Выбрать главу

Der Wolfshund sah ihn an, als er seinen Namen hörte; dann senkte er den Kopf wieder auf die Vorderpfoten und schloß die Augen.

Allanon kam von der Tür zurück.

»Dann können wir beginnen.«

Er bedeutete Wil und Amberle, sich in den Sesseln vor dem Schreibtisch niederzulassen, und zog sich selbst ebenfalls einen heraus. Wil setzte sich müde. Amberle tat einen Schritt vorwärts, blieb stehen, die Augen auf ihren Großvater gerichtet. Eventine sah sie an, zögerte, trat dann rasch auf sie zu und schloß sie in die Arme. Amberle erstarrte sekundenlang, aber dann schlang sie die Arme um seinen Hals.

»Ich hab’ dich lieb, Großvater«, flüsterte sie. »Du hast mir so gefehlt.« Der alte König schwieg ergriffen. Er nickte nur stumm an ihrer Schulter und streichelte ihr über das Haar. Dann umschloß er sanft ihr Gesicht mit beiden Händen und neigte ihren Kopf zurück, so daß er ihre Züge sehen konnte.

»Was geschehen ist, liegt hinter uns, Amberle. Es ist vergessen. Zwischen uns soll es keine harten Worte mehr geben. Dies hier ist dein Zuhause. Ich möchte dich hier haben, bei mir, bei deiner Familie.«

Amberle schüttelte den Kopf.

»Ich habe mit dem Ellcrys gesprochen, Großvater. Er hat mir gesagt, daß ich seine Erwählte bin. Er hat mir sein Samenkorn gegeben.«

Das Gesicht des Greises wurde blaß, und er senkte die Lider.

»Ach Amberle, ich weiß, du wünschtest, es könnte anders sein. Glaub mir, auch ich wünsche es.«

»Das weiß ich«, antwortete sie, doch in ihren Augen lag tiefe Verzweiflung.

Sie löste sich von ihm und setzte sich zu Wil und Allanon an den Tisch. Der König blieb noch einen Augenblick stehen und betrachtete stumm seine Enkelin. Er wirkte so verloren und voller Bangnis wie ein Kind, das in die Irre gegangen ist. Langsam faßte er sich wieder, trat an seinen Schreibtisch und setzte sich zu den anderen.

Die Hände auf dem Tisch gefaltet, beugte Allanon sich vor.

»Eventine und ich verabredeten nach der Sitzung des Hohen Rats, daß wir uns im Lauf dieser Nacht heimlich treffen würden. Alles, was hier gesprochen wird, bleibt unter uns, die wir hier anwesend sind. Keiner sonst wird davon erfahren. Die Zeit eilt, und wir müssen rasch handeln, wenn wir das Elfenvolk vor dem Untergang retten wollen. Der Ellcrys siecht immer mehr dahin. Bald werden die Dämonen, die hinter der Mauer der Verfemung gefangen sind, sich befreien und über die Vier Länder herfallen. Eventine und ich werden ihnen entgegentreten, wenn es soweit ist. Du aber, Amberle, und auch du, Wil, ihr müßt euch auf die Suche nach dem Blutfeuer machen.«

Er wandte sich direkt an das Elfenmädchen.

»Ich würde euch begleiten, wenn ich könnte. Ich würde mit euch gehen, wenn es dazu eine Möglichkeit gäbe, aber es gibt keine. Einer der Dämonen, die die Mauer bereits durchbrochen haben, und auch einige, die noch hinter ihr gefangen sind, besitzen Kräfte, gegen die dein Großvater und das Elfenvolk ohne meine Hilfe nichts ausrichten können. Meine Aufgabe wird es sein, die Elfen vor diesen gewaltigen Kräften zu schützen. Zauberei, um der Zauberei Widerpart zu bieten. So muß es nun einmal sein.

Doch an meiner Stelle schicke ich Wil Ohmsford, und ich habe mich nicht ohne gründliche Überlegung entschlossen, dein Wohl und deine Sicherheit in seine Hände zu legen. Sein Großvater war es, der gemeinsam mit mir auszog, das Schwert von Shannara zu suchen. Er fand es und trat allein dem Dämonen-Lord entgegen, um ihn schließlich zu vernichten. Sein Großonkel Flick Ohmsford rettete deinem Großvater einst das Leben. Wil besitzt die Charakterstärke, die beide Männer auszeichnete; er besitzt ihr Ehrgefühl. Du hast gesehen, daß er die Elfensteine in Besitz hat, die ich einst seinem Großvater gab. Er wird dich so schützen, wie ich dich schützen würde. Er wird zu dir stehen, Amberle — er wird dich nicht im Stich lassen.«

Auf diese Worte folgte langes Schweigen. Wil Ohmsford war verlegen. Und er fühlte sich unbehaglich. Er war sich seiner nicht so sicher. Als er rasch einen Blick auf Amberle warf, bemerkte er, daß sie ihn nachdenklich betrachtete.

»Du bist eine Erwählte im Dienst des Ellcrys«, fuhr Allanon fort und zog damit die Aufmerksamkeit des Elfenmädchens wieder auf sich. »Wenn wir vielleicht auch alle wünschten, es wäre anders, so ist die Sache doch jetzt klar. Du bist die letzte der Erwählten und daher die letzte Hoffnung deines Volkes. Du allein kannst die Mauer der Verfemung wieder aufrichten. Eine schwere Verantwortung, Amberle, aber sie ruht nun einmal auf dir. Wenn du versagst, werden Dämonen und Elfen gegeneinander zu Felde ziehen und nicht eher die Waffen niederlegen, als bis einer oder beide völlig vernichtet sind. Der Ellcrys hat dir sein Samenkorn gegeben. Du mußt es daher zum Blutfeuer bringen. Das wird nicht einfach werden. Das Blutfeuer befindet sich an einem Ort mit dem Namen Sichermal, und Sichermal ist ein Teil der alten Welt. Diese Welt ist vergangen, unwiederbringlich verloren, und der Ort Sichermal wurde im Lauf der Jahrhunderte vergessen. Selbst der Ellcrys weiß nicht mehr den Weg, der dorthin führt. Wären nicht die Geschichtsbücher der Druiden, so wäre Sichermal vielleicht auf ewig unauffindbar für uns geblieben. Doch diese Bücher bilden eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ich habe in ihnen gelesen und weiß, wo Sichermal liegt.«

Er machte eine Pause.

»Es liegt im Wildewald«, sagte er dann.

Keiner sprach ein Wort. Selbst Wil Ohmsford, ein Südländer und Talbewohner, der bis zu diesem Tag nie einen Fuß über die Grenze des Westlandes gesetzt hatte, hatte vom Wildewald gehört. Es war, von den Wäldern südlich der Heimat der Elfen umschlossen, ein unwirtliches und gefährliches Stück Wildnis, das nur über rauhe Bergketten oder unheimliche Sümpfe zu erreichen war. Nicht einmal ein halbes Dutzend Dörfer oder Weiler lagen in dieser abgelegenen Gegend, und die waren von Dieben, Halsabschneidern und Banditen jeder erdenklichen Art bevölkert. Selbst diese wagten sich nur selten aus ihren Dörfern heraus, verließen kaum je die wenigen Reisewege, die das Gebiet durchzogen, denn in der Wildnis rundum, munkelte man, lauerten Geschöpfe, denen man besser aus dem Wege ging.

Wil holte tief Atem.

»Und Ihr wißt nicht, wo genau im Inneren des Wildewaldes das Blutfeuer zu finden ist?«

Allanon schüttelte den Kopf.

»Das läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Selbst in den alten Büchern der Druiden wird teilweise auf die Geographie der alten Welt Bezug genommen, und die Orientierungspunkte, die es damals gab, existieren heute nicht mehr. Du wirst dich auf die Elfensteine verlassen müssen.«

»Das dachte ich mir schon.« Wil Ohmsford ließ sich wieder in seinen Sessel sinken. »Wenn wir uns der Elfensteine bedienen, verraten wir den Dämonen damit, wo wir zu finden sind.«

»Ja, das ist leider wahr. Du wirst mit größter Vorsicht zu Werke gehen müssen, Wil. Ich will euch berichten, was der Ellcrys den Erwählten über Sichermal mitteilte, ehe sie niedergemetzelt wurden — was der Baum später auch mir mitteilte. Das wird euch vielleicht bei der Suche nützen. Das Blutfeuer wohnt in einer Wildnis, die rundum von schroffen Bergen und unwegsamen Sümpfen eingeschlossen ist — zweifellos der Wildewald, wie das die Bücher der Druiden berichten. Ein dichter Nebel, sagte der Ellcrys weiter, zieht dort ein und aus. Mitten in der Wildnis erhebt sich ein einsamer Gipfel; unter dieser Bergspitze befindet sich ein Labyrinth von unterirdischen Gängen, die tief in die Erde hineinführen. Irgendwo in diesem Irrgarten befindet sich eine Tür aus Glas, das nicht zerbricht. Hinter dieser Tür werdet ihr das Blutfeuer finden.«

Er neigte nachdenklich den Kopf zur Seite.

»Ihr seht, die allgemeine Beschreibung des Wildewaldes ist überraschend zutreffend geblieben, selbst nach Ablauf so vieler Jahre, selbst nach den umwälzenden Veränderungen in der Geographie der Erde durch die Großen Kriege. Vielleicht ist auch der Rest der Beschreibung heute noch zutreffend. Vielleicht ist das Blutfeuer noch immer unter einer einsamen Bergspitze in einem Labyrinth unterirdischer Gänge zu finden.« Er zuckte die Schultern. »Ich würde euch gern mehr sagen, wenn ich das könnte. Aber ich weiß nicht mehr. Ihr müßt versuchen, mit diesen wenigen Anhaltspunkten euer Bestes zu tun.«