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»Ja.«

»Als du die Elfensteine gebrauchtest, hast du da —« Sie zögerte, als sei sie sich des Wortes nicht recht sicher, das sie verwenden sollte. »Hast du dich da — verletzt?«

Überrascht blickte er sie an, und in den Tiefen seines Geistes regte sich eine plötzliche Vorahnung, unbestimmt und verschwommen noch, aber spürbar.

»Das ist eine seltsame Frage.«

»Ich weiß.« Sie nickte, und ein schwaches Lächeln huschte über ihre Züge, dann wurde ihr Gesicht wieder ernst. »Ich kann es eigentlich nicht richtig erklären — es war ein Gefühl, das ich bekam, als ich dich beobachtete. Anfangs hatte es den Anschein, als könntest du den Elfensteinen gar nicht deinen Willen aufzwingen. Du hast sie hochgehalten und es geschah nichts, obwohl ganz deutlich zu sehen war, daß du versuchtest, dich ihrer Kraft zu bedienen, um den Dämon aufzuhalten. Und als die Steine dann schließlich doch reagierten, da ging eine Veränderung mit dir vor — dein Gesicht zeigte es ganz deutlich — es sah aus wie ein großer Schmerz.«

Wil nickte sinnend. Er erinnerte sich jetzt, und die Erinnerung war nicht erfreulich. Bis zu diesem Augenblick hatte er sie aus seinem Geist verbannt gehabt — ohne nachzudenken, beinahe wie im Unbewußten. Selbst jetzt wußte er nicht, warum er das getan hatte. Und erst in diesem Augenblick, als sie es ihm ins Gedächtnis zurückrief, erinnerte er sich dessen, was er empfunden hatte.

Anteilnahme spiegelte sich in den Augen des Elfenmädchens, als sie ihn jetzt anblickte.

»Wenn du nicht —«, begann sie hastig.

»Doch!« Seine Stimme war ruhig und fest. »Doch. Ich weiß nicht, ob ich selbst überhaupt verstehe, was vorgegangen ist —aber es wäre sicher eine Hilfe, darüber zu sprechen, denke ich mir.«

Er holte tief Atem und wählte seine Worte mit Bedacht.

»Irgendwo in meinem Inneren war eine Sperre. Ich weiß nicht, was es war, oder wodurch sie hervorgerufen wurde, aber sie war da, und sie hinderte mich daran, die Kraft der Steine einzusetzen. Es war so, als könnte ich diese Sperre nicht überwinden.« Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »Dann stand der Dämon praktisch direkt vor mir, und du und Eretria ward neben mir. Ich wußte, daß wir alle sterben würden, und irgendwie brachte ich es fertig, die Sperre zu sprengen — ich zerschmetterte sie und konnte endlich ins Innere der Steine eindringen…«

Er machte eine Pause, ehe er weitersprach. »Ich spürte keinen Schmerz, aber ich hatte das Gefühl, daß etwas Unschönes in meinem Inneren geschah — etwas — ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Ich hatte das Gefühl, etwas Unrechtes getan zu haben — obwohl doch an dem, was ich getan hatte, gar nichts Unrechtes war.«

»Vielleicht wurde das Unrecht dir angetan«, murmelte sie nach einem Augenblick der Überlegung. »Vielleicht ist der Elfenzauber irgendwie schädlich für dich.«

»Vielleicht«, pflichtete er ihr bei. »Aber mein Großvater hat mir nie davon gesprochen. Kann es sein, daß der Zauber auf ihn keine Wirkung hatte, während er auf mich sehr wohl wirkt? Aber wenn das so wäre, weshalb dann der Unterschied?«

Sie schüttelte zweifelnd den Kopf.

»Der Zauber der Elfen ruft bei dem einzelnen Menschen verschiedene Wirkungen hervor. Es war immer schon so. Es ist ein Zauber, der aus dem Geist geboren ist, und der Geist ist nun mal keine Konstante.«

»Aber mein Großvater und ich, wir sind einander so ähnlich — nicht einmal meinem eigenen Vater war ich so ähnlich.« Wil schwieg grübelnd. »Verwandte Geister, könnte man sagen — und nicht so unterschiedlich geartet, daß sich diese — diese andersartige Reaktion damit erklären ließe.«

Amberle neigte sich zu ihm und legte ihm fest die Hand auf den Arm.

»Ich finde, du solltest die Kraft der Elfensteine nicht wieder einsetzen.«

Er lächelte. »Nicht einmal, um dich zu schützen?«

Er sagte es leichthin, doch sie erwiderte sein Lächeln nicht. Für sie war nichts Erheiterndes an diesem Gespräch.

»Niemals würde ich wollen, daß du meinetwegen Schaden nimmst, Heiler«, erwiderte sie still. »Nicht mein Wille war es, der dich zu dieser Reise zwang, und es ist mir arg, daß du überhaupt hier bist. Aber da du nun einmal hier bist, will ich offen sprechen.

Elfenzauber ist kein Spielzeug; er kann sich als gefährlicher erweisen als das Böse, das abzuwehren er geschaffen wurde. Unsere Geschichtsbücher haben uns diese Warnung hinterlassen, wenn auch sonst herzlich wenig. Der Zauber kann nicht nur auf den Körper, sondern auch auf den Geist wirken. Körperliche Wunden kann man behandeln. Was aber ist mit geistigen Schäden? Wie willst du die behandeln, Heiler?«

Sie neigte sich noch näher zu ihm. »Niemand ist dieses Wagnis wert — niemand! Und schon gar nicht ich.« Er blickte sie schweigend an und war erstaunt, Tränen in ihren Augen zu sehen. Er legte seine Hand auf die ihre.

»Wir werden aufeinander achtgeben«, versprach er und versuchte nochmals ein aufmunterndes Lächeln. »Vielleicht werden wir die Steine nicht wieder brauchen.«

Der Blick, mit dem sie ihn ansah, verriet, daß sie seinen Worten nicht glaubte.

Es war Mitternacht, als das Heulen der Dämonen-Wölfe aus der Stille des Graslandes aufstieg, schrill, gierig, haßerfüllt. Wil und Amberle erwachten mit einem Schlage, und eine eisige Angst verscheuchte die Seligkeit ihres Schlummers. Sie fuhren unter ihren Decken hoch und saßen einen Moment lang reglos, während sie mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit starrten. Das Heulen erstarb, verklang in der Stille der Nacht, schwoll wieder an, durchdrang gellend und kreischend das Schweigen. Diesmal zögerten die beiden nicht. Ohne ein Wort sprangen sie auf, schlüpften in ihre Stiefel, warfen sich ihre Umhänge über die Schultern. Innerhalb von Sekunden hatten sie Artaq gesattelt, saßen auf und galoppierten wieder nach Norden.

Dem Saum des Waldgebietes folgend, ritten sie in scharfem Tempo und hielten sich dabei im offenen Flachland, das von Mond und Sternen beleuchtet war. Kühle Nachtluft, schwer von Feuchtigkeit und den Gerüchen der Nacht, strömte über sie hinweg, während sie dahinjagten. Das wütende Heulen hinter ihnen verstummte nicht; noch war es weit entfernt, irgendwo jenseits des Mermidon. Die Dämonen-Wölfe waren auf der Suche. Die Spur, der sie folgten, war einen Tag alt; sie ahnten nicht, wie nahe sie ihrer Beute tatsächlich waren.

Artaq lief ruhig und leicht. Ohne Anstrengung flog sein mächtiger Körper über das Grasland, einem der vielen Schatten gleich, die die Sommernacht belebten. Er hatte Ruhe genug gehabt, um sich zu erholen, und würde nicht so schnell an Kraft verlieren. Wil achtete sorgfältig darauf, daß die Geschwindigkeit gleichmäßig blieb, und dem Rappen nicht zuviel abverlangt wurde. Es war noch früh; die Jagd hatte gerade erst begonnen. Wil war zornig auf sich selbst; er hatte nicht geglaubt, daß die Verfolger ihnen so rasch auf die Spur kommen würden. Die Elfensteine mußten ihnen ihre Anwesenheit im Tirfing verraten haben. Und augenblicklich hatten die Dämonen-Wölfe die Verfolgung des Talbewohners und des Elfenmädchens aufgenommen, hatten ihre Spur nach Norden verfolgt, hatten sie jetzt aus den Wäldern des Westlands aufgescheucht. Wenn die Wölfe erst den fluchtartig verlassenen Lagerplatz entdeckt hatten, würden sie wie die Besessenen hinter ihrem Wild herjagen. Die Dämonen würden Wil und Amberle hetzen, bis sie sie faßten.

Mehr als eine Stunde ritten sie über das Land, ohne das Tal zu sichten, unaufhörlich verfolgt vom schrillen Geheul der Bösen. In das Heulen mischten sich jetzt Schreie, die aus dem Grasland unterhalb der Drachenzähne und aus den Ebenen im Norden aufstiegen. Wil erschrak. Die Wölfe hatten sie umzingelt. Nur der Weg in das Westland stand ihnen noch offen. Er fragte sich plötzlich, ob nicht auch dort schon die Feinde warteten. Er erinnerte sich, wie es am Silberfluß gewesen war. Vielleicht war auch das Rhenn-Tal eine Falle. Vielleicht trieben die Verfolger sie absichtlich in das Tal hinein, um sie dort zu vernichten. Aber hatten sie denn noch eine Wahl? Nein, es blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als dieses Risiko einzugehen.