gnomen.«

Wil nickte. »Ich war eine Ausnahme.«

»Ihr scheint mir in vieler Hinsicht eine Ausnahme zu sein«, stellte Cephelo fest. Er ließ sich auf einer Bank nieder und betrachtete den Talbewohner, während dieser sich abtrocknete und dann daranging, seine Kleider auszuwaschen. »Wir haben Arbeit für Euch, so daß Ihr Euer Essen und Eure Unterkunft bei uns bezahlen könnt, Heiler. Es gibt einige unter uns, die Eure Hilfe brauchen.«

»Ich bin gern bereit zu tun, was ich kann«, erwiderte Wil.

»Gut.« Cephelo nickte zufrieden. »Ich will sehen, ob ich ein paar trockene Sachen für Euch finden kann.«

Er stand auf und ging davon. Augenblicklich nahm Wil den Beutel mit den Elfensteinen aus der Tasche seines Kittels und ließ ihn in seinen Stiefel gleiten. Dann wusch er weiter seine Kleider. Es dauerte nicht lange, dann kam Cephelo mit einem Bündel seidener Gewänder zurück. Wil nahm sie dankend entgegen und kleidete sich an. Der Klumpen an der Fußspitze seines rechten Stiefels drückte zwar höchst unangenehm, doch das würde er eben aushalten müssen. Cephelo rief die alte Frau herbei, die zuvor das Wasser gebracht hatte, und befahl ihr, Wils nasse Kleider mit sich zu nehmen. Der Talbewohner reichte ihr die Sachen wortlos; er wußte, daß sie gründlich durchsucht werden würden.

Danach kehrten die beiden Männer zum Feuer in der Mitte des Lagers zurück, wo wenig später Amberle sich zu ihnen gesellte. Auch sie trug seidene Gewänder wie Wil. Beide bekamen nun einen Teller mit dampfendem Essen und einen Becher Wein. Sie saßen am Feuer und aßen schweigend, während die Fahrensleute sich rundum niederließen, um sie neugierig zu beobachten. Cephelo hockte sich mit gekreuzten Beinen auf einem Sitzkissen mit goldenen Quasten nieder und beobachtete seine beiden Gäste mit ausdrucksloser Miene. Von Eretria war nirgends eine Spur zu sehen.

Nach dem Essen versammelte der Führer der Fahrensleute jene Mitglieder seiner Familie um sich, die der Fürsorge eines Heilers bedurften. Nacheinander untersuchte und behandelte der Talbewohner die Patienten. Obwohl er Amberle nicht um ihre Hilfe gebeten hatte, arbeitete sie an seiner Seite, hielt Bandagen und heißes Wasser bereit, ging ihm beim Auflegen einfacher Kräuterpflaster und Salben zur Hand. Als Wil nach etwa einer Stunde den letzten Patienten versorgt hatte, trat Cephelo zu ihm.

»Ihr habt Eure Arbeit gut gemacht, Heiler.« Er lächelte ein wenig freundlich. »Nun wollen wir sehen, was wir als Gegenleistung für Euch tun können. Begleitet mich doch ein Stück — hier hinunter.«

Er legte Wil Ohmsford einen Arm um die Schultern und führte ihn weg vom Feuer. Amberle blieb allein zurück. Die beiden Männer schlenderten zur anderen Seite des Lagers.

»Ihr habt mir berichtet, daß Euch gestern nacht nicht weit von unserm Lager am Mermidon Euer Pferd abhanden gekommen ist.« Die Stimme Cephelos klang nachdenklich. »Wie hat das Tier denn ausgesehen?«

Wils Miene blieb ausdruckslos. Er kannte das Spiel, was da gespielt wurde.

»Es ist ein Hengst, ein schwarzer Hengst.«

»Ach was.« Cephelo schien noch nachdenklicher als zuvor. »Gerade ein solches Pferd haben wir heute morgen gefunden. In aller Frühe. Ein sehr schönes Tier. Es wanderte in unser Lager herein, als wir gerade anspannten, um wieder aufzubrechen. Vielleicht war das Euer Pferd, Heiler.«

»Vielleicht.«

»Wir wußten selbstverständlich nicht, wem das Tier gehört.« Cephelo lächelte. »Deshalb haben wir es mitgenommen. Sehen wir es uns doch einmal an.«

Dreißig Schritte vom Lager entfernt waren die Pferde der Fahrensleute in einer Reihe nebeneinander angepflockt. Zwei dunkle Gestalten tauchten aus der Nacht auf, Wachposten, die mit Spießen und Pfeil und Bogen bewaffnet waren. Auf ein Wort von Cephelo verschwanden sie wieder. Der Führer der Fahrensleute führte Wil an der Reihe von Pferden entlang. Das letzte Tier war Artaq.

Wil nickte. »Ja, das ist unser Pferd.«

»Trägt es Euer Zeichen, Heiler?« fragte Cephelo beinahe so, als sei ihm die Frage peinlich.

Wil schüttelte den Kopf.

»Ach, das ist aber sehr schade, denn dann läßt sich natürlich nicht mit Sicherheit feststellen, ob es sich tatsächlich um Euer Pferd handelt. Es gibt schließlich in den Vier Ländern eine stattliche Anzahl von Rapphengsten, und wie sollen wir sie voneinander unterscheiden, wenn ihre Eigentümer sie nicht kennzeichnen ? Das ist nun wirklich ein Problem, Heiler. Nichts wünsche ich mehr, als Euch dieses Pferd zu geben, doch ich ginge damit ein großes Risiko ein. Nehmt an, ich gebe Euch das Tier, wie ich das wünsche, und dann taucht ein anderer Mann auf und erzählt mir, daß er ebenfalls einen schwarzen Hengst verloren hat, und dann entdecken wir, daß ich irrtümlich Euch sein Pferd gegeben habe. Dann wäre ich ja wohl verantwortlich für den Verlust dieses Mannes.«

»Ja, da habt Ihr wahrscheinlich recht.«

Wil nickte mit wohldosiertem Zweifel, ohne der lächerlichen Mutmaßung Cephelos zu widersprechen. Das gehörte schließlich auch zum Spiel.

»Ich glaube Euch natürlich.« Cephelos bärtiges Gesicht drückte feierlichen Ernst aus. »Wenn man überhaupt einem Menschen auf dieser Welt vertrauen kann, dann doch gewiß einem Heilkundigen.« Er lächelte listig. »Dennoch gehe ich ein gewisses Risiko ein, wenn ich mich dafür entscheide, Euch das Tier auszuhändigen — diese Tatsache kann ich als praktischer Mensch in einem oft harten Geschäft nicht übersehen. Hinzu kommt die Pflege und Versorgung des Tieres. Wir haben uns mit der gleichen Fürsorge um den Hengst gekümmert wie um unsere eigenen Pferde; wir haben ihm die Nahrung zu fressen gegeben, die wir unseren eigenen Tieren geben. Ihr werdet sicher Verständnis dafür haben, wenn ich sage, daß uns meiner Meinung nach für all diese Fürsorge ein Entgelt zusteht.«