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Wil führte Amberle ein paar Schritte von der Gruppe der anderen fort.

»Halte dich immer dicht bei mir«, sagte er leise. »Geh auf keinen Fall von mir weg.«

Mit forschendem Blick sah sie ihn erschrocken an. »Glaubst du —?«

Das Gespräch der beiden wurde unterbrochen, als Cephelo plötzlich in die Hände klatschte und nach Musik rief. Mit lauten Rufen ermunterte er die anderen, es ihm nachzutun. Wil und Amberle folgten. Ein paar Beifallsrufe wurden laut, als Cephelo im Tanzschritt um das Feuer sprang.

Wil blickte sich voller Unbehagen um.

»Wenn da draußen irgendwas herumschleicht und womöglich das Lager angreift, dann verschwinden wir hier. Wir werden versuchen, an Artaq heranzukommen, und dann die Flucht wagen. Bist du bereit das zu riskieren?«

Sie nickte. »Sehr.«

Silbern klirrten die Becken, und die Saiteninstrumente sangen leise. Viele Hände klatschten in stetigem Rhythmus, ruhig und sicher.

Da brach das schreckliche Brüllen von neuem los. Ganz nahe diesmal dröhnte es wild und fürchterlich aus der Finsternis. Und in das Gebrüll mischten sich die Schreie der Wachposten, die voller Entsetzen waren. »Teufel! Teufel!« schrieen die Männer am Rande der Lichtung.

Die Leute am Feuer stoben auseinander. Die Männer stürzten zu ihren Waffen, während Frauen und Kinder in heilloser Verwirrung flohen. Ein Aufschrei, dünn und hoch, übertönte das allgemeine Lärmen. Beinahe augenblicklich erstarb er wieder. Jenseits des Wagenrings schob sich ein massiger dunkler Schatten durch die Nacht.

»Ein Dämon!« Wil flüsterte das Wort beinahe ohne Überlegung.

Einen Augenblick später tauchte das Geschöpf in einer Lücke zwischen zwei Wohnwagen auf. Es schob die kleinen Häuser auf Rädern auseinander, als seien sie aus Pappe. Kein Zweifel, es war ein Dämon, aber viel, viel größer als die Ungeheuer, vor denen Wil und Amberle aus Havenstead geflohen waren. Er bewegte sich auf zwei Beinen vorwärts und war mehr als fünfzehn Fuß groß. Der massige Körper, schwerfällig und gebeugt, war mit einer schwieligen, graubraun gesprenkelten Haut bedeckt, die in schweren Falten um Rumpf und Glieder schlotterte. Ein Schuppenkamm lief vom Hals des Geschöpfes den ganzen Rücken und beide Beine hinunter. Das Gesicht war eine leere Maske des Nichts, ein von Zähnen blitzender Rachen, aus dem das tiefe, dröhnende Brüllen hervorquoll. In zwei gewaltigen, klauenbewehrten Händen baumelte der leblose Körper eines der Wachposten.

Der Dämon schleuderte den Toten zur Seite und kam näher. Cephelo und ein Dutzend anderer Männer traten ihm mit Spießen und Schwertern entgegen. Einige Hiebe durchbohrten die dicke Haut, doch die meisten wurden abgewehrt. Das Ungeheuer bewegte sich langsam und schwerfällig, verfügte jedoch über unglaubliche Kräfte. Mit schlürfendem Schritt trampelte es die Mauer der Verteidiger einfach nieder, fegte die Männer, die sich ihm entgegenstellten, mühelos aus seinem Weg. Cephelo warf sich dem Dämon direkt in den Weg und schnellte sich mit einem gewaltigen Sprung vom Boden ab, um dem Ungeheuer das Schwert in den aufgerissenen Rachen zu stoßen. Das monströse Geschöpf zermalmte das Schwert mit einem Biß in kleine Splitter, während seine Klauenhände nach dem Führer der Fahrensleute faßten. Cephelo war flink und entkam, doch ein anderer Mann, der in seiner Hast über die eigenen Füße stolperte, ging zu Boden. Schwer wie ein Felsbrocken fiel der Fuß des Dämonen auf den hilflos am Boden liegenden Mann.

Wil zog Amberle zur anderen Seite des Lagers, wo die Pferde festgemacht waren. Da sah er, wie auch Cephelo zu Boden ging. Die Verteidiger versuchten, die Beine des Dämonen zu umklammern, um ihn aufzuhalten, als ein massiger Arm mit wuchtigem Schlag den Führer der Fahrensleute traf, so daß er Hals über Kopf zu Boden stürzte. Wil sah, wie die anderen Männer Cephelo zu Hilfe kamen. Zwei packten den leblosen Körper und brachten ihn in Sicherheit, während die anderen mit Spießen und Schwertern auf das Ungeheuer einhieben, um es abzulenken. Der Dämon wirbelte herum und streckte die Arme nach dem nächsten Wohnwagen aus. Er packte das schwere Gefährt und kippte es mit einem einzigen Stoß um. Der Wagen stürzte krachend auf die Seite, die Holzwände gingen in Trümmer, aus Metall gearbeitete Schmuckstücke und Ballen leuchtender Seide rollten und sprangen auf die Lichtung hinaus. Wütend schrieen die Verteidiger auf und erneuerten ihren hoffnungslosen Angriff.

Amberle zog ungeduldig an Wils Arm, doch noch immer zögerte dieser. Er konnte einfach nicht glauben, daß dieses gewaltige und so schwerfällige Ungeheuer es fertiggebracht haben sollte, ihnen den ganzen Weg von Havenstead zu folgen. Nein, dieses Geschöpf war allein durch die Mauer der Verfemung entkommen und blindlings in den Tirfing eingedrungen, wo es durch Zufall auf den Wagenzug gestoßen war. Es war allein, doch von solcher Kraft und Zerstörungswut, daß die Fahrensleute — das war schon jetzt klar — ihm nicht gewachsen waren. Sie mochten sich noch so sehr bemühen, den Dämonen aufzuhalten, er würde mit Sicherheit das ganze Lager zerstören.

Fliehen aber wollten die Fahrensleute nicht. Die bunten Wagen, die schwerfälligen Häuser auf Rädern — sie waren ihre Heimat, ihr ganzer Besitz. Nein, fliehen würden die Fahrensleute auf keinen Fall. Sie würden sich dem Kampf stellen, und wenn sie das taten, dann würden sie sterben. Der Dämon war ein Wesen aus einem anderen Zeitalter; er verfügte über Kräfte, die den menschlichen Kräften weit überlegen waren. Nur eine Kraft, die so groß war wie die seine, konnte ihn aufhalten. Wil Ohmsford allein besaß diese Kraft. Doch dies war nicht sein Kampf. Die Fahrensleute hatten ihn bestohlen; er schuldete ihnen nichts. Verantwortlich war er in erster Linie für Amberle. Das beste war, sie bei der Hand zu nehmen und rasch zu fliehen. Doch wenn er das tat, was würde dann aus den Fahrensleuten werden — nicht nur aus den Männern, sondern auch aus Frauen und Kindern? Hatten sie ihm etwas angetan? Ohne seine Hilfe hatten sie gegen den Dämon überhaupt keine Chance.

Seine Unschlüssigkeit wurde noch größer, als ihm einfiel, was sein Großvater ihm einmal berichtet hatte. Als er auf der Flucht vor dem Dämonen-Lord die Elfensteine gebraucht hatte, hatte er auf diese Weise dem Feind, ohne es zu wollen, genau gesagt, wo er gefunden werden konnte. So konnte es auch jetzt sein. Unter diesen Dämonen gab es zweifellos einige, die der Zauberkunst mächtig waren; Allanon hatte ihm das ja gesagt. Wenn er jetzt die Kraft der Elfensteine mobilisierte, würde er diesen Ungeheuern vielleicht verraten, wo er und Amberle sich im Augenblick befanden.

Er warf einen raschen Blick auf Amberle. Was sie in seinen Augen sah, verriet ihr sogleich, was er vorhatte. Wortlos ließ sie seinen Arm los. Er riß sich seinen rechten Stiefel herunter und griff hinein, um die Elfensteine herauszuholen. Versuchen wenigstens mußte er es, sagte er sich. Das war das mindeste, was er tun konnte. Er konnte diese Leute nicht einfach sterben lassen. Mit fliegenden Fingern zog er den Beutel auf und ließ die drei blauen Steine in seine Hand gleiten. Sie in der fest geschlossenen Faust haltend, machte er sich auf den Weg zurück ins Lager.

»Bleib du hier«, sagte er zu Amberle.

»Nein, warte!« rief sie ihm nach, doch er rannte schon über die Lichtung.

Der Dämon hatte sich von den Wagen abgewandt und trieb jetzt die Fahrensleute vor sich her, während er zur Mitte des Lagers strebte. Cephelo stand wieder auf den Füßen. Schwankend lehnte er an einem der Wagen und feuerte die Verteidiger mit lauten Rufen an. Wil rannte, bis ihn noch höchstens dreißig Schritte von den Kämpfern trennten. Da blieb er stehen, hob die Faust über seinen Kopf und beschwor die Kraft der Elfensteine.

Nichts geschah.

Eisiges Entsetzen erfaßte ihn. Das, was er am meisten befürchtet hatte, war geschehen — er konnte die Kraft der Elfensteine nicht lenken, Allanon hatte sich geirrt. Nur sein Großvater hatte die Kraft der Steine beschwören können; er vermochte es nicht. Ihm standen sie nicht zu Gebote. Ihm gehorchten sie nicht.