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»Allanon, wir müssen fort von hier.« Wil warf einen angstvollen Blick über die Schulter. Seine Worte überschlugen sich, so eilig hatte er es, sie herauszubringen. »Die Dämonen-Wölfe sind hinter uns her, sie haben uns den ganzen Weg verfolgt, und drinnen im Tal hätte uns so ein riesiges, schwarzes fliegendes Ungeheuer —«

»Langsam, Wil!«

»- beinahe erwischt. Es ist größer als alles, was mir je unter die Augen gekommen ist —«

»Wil!«

Wil Ohmsford verstummte. Allanon schüttelte mißbilligend den Kopf.

»Würdest du mich vielleicht auch einmal zu Wort kommen lassen?« Wil nickte errötend. »Danke. Zunächst einmal brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen, ihr seid hier in Sicherheit. Die Dämonen verfolgen euch nicht länger. Ihr Anführer wittert meine Anwesenheit. Ich bin ihm nicht geheuer, und er hat kehrt gemacht.«

Wil war skeptisch. »Seid Ihr ganz sicher?«

»Vollkommen. Niemand ist euch gefolgt. Kommt jetzt beide mit mir dort hinüber und setzt euch.«

Er führte sie zu einem umgestürzten Baumstamm, der neben dem Pfad lag, und die beiden jungen Leute ließen sich erschöpft darauf niedersinken. Allanon blieb stehen.

»Wir müssen noch heute abend nach Arborlon«, sagte er zu ihnen. »Aber ein paar Minuten Rast können wir uns schon erlauben, bis wir aufbrechen.«

»Wie seid Ihr hierher gekommen?« fragte Wil.

»Ich könnte euch die gleiche Frage stellen.« Der Druide ließ sich auf ein Knie nieder und zog die schwarzen Gewänder eng um seinen mageren Körper. »Ihr begreift wohl, was euch unten am Fluß geschehen ist?«

Wil nickte. »Ich glaube schon.«

»Es war der König vom Silberfluß«, warf Amberle ein. »Wir haben ihn gesehen; er hat mit uns gesprochen.«

»Er hat mit Amberle gesprochen«, berichtigte Wil. »Aber was ist Euch widerfahren? Hat er auch Euch geholfen?«

Allanon schüttelte den Kopf.

»Ich habe ihn leider nicht einmal zu Gesicht bekommen — ich habe nur das Licht gesehen, das euch einhüllte und davontrug. Er ist ein einsiedlerischer und geheimnisvoller Alter, und er zeigt sich nur sehr wenigen. Diesmal beliebte es ihm, sich euch zu zeigen. Den Grund dafür weiß nur er selbst. Wie dem auch sei, sein Auftauchen stiftete beträchtliche Verwirrung unter den Dämonen, und ich machte mir diese Verwirrung zunutze, um zu entkommen.«

Er hielt einen Augenblick inne und richtete das Wort dann an Amberle.

»Amberle, du sagtest, daß er mit dir gesprochen hat. Erinnerst du dich, was er sagte?«

Das Elfenmädchen war verlegen.

»Nein, nicht genau. Es war wie ein Traum. Er sagte etwas von — von einem Vereintsein.«

Flüchtig glomm ein Funke des Verständnisses in den dunklen Augen des Druiden auf. Doch weder Wil noch Amberle sahen ihn, und er erlosch sogleich wieder.

»Nun, es spielt keine Rolle.« Allanon tat die Episode mit einer gewissen Nachlässigkeit ab. »Er hat euch geholfen, als ihr Hilfe brauchtet, und dafür stehen wir in seiner Schuld.«

»O ja, in seiner Schuld ganz gewiß. Aber nicht in Eurer.« Amberle gab sich keine Mühe, ihren Zorn zu verbergen. »Wo seid Ihr gewesen, Druide?«

Allanon schien überrascht. »Ich habe nach euch gesucht. Als der König vom Silberfluß euch half, trennte er uns leider voneinander. Ich wußte natürlich, daß ihr in Sicherheit ward, aber ich wußte nicht, wohin der Alte euch gebracht hatte, oder wie ich euch wiederfinden sollte. Ich hätte es mit Zauberkraft versuchen können, doch das schien mir unnötig gefährlich. Der Führer dieser Dämonen, die die Mauer der Verfemung durchbrochen haben, verfügt über Kräfte, die so groß sind wie meine eigenen. Vielleicht sogar größer. Hätte ich Zauberkraft angewendet, so hätte ihm das womöglich den Weg zu mir und zu euch gewiesen. Ich entschied mich deshalb dafür, die Reise nach Arborlon fortzusetzen und unterwegs nach euch Ausschau zu halten. Ich hoffte, ihr würdet euch der Anweisungen erinnern, die ich euch gegeben hatte, und euch daran halten. Da ich gezwungen war, zu Fuß weiterzumarschieren —dein Grauer, Wil, kam in der Schlacht um —, war ich die ganze Zeit überzeugt, ihr wärt vor mir. Erst als du, Wil, die Kraft der Elfensteine gebrauchtest, erkannte ich, daß ich mich geirrt hatte.«

Er zuckte die Schultern.

»Da war ich schon fast in Arborlon. Ich kehrte augenblicklich um und marschierte in südlicher Richtung durch das Waldland, da ich glaubte, daß ihr schon unterhalb des Mermidon den Schutz der Wälder suchen wurdet. Wieder irrte ich mich. Als ich das Heulen der Dämonen-Wölfe wahrnahm, wurde mir klar, daß ihr versuchtet, das Rhenn-Tal zu erreichen. Diese Erkenntnis führte mich hierher.«

»Ich habe den Eindruck, du hast dich sehr häufig geirrt«, bemerkte Amberle schnippisch.

Allanon antwortete darauf nichts. Ihre Blicke trafen sich.

»Meiner Meinung nach begingt Ihr den ersten Irrtum schon, als Ihr zu mir gekommen seid«, fuhr sie mit anklagender Stimme fort.

»Ich mußte zu dir kommen.«

»Das wird sich erweisen. Was mir im Augenblick Sorge macht, ist die Tatsache, daß die Dämonen uns von Anfang an immer einen Schritt voraus gewesen sind. Wie oft haben sie mich jetzt schon beinahe gefaßt?«

Allanon erhob sich. »Zu oft. Es wird nicht wieder vorkommen.«

Auch Amberle sprang auf. Ihr Gesicht war zornig.

»Eure Versprechungen sind mir längst keine Beruhigung mehr. Ich sehne das Ende dieser Reise herbei. Ich möchte zurück nach Hause — nach Havenstead, nicht nach Arborlon.«

Das Gesicht des Druiden zeigte keinerlei Ausdruck.

»Begreife doch: Ich tue für dich, was ich kann.«

»Vielleicht. Vielleicht tut Ihr aber auch nur das, was Euch paßt.«

Der Druide war gekränkt.

»Das ist ungerecht, Elfenmädchen. Du weißt weniger über diese Sache, als du glaubst.«

»Aber eines weiß ich — ich weiß, daß weder Ihr noch der Beschützer, den Ihr mir an die Seite gestellt habt, sich als sonderlich hilfreich erwiesen habt. Viel glücklicher wäre ich, wenn ich keinen von euch beiden je gesehen hätte.«

Sie war so zornig, daß sie nahe daran war, in Tränen auszubrechen. Trotzig starrte sie Allanon und Wil an, als wolle sie ihren Widerspruch herausfordern. Da sich beide in Schweigen hüllten, wandte sie sich ab und stapfte energischen Schrittes den dunklen Pfad hinunter.

»Ihr habt gesagt, daß wir noch heute Arborlon erreichen müssen, Druide«, rief sie nach einer Weile. »Ich möchte diese Sache endlich hinter mich bringen!«

Wil Ohmsford blickte ihr wortlos nach. Ärger und Verwirrung spiegelten sich auf seinen Zügen. Einen Lidschlag lang dachte er ernsthaft daran, einfach hier sitzen zu bleiben und das Elfenmädchen seines Wegs gehen zu lassen. Sie empfand offensichtlich ohnehin nichts für ihn. Dann spürte er Allanons Hand auf seiner Schulter.

»Sei mit deinem Urteil nicht zu voreilig«, mahnte der Druide leise.

Dann trat er zu Artaq hin und nahm die Zügel des Pferdes. Wil stand auf. Mitgehangen, mitgefangen, sagte er sich.

Der Druide hatte sich schon auf den Weg gemacht, der zierlichen Gestalt des Elfenmädchens zu folgen, die unter den Bäumen verschwunden war. Grollend trottete Wil hinterher.

18

Es war am Abend des folgenden Tages. Die Schatten über der Waldstadt Arborlon wurden länger, und graues Zwielicht verdunkelte sich langsam zur Nacht. Eventine Elessedil saß allein in der Abgeschiedenheit seines Studierzimmers, vor sich eine von Gael aufgestellte Liste aller jener Angelegenheiten, die am folgenden Morgen erledigt werden sollten. Müdigkeit zeichnete sein Gesicht, und seine Augen blinzelten matt in das Licht der Öllampe, die vor ihm auf dem Schreibtisch stand. Es war still in diesem Zimmer, in dem der hochbeugte König der Elfen in die Tiefe seiner Gedanken eintauchte. Er warf einen Blick zu Manx hinüber, der in tiefem Schlummer vor einem Bücherregal lag. Die ergrauenden Flanken des Wolfshundes hoben und senkten sich in gleichmäßigem Rhythmus, während er mit einem seltsamen dünnen Winseln den Atem durch die Nase stieß. Eventine lächelte. Getreuer alter Hund, dachte er, dich flieht der Schlaf nicht, dir wird er Nacht um Nacht geschenkt, tief und traumlos und ohne Sorgen. Er schüttelte den Kopf. Viel hätte er darum gegeben, nur eine einzige Nacht ungestörten Schlafs genießen zu können. Er fand kaum noch Ruhe. Alpträume bedrängten seinen Schlaf-Alpträume, die Verzerrungen der bedrückenden Realität seiner wachen Stunden waren. Sie quälten und peinigten ihn, schlichen sich boshaft in seinen Schlaf und ließen ihn keine Ruhe finden. Jede Nacht kehrten sie wieder und geisterten beängstigend durch seinen Schlaf, so daß er sich wieder und wieder selbst wachrüttelte, bis endlich die Morgendämmerung dem Kampf ein Ende machte. Er rieb sich die Augen und drückte die Hände auf die geschlossenen Lider, um das Licht nicht durchzulassen. Bald würde er schlafen müssen, denn er brauchte den Schlaf dringend. Er wußte dennoch, daß er kaum Ruhe finden würde.