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»Was sagte denn Cephelo zu diesem Teufel?«

Amberle lächelte schwach. »Er kennt keine Angst vor Teufeln. Er beabsichtigt, dennoch durch den Tirfing zu reisen — er scheint fest entschlossen zu sein. Ich habe die Vermutung, daß er dort Geschäfte abwickeln will, die nicht zulassen, daß er den Tirfing meidet. Der Rest der Familie ist nicht allzu glücklich über seine Entscheidung.«

Wil nickte. »Das kann ich verstehen.«

In stetiger Fahrt rollten die Wagen westwärts bis zum Mittag. Dann machte man kurz Rast, um hastig ein Mittagsmahl zu verzehren. Wil fühlte sich inzwischen viel besser und konnte sogar etwas von dem Dörrfleisch und den Gemüsen essen, aus denen die Mahlzeit bestand. Cephelo erkundigte sich höflich nach seinem Befinden, ließ sich aber nicht auf ein längeres Gespräch ein, sondern entfernte sich bald wieder, in Gedanken offensichtlich bei anderen Dingen. Mit gesenkten Stimmen unterhielten sich die Fahrensleute über den Teufel, der angeblich in Tirfing sein Unwesen treiben sollte, und Wil sah deutlich, daß die Familie recht beunruhigt war über den Bericht des alten Fallenstellers. Fahrensleute waren von Natur aus abergläubisch, und Cephelos Entschluß, eine solche Warnung einfach zu mißachten, fand nicht viel Anklang.

Der Nachmittag verflog rasch. Einmal setzte sich Wil eine Weile auf den Bock des Wagens und lenkte die Pferde, während die alte Frau ruhte. Amberle saß an seiner Seite, während er das Vierergespann im Zug der Wagen über die weite, grasbewachsene Ebene steuerte. Sie summte leise vor sich hin und sprach sehr wenig mit ihm. Wil ließ sie in Frieden, konzentrierte sich auf seine Aufgabe als Wagenlenker, während er sinnend den Blick über die Grenzenlosigkeit der Ebene schweifen ließ. Mehrmals ritt Cephelo auf einem großen Fuchs an ihnen vorüber. Sein waldgrüner Umhang bauschte sich hinter ihm, und auf seinem dunklen Gesicht schimmerte ein dünner Schweißfilm. Einmal erhaschte Wil einen flüchtigen Blick auf Artaq, als die Reservepferde an den Wagen vorbei zu einem Wasserloch irgendwo vor dem Zug getrieben wurden. Der Rappe wurde nicht geritten, es schien, als hätte sich Cephelo noch nicht entschieden, was er mit ihm anfangen wollte.

Eine gute Stunde vor Sonnenuntergang erreichten sie den Tirfing, eine Landschaft kleiner, von lichten Wäldern umgebener Seen. Weit im Westen, unter der rotglühenden Kugel der untergehenden Sonne, dehntensich die dunklen Westlandwälder. Über einen holprigen Trampelpfad, den zahllose Wanderer vor ihnen ausgetreten hatten, wand sich der Zug der Fahrensleute aus der Ebene in das waldreiche Gebiet des Tirfing. Die sengende Hitze, die sie durch das weite Flachland begleitet hatte, blieb hinter ihnen zurück, als sie tiefer in das Grün der Bäume eindrangen, und mit dem Nahen des Abends wurden die Schatten, die vor ihnen auf den Weg fielen, länger. Durch Schneisen in den Wäldern sahen sie hier und dort das silberne Wasser der Seen blitzen, von denen das Land rundherum überzogen war.

Die Dunkelheit war hereingebrochen, als Cephelo schließlich auf einer großen, von Eichen umfriedeten Lichtung halten ließ. Mehrere hundert Fuß nördlich glitzerte ein kleiner See. Die Wohnwagen formierten sich wie immer zum Kreis, und langsam kamen die holpernden, ächzenden Wagen zum Stehen. Wil war so steif, daß er sich kaum noch bewegen konnte. Während die Männer ausspannten und die Frauen mit den Vorbereitungen zum Nachtmahl begannen, kletterte Wil steifbeinig vom Bock herunter, um sich ein wenig die Füße zu vertreten. Amberle ging in der anderen Richtung davon, er folgte ihr nicht. Statt dessen hinkte er zwischen zwei Wagen hindurch zu den Bäumen, welche die Lichtung umgaben, und machte dort halt, um die schmerzenden Glieder zu strecken und seine Muskeln zu lockern.

Plötzlich hörte er Schritte, und als er sich umwandte, sah er, daß Eretria sich näherte, ihre zierliche Gestalt glitt wie ein Schatten durch das abendliche Zwielicht. Sie trug hohe Stiefel und ein Reitkostüm aus Leder, dazu eine rotseidene Schärpe um die Hüfte. Vom Wind zerzaust fiel ihr das üppige schwarze Haar auf die Schultern. Sie lächelte, als sie zu ihm trat, und ihre dunklen Augen blitzten spitzbübisch.

»Entferne dich nur nicht so weit vom Lager, Wil Ohmsford«, sagte sie. »Sonst läufst du plötzlich einem Teufel in die Arme. Das wäre doch schrecklich.«

»Für den Teufel oder für mich?« gab Wil mit einem Lächeln zurück. »Aber ich habe ohnehin nicht die Absicht, mich allzuweit vom Lager zu entfernen, denn mein Hunger ist viel zu groß.«

Vorsichtig ließ er sich ins hohe Gras nieder und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen der Eichenstämme. Eretria betrachtete ihn ein Weilchen stumm, dann setzte sie sich neben ihn.

»Was hast du denn den ganzen Tag getrieben?« erkundigte sich Wil, nur um etwas zu sagen.

»Ich hab’ dich beobachtet«, antwortete sie und lächelte schalkhaft, als sie den Ausdruck sah, der auf sein Gesicht trat. »Du hast mich natürlich nicht bemerkt. Das solltest du auch nicht.«

Er spürte Unbehagen. »Ja, und warum hast du mich beobachtet?«

»Cephelo wollte es.« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Er traut dir nicht über den Weg — und dem Elfenmädchen auch nicht, das angeblich deine Schwester ist.«

Sie blickte ihm jetzt ganz keck ins Gesicht, als wollte sie ihn herausfordern, ihr zu widersprechen. Eine Aufwallung von Panik ergriff Besitz von Wil.

»Amberle ist meine Schwester«, erklärte er so bestimmt, wie er konnte.

Eretria schüttelte den Kopf.

»Sie ist so wenig deine Schwester, wie ich Cephelos Tochter bin. Die Blicke, die sie dir zuwirft, sind nicht die einer Schwester; ihre Augen verraten, daß sie dir etwas anderes ist. Aber mir ist das gleichgültig. Wenn du möchtest, daß sie als deine Schwester gilt, dann soll es so sein. Nur laß dich von Cephelo nicht bei diesem kleinen Spielchen ertappen.«

Wil starrte sie verdutzt an.

»Augenblick«, sagte er. »Was soll das heißen, sie ist so wenig meine Schwester, wie du Cephelos Tochter bist? Er hat doch gesagt, daß du seine Tochter bist, oder nicht?«

»Das was Cephelo sagt, und das, was wahr ist, stimmt nicht unbedingt überein — es stimmt sogar höchst selten überein.« Sie neigte sich ihm ein wenig zu. »Cephelo hat keine Kinder. Er kaufte mich meinem Vater ab, als ich fünf Jahre alt war. Mein Vater war arm und konnte mir nichts bieten. Er hatte noch andere Töchter. Jetzt gehöre ich Cephelo. Aber ich bin nicht seine Tochter.«

Sie erklärte das so sachlich, daß Wil im ersten Moment überhaupt nicht wußte, was er darauf sagen sollte. Sie sah seine Verwirrung und lachte.

»Wir sind Fahrensleute, Wil — du kennst unsere Sitten und Gebräuche. Außerdem hätte es für mich viel schlimmer kommen können. Es hätte mir passieren können, daß ich an einen viel geringeren Mann verkauft worden wäre. Cephelo ist ein Führer; er genießt Achtung und hat einen hohen Rang inne. Das kommt auch mir als seiner Tochter zugute. Ich habe mehr Freiheit in meinem Leben als die meisten Frauen. Und ich habe viel gelernt, Heller. Ich kann es mit den meisten aufnehmen.«

»Das bezweifle ich nicht«, meinte Wil. »Aber warum erzählst du mir das alles?«

Sie schürzte spitzbübisch die Lippen.

»Weil ich dich mag — warum sonst?«

»Das eben möchte ich gern wissen.« Er ignorierte ihren Blick.

Mit einer plötzlichen Bewegung richtete sie sich auf. Ihr Gesicht zeigte Verstimmung.

»Bist du mit diesem Elfenmädchen verheiratet? Ist sie dir versprochen?«

Seine Überraschung war deutlich.

»Nein.«

»Gut.« Die Verstimmung löste sich auf. Das Schalklächeln blitzte wieder in ihrem Gesicht. »Cephelo hat nicht die Absicht, dir dein Pferd zurückzugeben.«

Wil reagierte mit Vorsicht auf diese Behauptung.

»Das weißt du?«

»Ich weiß, wie er ist. Er wird dir das Pferd nicht zurückgeben. Er wirddich deiner Wege gehen lassen, wenn du ihm keinen Ärger machst und nicht versuchst, dir dein Pferd selbst wiederzuholen; aber das Pferd gibt er dir bestimmt nicht zurück.«