Выбрать главу

Wil brachte ein schwaches Lächeln zustande. Er wagte nicht, Amberle anzusehen.

»Wie kommt man zum Wildewald?« fragte er.

Der Druide warf einen fragenden Blick auf Eventine, doch der Elfenkönig schien in Gedanken versunken. Aufmerksam geworden schließlich durch die plötzliche Stille, sah er zu Allanon hinüber und nickte zerstreut.

»Es ist alles veranlaßt.«

Der Druide schien zu zögern, dann wandte er sich Amberle zu.

»Dein Großvater hat euch Hauptmann Crispin, den Befehlshaber der Leibwache, als Führer und Beschützer auf dieser Reise zugedacht. Crispin ist ein überaus einfallsreicher und mutiger Soldat; er wird euch gute Dienste leisten. Er hat Anweisung, sechs Jäger zu eurer Begleitung auszuwählen. Das ist eine geringe Zahl, doch in diesem Fall vielleicht das klügste. Eine so kleine Schar wird weit weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen als ein großer Zug und wird es euch ermöglichen, rascher vorwärtszukommen.

Der König und ich haben uns auf folgenden Plan geeinigt: Ihr werdet heimlich aus der Stadt hinausgebracht werden; das Wie wurde Hauptmann Crispin überlassen. Crispin weiß von eurer Mission. Er und die Jäger unter seinem Kommando werden euch begleiten, solange ihr sie braucht. Alle sind angewiesen, für eure Sicherheit zu sorgen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um euch zu beschützen.«

»Allanon!«

Es war Eventine, der den Druiden plötzlich unterbrach. Ein Ausdruck tiefer Besorgnis lag auf seinem Gesicht, als seine durchdringenden blauen Augen den Blick Allanons suchten.

»Eines habe ich Euch noch nicht gesagt. Ich habe nicht früher davon gesprochen, weil uns nur die wenigen Augenblicke nach der Sitzung zur Verfügung standen. Aber ich glaube, jetzt muß es gesagt werden. Es gibt auf dieser bevorstehenden Reise noch einen anderen Anlaß zur Sorge als die Gefahr, daß ihr von den Dämonen aufgespürt werdet, die euch auf eurem Weg nach Arborlon verfolgt haben.«

Die Arme leicht auf den Schreibtisch gestützt, beugte er sich vor. Sein Gesicht wirkte sehr alt im flackernden Licht der Kerze.

»Ihr wißt, wie die Erwählten umgekommen sind — Wil und Amberle wissen es vielleicht nicht.« Er richtete den Blick auf die beiden jungen Leute. »Sie wurden buchstäblich zerrissen, in Fetzen gerissen.«

Entsetzen spiegelte sich auf den Zügen Wils und Amberles. Der König legte seiner Enkelin beruhigend die Hand auf die Schulter.

»Ich sage das nicht, um deine Angst noch mehr zu vergrößern, Amberle, und auch Euch will ich damit nicht ängstigen, Wil.« Er sah wieder Allanon an. »Seit Ihr aus Arborlon fortgegangen seid, sind noch andere den gleichen Tod gestorben wie die Erwählten. Viele. Das Ungeheuer, das die Erwählten getötet hat, treibt sich seitdem in der Umgebung der Stadt herum und mordet wahllos jeden, der ihm in den Weg kommt, ob Mensch oder Tier, ob jung oder alt. Mehr als fünfzig Elfen sind umgekommen — alle auf die gleiche Weise: von dem Ungeheuer in Fetzen gerissen. Vor drei Tagen wurde ein ganzer Spähtrupp aus dem Hinterhalt angegriffen und vernichtet. Sechs bewaffnete Männer! Eine Woche zuvor wurde ein Soldatenlager überfallen, und zwanzig Männer wurden im Schlaf umgebracht. Seit das Siechtum des Ellcrys begonnen hat, wurden im Westland immer mehr Dämonen gesichtet, und es ist hier und dort auch zu schlimmen Kämpfen gekommen — aber etwas dieser Art hat es sonst nirgends gegeben. Dieses Ungeheuer weiß genau, was es will; es tötet mit Vorsatz. Wir haben ohne Erfolg versucht, ihm auf die Spur zu kommen. Wir können es nicht ausfindig machen. Wir haben es noch nicht einmal zu Gesicht bekommen. Niemand hat es bisher gesehen. Aber es treibt sich in unserem Land herum — und es macht Jagd auf uns.«

Er hielt einen Moment inne.

»Es wurde einmal ausgesandt, Allanon, die Erwählten zu vernichten. Und es hat es getan. Es hat sie alle vernichtet — außer Amberle. Es kann sein, daß es wieder ausgesandt wird.«

Amberle war blaß geworden. Allanon rieb sich gedankenvoll das bärtige Kinn.

»Ja, so einen Dämon gab es in der alten Zeit«, meinte er sinnend. »Einen Dämon, der aus einem instinktiven Bedürfnis heraus tötete. Man nannte ihn den Raffer.«

»Es ist mir gleich, wie er genannt wurde«, sagte Wil unvermittelt. »Ich möchte nur wissen, wie man ihm entkommt.«

»Mit Verschwiegenheit«, versetzte der Druide. »Dieser Dämon mag noch so bösartig und schlau sein, er hat so wenig Grund wie seine Brüder zu der Vermutung, daß ihr Arborlon verlassen habt. Und wenn er glaubt, daß ihr euch noch in der Stadt befindet — wenn sie das alle glauben —, werden sie euch anderswo gar nicht suchen. Vielleicht können wir diesen Eindruck bei ihnen erwecken.«

Er wandte den Kopf und sah Eventine an.

»Bald wird der Tag kommen, an dem der Ellcrys die Mauer der Verfemung nicht mehr halten kann. Wenn es soweit ist, werden die Dämonen, die noch hinter ihr gefangen sind, ihre Kräfte vereinen, um die Mauer an ihrer schwächsten Stelle zu sprengen und so die Freiheit zu gewinnen. Das können wir nicht abwarten. Wir müssen die Stelle finden, wo sie den Durchbruch versuchen werden, und mit allen Mitteln versuchen, das zu verhindern. Selbst wenn es uns nicht gelingt, können wir einen Verzögerungskrieg führen, der das Dämonenheer auf seinem Marsch auf Arborlon aufhalten wird. Daß sie auf Arborlon marschieren werden, steht außer Zweifel, denn sie werden den Ellcrys vernichten wollen. Das müssen sie. Sie können den Baum nicht dulden. Solange er gesund und kräftig war, war er ja ihr ärgster Feind. Nun aber, da er immer schwächer wird, ist er nicht mehr so gefährlich. Wenn die Dämonen erst die Mauer durchstoßen haben, werden sie nichts Eiligeres im Sinn haben, als den Ellcrys zu vernichten. Wir müssen unser möglichstes tun, um das zu verhindern. Wir müssen Amberle einen Vorsprung verschaffen, das Blutfeuer zu erreichen und hierher zurückzukehren. Bis zu diesem Augenblick müssen wir die Dämonen daran hindern, nach Arborlon einzudringen.

Und deshalb …« Er ließ das Wort in der Stille des Raumes hängen und sprach erst nach einer Pause weiter. »Deshalb werden wir die Dämonen täuschen, die die Mauer der Verfemung schon durchstoßen haben. Wir werden den Anschein erwecken, als mußten die Vorbereitungen für die Reise zum Blutfeuer erst noch getroffen werden. Wir werden den Anschein erwecken, als hieltet ihr euch noch hier auf. Die Dämonen wissen, daß ich es war, der Amberle hierher brachte; sie werden erwarten, daß ich sie begleite, wenn sie sich auf den Weg macht. Das können wir uns zunutze machen. Wir können ihre Aufmerksamkeit auf mich lenken. Bis sie dann merken, daß sie getäuscht worden sind, solltet ihr längst außer Reichweite sein.«

Es sei denn, ihr Spion ist gerissener, als du vermutest, hätte Wil gern gesagt, doch er unterließ es.

»Das klingt alles sehr optimistisch«, bemerkte er statt dessen.

»Damit scheint alles geklärt außer der Frage, wann wir nun aufbrechen.«

Der Druide lehnte sich in seinem Sessel zurück.

»Ihr brecht bei Morgengrauen auf.«

Wil starrte ihn ungläubig an.

»Bei Morgengrauen? Morgen früh?«

Amberle sprang auf. »Das ist unmöglich, Druide. Wir sind erschöpft. Wir haben beinahe zwei Tage lang nicht geschlafen — wir brauchen mehr als ein paar Stunden der Ruhe, ehe wir uns wieder auf den Weg machen.«

Allanon hob beide Hände.

»Friede, Elfenmädchen! Ich sehe das alles ein. Aber überlege: Die Dämonen wissen, daß du hierhergekommen bist, um das Samenkorn des Ellcrys zum Blutfeuer zu bringen. Sie wissen, daß du versuchen wirst, die Stadt zu verlassen, und sie werden genau achtgeben. Aber jetzt werden sie nicht so aufmerksam sein wie in ein paar Tagen. Und soll ich dir sagen, warum? Weil sie erwarten, daß du erst einige Tage rastest. Und genau deshalb mußt du ohne Verzug aufbrechen. Ein Überraschungsmanöver bietet dir die besten Chancen, ihnen zu entkommen.«

Begreifen blitzte in Wils Augen auf. Dies war der Vorteil, den der Druide mit seiner Täuschungstaktik zu gewinnen hoffte.