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Aber sie mußten es! Er versuchte es noch einmal. Während er sich auf die Form und Substanz der Steine in seiner Hand konzentrierte, rief er die Zauberkräfte an, die irgendwo in ihrem Inneren verborgen lagen. Doch noch immer geschah nichts. Diesmal jedoch spürte er etwas, was ihm zuvor entgangen war — eine Sperre, die sich seinen Bemühungen entgegenstellte, eine Sperre, die sich irgendwo in seinem eigenen Inneren befand.

Die Rufe und Schreie der Fahrensleute brachen in seine Überlegungen ein, und er sah, daß der Dämon direkt auf ihn zukam. Die Verteidiger befanden sich jetzt hinter dem Geschöpf, stachen und hieben mit ihren Waffen nach seinen Beinen und Flanken, während sie sich bemühten, es von Wil abzulenken. Mit gewaltigem Arm schlug der Dämon zu, zwei der Männer stürzten, während die anderen angstvoll auseinanderstoben. Das dröhnende Gebrüll quoll aus dem aufgerissenen Rachen. Auf eine abgebrochene Lanze gestützt eilte Cephelo hinkend zu seinen kämpfenden Leuten. Seine Kleider waren zerfetzt und von Staub und Blut bedeckt. Wil sah das Geschehen wie aus weiter Ferne, während er sich verzweifelt bemühte, die Kraft freizusetzen, die in den Elfensteinen eingeschlossen war. Der Gedanke zu fliehen kam ihm gar nicht; unerschütterlich stand er in der Mitte des Lagers, eine einsame Gestalt, die einen Arm zum Nachthimmel emporgeschwungen hatte.

Plötzlich tauchte Eretria auf. Ihre schlanke, zierliche Gestalt huschte wie ein Schatten zwischen Dämon und Talbewohner hindurch, während eine braune Hand dem Ungeheuer eine lodernde Fackel ins Gesicht schleuderte. Der Dämon fing das brennende Holz mit seinem Maul auf, schlug krachend die mächtigen Kiefer darüber zusammen; doch er blieb dabei stehen, als machten ihm Feuer und Rauch etwas zu schaffen. Eretria nutzte diese Gelegenheit, um Wil am Arm zu packen und hastig nach hinten zu ziehen, bis sie beide stolperten und zu Boden stürzten.

Augenblicklich scharten sich die Verteidiger wieder um sie, rissen brennende Holzscheite vom Feuer und schleuderten sie dem Dämon entgegen, um ihn in Verwirrung zu bringen. Doch das Ungeheuer rückte schon wieder vor. Hastig sprang Wil wieder auf die Beine und zog Eretria mit sich hoch. In demselben Augenblick tauchte Amberle an seiner Seite auf. In ihren kleinen Händen hielt sie mit festem Griff einen langen Spieß. Wortlos nahm Wil sie beim Arm und stieß die beiden Frauen hinter sich, während er sich gleichzeitig umdrehte, dem herankommenden Dämon die Stirn zu bieten.

Fast schon hatte das Ungeheuer sie jetzt erreicht. Wil Ohmsford streckte die Hand aus, die die Elfensteine umschloß. Keine Unschlüssigkeit, keine Verwirrung verunsicherten ihn jetzt. In die Tiefe tauchend, sprengte er die Sperre, die zwischen ihm und der Kraft der Steine stand, zertrümmerte sie mit der Kraft seines Willens, die aus Verzweiflung und dringender Notwendigkeit geboren war. Und in diesem Moment spurte er, wie etwas in seinem Inneren sich veränderte, das er nicht erklären konnte. Er hatte nur den Eindruck, daß es nicht unbedingt gut war. Es blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Tief in das Herz der Elfensteine eindringend, brachte er sie endlich zum Leben. Leuchtend blaues Licht züngelte von seiner geballten Faust in die Höhe, sammelte sich, schoß in einer Stichflamme vorwärts und traf den Dämon. Das gewaltige Ungeheuer heulte brüllend auf, als die Kraft der Steine sich brennend in es hineinfraß. Dennoch stolperte es weiter, und seine Klauenhände suchten wild tastend nach einem Opfer. Wil hielt stand. Er tauchte noch tiefer in die Steine ein und spürte, wie ihre Kraft immer stärker wurde. Alles um ihn herum verschwamm in ihrem blauen Glühen, und wieder schlugen die Elfensteine nach dem Dämon. Diesmal konnte das Geschöpf des Bösen dem Zauber nicht widerstehen. Die massige Gestalt ging in Flammen auf und wurde zu einer Säule blendenden Lichts. Einen Moment lang loderte sie tiefblau im Dunkel der Nacht, dann zerfiel sie in Asche und war verschwunden.

Langsam senkte Wil Ohmsford den Arm. Dort, wo der Dämon gestanden hatte, war jetzt nur noch verkohlte Erde, von der ein schwarzer Rauchfaden in die Dunkelheit aufstieg. Grabesstille herrschte in den Wäldern rundum, und nur das Knistern des Lagerfeuers war zu hören.

Unsicher blickte der Talbewohner in die Runde. Keiner der Fahrensleute regte sich; sie standen wie angewurzelt, die Männer noch mit kampfbereit gezückten Waffen in der Hand, die Frauen und Kinder dicht aneinandergedrängt. Und auf allen Gesichtern spiegelten sich Ungläubigkeit und Furcht. Schrecken fuhr durch alle Glieder. Würden sie sich jetzt gegen ihn wenden, da sie wußten, daß er sie getäuscht hatte? Rasch blickte er zu Amberle, doch auch die stand wie versteinert; und in ihren grünen Augen lag ein tiefes Staunen.

Dann endlich kam Cephelo hinkend auf ihn zu. Er warf die abgebrochene Lanze beiseite, als er vor dem Talbewohner stand. Sein dunkles, bärtiges Gesicht war von Ruß und Blut verschmiert.

»Wer seid Ihr?« fragte er leise. »Sagt mir, wer Ihr seid.«

Wil zögerte. »Ich bin der, der ich sagte, daß ich bin«, antwortete er schließlich.

»Nein.« Cephelo schüttelte den Kopf. »Nein, Ihr seid gewiß nicht nur ein schlichter Heiler. Ihr seid mehr als das.« Seine Stimme war barsch und drängend. »Ich habe von Anfang an recht gehabt, in Euch etwas Besonderes zu vermuten, nicht wahr?«

Wil wußte nicht, was er darauf entgegnen sollte.

»Sagt mir, wer Ihr seid«, forderte Cephelo wieder, und in seiner leisen Stimme lag ein gefährlicher Unterton.

»Ich habe Euch bereits gesagt, wer ich bin.«

»Gar nichts habt Ihr mir gesagt!« Das Gesicht des Führers der Fahrensleute färbte sich rot vor Zorn. »Ich glaube, daß Ihr von diesem Teufel wußtet. Ich glaube, daß er Euretwegen hierherkam. Ich glaube, daß all dies Euretwegen geschehen ist!«

Abwehrend schüttelte Wil den Kopf.

»Das Ungeheuer ist durch Zufall auf Euch gestoßen; und es war ebenso ein Zufall, daß ich bei Euch war, als es geschah.«

»Heiler, Ihr belügt mich!«

Wil spürte, wie auch in ihm sich der Zorn regte.

»Wer hat wen belogen, Cephelo? Das war doch Euer Spiel, das hier gespielt wurde — Ihr habt die Regeln bestimmt!«

Der hochgewachsene, dunkle Mann trat einen Schritt näher.

»Gewisse Regeln muß man Euch vielleicht erst noch lehren!«

»Das glaube ich nicht«, versetzte Wil gelassen.

Er hob ein klein wenig die Faust, in der die Elfensteine eingeschlossen waren. Cephelo entging die Geste nicht. Langsam wich er zurück. Das Lächeln, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete, war unverkennbar gezwungen.

»Ihr sagtet, daß Ihr nichts von Wert bei Euch habt, Heiler. Hattet Ihr diese da vergessen?«

»Die Steine besitzen für keinen einen Wert, außer für mich. In Eurer Hand waren sie wertlos.«

»In der Tat!« Cephelo sprach mit offenem Hohn. »Dann seid Ihr wohl ein Zauberer? Vielleicht selbst ein Teufel? Warum wollt Ihr nicht offenbaren, wer Ihr seid?«

Wil zögerte. Der Streit führte zu nichts. Er mußte dem ein Ende machen. Amberle trat neben ihn. Ihre kleine Hand berührte leicht seinen Arm. Wil fand es beruhigend, sie an seiner Seite zu wissen.

»Cephelo, Ihr müßt mir mein Pferd zurückgeben«, sagte er ruhig.

Das Gesicht des Fahrensmannes verschloß sich.

»Amberle und ich müssen unverzüglich weiter. Dieser Teufel, den ich vernichtet habe, ist nicht der einzige im Land — soviel will ich Euch immerhin sagen. Es sind noch andere Dämonen unterwegs, die es auf das Elfenmädchen abgesehen haben. Und jetzt, da ich die Steine gebraucht habe, werden sie wissen, wo wir zu finden sind. Wir müssen fort von hier — und auch Ihr müßt fort von hier.«

Eine Weile starrte Cephelo ihn wortlos an, offensichtlich unschlüssig, ob er ihm glauben sollte oder nicht. Am Ende siegte die Vorsicht über sein Mißtrauen. Er nickte kurz.

»Nehmt Euer Pferd und geht. Ich möchte mit Euch nichts mehr zu tun haben.«

Damit machte er auf dem Absatz kehrt und ging davon, während er seinen Leuten schon mit lauter Stimme Befehl gab, das Lager abzubrechen. Auch er, das war klar, hatte kein Verlangen, länger im Tirfing zu verweilen. Wil beobachtete ihn noch eine Zeitlang, dann ließ er die Elfensteine in den kleinen Lederbeutel fallen und steckte diesen wieder in seinen Kittel. Er nahm Amberle beim Arm und zog sie mit sich zu den Pferden. Dann fiel ihm Eretria ein. Er hielt nach ihr Ausschau und fand sie im Schatten der Wohnwagen. Ihre dunklen Augen sahen ihn unverwandt an.