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Wil lächelte unbestimmt.

»Erhalte ich auf meine Frage eine Antwort?«

Allanon nickte. »Sie wird dir allerdings nicht gefallen. Die Täuschung war notwendig, weil sich im Lager der Elfen ein Spion befindet.«

Wil wurde eiskalt. »Woher wißt Ihr das?«

»Logische Überlegung. Als ich in Paranor eintraf, erwarteten mich die Dämonen schon. Sie erwarteten mich, Talbewohner — ich wurde nicht verfolgt! Das läßt darauf schließen, daß sie im voraus von meinem Kommen wußten. Aber woher wußten sie es? Woher wußten sie überhaupt von mir? Nur Eventine wußte, daß ich in die Vier Länder zurückgekehrt war. Nur Eventine wußte von meinem Plan, nach Paranor zu reisen; ihm allein vertraute ich an, daß ich nach Paranor reisen wollte, um in den alten Geschichtsbüchern der Druiden nach einem Hinweis auf die Lage des Ortes Sichermal zu suchen. Ich bat Eventine, niemandem etwas zu verraten, und ich bin sicher, das hat er auch nicht getan.«

Er schwieg einen Augenblick.

»Damit bleibt nur eine Möglichkeit. Jemand hat unser Gespräch belauscht — jemand, der Grund hatte, uns an die Dämonen zu verraten.«

Wils Miene zeigte Zweifel.

»Aber wie soll das denn geschehen sein? Ihr sagtet doch selbst, niemand hätte gewußt, daß Ihr in die Vier Länder zurückgekehrt seid.«

»Ja, das verursacht auch mir Kopfzerbrechen«, bekannte der Druide.

»Der Spion muß jemand sein, dem es keine Mühe macht, zum König Zugang zu erhalten; jemand, der über all sein Tun und Lassen Bescheid weiß. Jemand aus seinem Haushalt vielleicht.« Er zuckte die Schultern. »Auf jeden Fall war es ein Glück, daß ich dem König nichts davon sagte, wo Amberle sich aufhielt, sonst wären die Dämonen zweifelsohne vor mir bei ihr gewesen.« Er hielt inne, und seine schwarzen Augen fixierten den jungen Talbewohner. »Und über dich wären sie auch hergefallen, denke ich mir.«

Wil überlief eine Gänsehaut. Die Vorstellung war selbst jetzt noch beängstigend. Zum erstenmal, seit er Allanon begegnet war, war er froh, daß der Druide so zugeknöpft und verschwiegen war.

»Wenn das so ist, warum habt Ihr dann den Elfen bei der Sitzung des Hohen Rats so viel anvertraut?« fragte er. »Wenn sich im Lager der Elfen wirklich ein Spion verbirgt, ist dann nicht damit zu rechnen, daß er alles erfährt, was bei der Sitzung gesprochen wurde?«

Der Druide neigte sich zu Wil Ohmsford hinüber.

»Durchaus. Ich habe sogar die Absicht, dafür zu sorgen, daß er alles erfährt. Das ist der Grund für die Täuschung. Siehst du, die Dämonen wissen bereits, daß wir hier sind, und sie wissen auch, warum wir hier sind. Sie wissen, wer ich bin; sie wissen, wer Amberle ist. Aber sie wissen noch nicht, wer du bist. Alles, was sie wissen, haben sie aus meinen Gesprächen mit Eventine erfahren. Wir haben den Elfen bei der Ratssitzung nichts Neues mitgeteilt — abgesehen von einem Punkt. Wir haben ihnen erklärt, daß Amberle einige Tage Erholung braucht, ehe sie vor den Ellcrys hintritt. Folglich werden die Dämonen nicht erwarten, daß wir in den nächsten Tagen etwas unternehmen werden. Und diese Täuschung wird uns, hoffe ich, einen kleinen, aber sehr nützlichen Vorteil liefern.«

»Was für einen Vorteil?« wollte Wil wissen. »Was habt Ihr vor, Allanon?«

Der Druide schürzte die Lippen.

»Da, Freund Wil, muß ich dich noch um ein Weilchen Geduld bitten. Aber ich verspreche dir, daß du die Antwort bekommen wirst, ehe die Nacht vorüber ist. Nun, ist das ein faires Angebot?«

Wil fand es gar nicht fair, aber er wußte, daß es sinnlos war, Allanon zu drängen. Wenn der Druide einmal etwas beschlossen hatte, war daran nicht mehr zu rütteln.

»Noch eines.« Der Druide legte dem jungen Mann mahnend die Hand auf die Schulter. »Sag Amberle nichts von alledem. Ihre Angst ist groß genug; es besteht keine Notwendigkeit, ihr noch mehr Angst zu machen. Laß dies ein Geheimnis zwischen dir und mir sein.«

Wil Ohmsford nickte.

Minuten später trat Amberle aus dem Schatten des Baumes. Die Umrisse ihrer Gestalt hoben sich scharf vom Nachthimmel ab, als sie einen Augenblick zaudernd verharrte. Dann setzte sie sich in Bewegung und schritt hangabwärts, den beiden Männern entgegen. Sie ging langsam, vorsichtig, als sei sie sich ihrer Bewegungen nicht sicher, und hielt die Hände fest vor der Brust gefaltet. Die Kapuze hatte sie abgestreift, und ihr langes kastanienbraunes Haar wehte im Nachtwind. Als sie sich ihnen näherte, konnten sie die Verzweiflung in ihrem Antlitz deutlich sehen. Ihre Züge waren bleich, die Wangen feucht von Tränen, und Angst spiegelte sich grell in den grünen Augen.

Vor ihnen blieb sie stehen. Ihr zierlicher Körper zitterte.

»Allanon«, stieß sie weinend hervor.

Der Druide sah, daß sie einem Zusammenbruch nahe war. Sogleich nahm er sie in seine Arme und hielt sie fest umschlungen. Diesmal ließ sie sich seine Umarmung gefallen, weinte still an seiner Brust. Lange hielt er sie so, ohne ein Wort. Wil betrachtete die Szene verlegen und kam sich nutzlos vor.

Nach einiger Zeit versiegten die Tränen. Allanon ließ das Elfenmädchen los und trat zurück. Einen Moment noch hielt sie den Kopf gesenkt, dann erhob sie ihn und blickte den Druiden an.

»Ihr hattet recht«, flüsterte sie.

Die zusammengepreßten Hände lösten sich von den Falten ihres Gewandes und öffneten sich langsam. In ihrem Inneren lag ein vollendet geformter silberweißer Stein, das Samenkorn des Ellcrys.

20

Allanon führte sie aus dem Garten hinaus. Bis zur Unkenntlichkeit vermummt in Umhänge und Kapuzen, glitten sie schattengleich durch das Tor, vorbei an den Posten der Schwarzen Wache, und traten den Rückweg zur Stadt an. Der Druide erklärte ihnen nicht, wohin er sie bringen wollte, und sie fragten nicht. Sie schritten schweigend aus, Allanon immer ein, zwei Schritte voraus. Wil und Amberle waren zu Tode erschöpft. Immer wieder blickte der Talbewohner voller Besorgnis auf das Elfenmädchen, doch sie ließ sich kaum etwas anmerken von den Gefühlen, die sie beherrschten, und er erhaschte nur hin und wieder einen Blick auf das von der Kapuze verdunkelte Antlitz. Einmal fragte er sie leise, ob alles in Ordnung sei, und sie nickte stumm. Kurze Zeit später erkannten sie, daß sie sich dem Herrenhaus der Elessedils näherten. Wortlos winkend führte Allanon sie in den Park, der das lichtlose Haus umschloß. An einem Föhrenwäldchen vorbei, das die Südwiese säumte, ging es an einer langen Hecke entlang zu einer kleinen Nische und einer hohen Fenstertür, die in dichtes Dunkel gehüllt war. Vor dieser Tür blieb Allanon stehen und klopfte verhalten an das Glas.

Sie mußten einen Augenblick warten, bis die Vorhänge im Inneren ein wenig auseinandergeschoben wurden. Ein Riegel wurde entsichert, und die Tür öffnete sich. Eilig bedeutete Allanon ihnen hineinzugehen, sah sich noch einmal um und folgte ihnen dann.

Einige Sekunden standen sie in der Finsternis und lauschten den gedämpften Schritten einer Person, die langsam durch den Raum ging. Dann flammte eine Kerze auf. Wil sah, daß sie sich in einem kleinen Studierzimmer befanden. Dunkles Eichenholz von Wänden und Bücherborden schimmerte im Schein der Kerze, sanfte Farben alter Bücher und kostbarer Wandbehänge tauchten aus den Schatten. Auf einer kleinen, erdfarbenen Matte auf der anderen Seite des Raumes lag ein angegrauter alter Wolfshund, der neugierig den Kopf hob und freundlich mit dem Schwanz wedelte.

Eventine Elessedil stellte die Kerze auf einen kleinen Schreibtisch und wandte sich ihnen zu.

»Ist alles vorbereitet?« fragte Allanon mit tiefer Stimme in die Stille hinein.

Der alte König nickte.

»Und Euer Haushalt?«

Der Druide glitt schon durch das Zimmer zu der einzigen Tür. Er öffnete sie lautlos, warf einen kurzen Blick nach draußen und schloß sie wieder.

»Alles schläft außer Dardan und Rhoe. Und die beiden stehen vor meiner Schlafzimmertür Wache, weil sie glauben, ich schliefe ebenfalls. Hier ist niemand außer meinem alten Manx.«