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Wil gehorchte. Allanon umfaßte sie fest.

»Hier ist meine Hand, und hier ist mein Versprechen. Du wirst dieses Unterfangen zu einem guten Ende bringen, Wil Ohmsford. Du wirst das Blutfeuer finden und die letzte der Erwählten, die, welche den Ellcrys zu neuem Leben erwecken wird, sicher nach Hause zurückgeleiten.« Seine Stimme war leise und gebieterisch. »Daran glaube ich, und du mußt ebenfalls daran glauben.«

Die harten, dunklen Augen tauchten tief in die des jungen Talbewohners ein, und Wil hatte das Gefühl, völlig bloßgelegt zu werden. Und doch wandte er den Blick nicht ab. Als er sprach, war seine Stimme beinahe ein Flüstern.

»Ich werde es versuchen.«

Der Druide nickte. Er war klug genug, es dabei bewenden zu lassen.

Nachdem die drei verschwunden waren, blieb Eventine Elessedil noch lange in dem kleinen Studierzimmer zurück. Schweigend saß er im Lichtschein der einzigen Öllampe, die im Zimmer brannte, eine zusammengesunkene Gestalt, deren Konturen sich in verhüllenden Gewändern und flackernden Schatten verloren. In die Tiefen seines Lieblings-Sessels geschmiegt, ein schweres Möbelstück mit abgewetztem Lederbezug, starrte der König der Elfen, ohne wirklich zu sehen, auf die Gemälde und Wandteppiche an der Wand gegenüber, während er darüber nachsann, was gewesen war, und was noch sein würde.

Mitternacht kam und ging vorüber.

Endlich stand der König auf. Seine schweifenden Gedanken ordnend, löschte er die Lampe und schritt müde durch die Tür in den Gang hinaus. In dieser Nacht konnte nichts mehr getan werden. Bei Tagesanbruch würde Amberle ihre Reise zum Wildewald antreten. Er durfte jetzt nicht mehr an sie denken; er mußte an sein Volk denken.

Langsam schritt der König durch den breiten Gang zu seinem Schlafgemach.

Und die ganze Zeit über verfolgten ihn die Augen des Wandlers. In der undurchdringlichen Schwärze des Waldes südlich der Stadt Arborlon erhob sich der Dagda Mor von dem Stein, auf dem er gesessen hatte. Grausame, rotglühende Augen spiegelten die Genugtuung des Dämons wider. Diesmal würde er keinen Fehler machen. Diesmal würde er dafür sorgen, daß alle vernichtet wurden.

Seine unförmige Gestalt schlurfte voran. Zuerst würde er sich das Elfenmädchen vornehmen.

Mit einer klauenbewehrten Hand winkte er, und aus den Schatten trat der Raffer.

22

Verschleiert und eisengrau brach der neue Tag über Arborlon an. Schwarze Wolken jagten sich am Himmel. Als Wil und Amberle sich angekleidet und ihr Morgenmahl eingenommen hatten, hatte es schon zu regnen begonnen. Erst waren es nur ein paar Tropfen, doch sie verdichteten sich rasch zu stetig herabströmenden Wasserschnüren, die prasselnd auf das Dach des Häuschens aufschlugen. In der Ferne erschütterten krachende Donnerschläge die Wälder. »Bei diesem Wetter seid ihr nicht so leicht zu finden«, stellte Allanon mit Befriedigung fest und führte sie in das Gewitter hinaus. In lange Reiseumhänge gehüllt, unter denen sie wollene Kittel und Hosen und dazu hohe Lederstiefel trugen, marschierten sie hinter dem Druiden her durch den strömenden Regen. Er führte sie über Waldpfade am äußersten Westrand der Stadt den breiten Rücken des Carolan entlang. Wil und Amberle, kaum fähig, die Hand vor den Augen zu sehen in der frühsommerlichen Düsternis, blieben ihm dicht auf den Fersen. Bruchstückhafte Bilder von Häusern und Bäumen, von Zäunen und Gärten tauchten wie Luftspiegelungen aus dem Dunst auf und zerflossen wieder. Ein scharfer kalter Wind blies ihnen den Regen ins Gesicht, obwohl sie die Kapuzen tief in die Stirn gezogen hatten. Mit gesenkten Köpfen wateten sie durch Pfützen und schlammige Bäche, die sich in den Furchen des Ziehwegs bildeten, dem sie folgten.

Auf der anderen Seite der Stadt schwenkte Allanon plötzlich von dem Pfad ab und führte sie zu einem einsamen Stallgebäude, das linker Hand an einen Hang gelehnt stand. Die zweiflügelige Holztür war nur angelehnt, und eilig schlüpften sie unter das schützende Dach. Durch die Ritzen der Fensterläden und durch Sprünge in den verwitterten Mauern sickerte graues, dunstiges Licht in das Innere des Baus. Die Luft roch muffig und scharf.

Sie blieben stehen, um sich das Wasser von den Umhängen zu streifen, dann steuerten sie auf die Tür im Hintergrund des Stalls zu. Wie durch Zauber tauchten plötzlich zwei schwerbewaffnete Elfen-Jäger aus dem dämmrigen Grau auf und gesellten sich an ihre Seite. Allanon beachtete sie nicht. Ohne sich auch nur umzudrehen, schritt er geradewegs auf die Tür zu. Nachdem er geklopft hatte, legte er eine Hand auf die verrostete eiserne Klinke und blickte dann zu Amberle zurück.

»Fünf Minuten. Mehr Zeit haben wir nicht.«

Er stieß die Tür auf. Amberle und Wil spähten in den Raum dahinter, wo Sattelzeug aufbewahrt wurde. Crispin stand dort, und an seiner Seite eine Elfenfrau in langem Umhang mit Kapuze. Die Frau streifte die Kapuze ab, und verdutzt sah Wil, daß ihr Gesicht, wenn auch älter, Amberles Züge widerspiegelte. Allanon hatte sein Versprechen wahrgemacht; es war Amberles Mutter.

Amberle stürzte auf sie zu, umschlang sie mit beiden Armen und küßte sie. Crispin trat aus dem Sattelraum heraus und zog leise die Tür hinter sich zu.

»Niemand ist euch gefolgt.« So, wie der Druide es sagte, klang es wie die Feststellung einer Tatsache.

Der Hauptmann der Leibwache schüttelte den Kopf. Er war gekleidet wie die anderen Jäger — in eine lose sitzende, bequeme Uniform, deren Graubraun gut mit den Farben des Waldes verschmolz. Unter dem Umhang, der um seine Schultern lag, trug er an dem Gürtel um seine Leibmitte mehrere lange Messer. An der Hüfte hing ein breites Schwert herab, und auf den Rücken geschnallt war ein Bogen aus Eschenholz. Das vom Regen feuchte und zerzauste lichtbraune Haar verlieh ihm etwas Jungenhaftes; doch die braunen Augen blickten ernst und männlich. Er nickte Wil kurz zu, dann trat er zu seinen Jägern. Einer von ihnen eilte auf ein paar Worte von ihm schweigend aus dem Schuppen in den Regen hinaus, während der andere zum Heuboden hinaufstieg. Sie bewegten sich so geschmeidig und behende wie Katzen.

Minuten verrannen. Wil stand stumm neben Allanon und lauschte dem Rauschen des Regens, der in Kaskaden auf das Stalldach prasselte. Er hatte das Gefühl, daß die Feuchtigkeit ihm durch Mark und Bein drang.

Endlich trat der Druide wieder zu der Tür zum Sattelraum und klopfte leise. Einen Augenblick später öffnete sich die Tür, und Amberle und ihre Mutter erschienen. Beide hatten geweint. Allanon nahm die Hand des Elfenmädchens und hielt sie fest.

»Es ist Zeit. Ihr müßt gehen. Crispin wird euch sicher und wohlbehalten aus Arborlon hinausgeleiten. Deine Mutter wird hier bei mir bleiben, bis du fort bist.« Er hielt einen kurzen Moment inne.

»Hab Vertrauen, Amberle. Sei tapfer und mutig.«

Amberle nickte stumm. Dann trat sie noch einmal zu ihrer Mutter hin und umarmte sie. Allanon winkte derweilen Wil Ohmsford zu sich.

»Ich wünsche dir Glück, Wil Ohmsford.« Seine Stimme war kaum vernehmbar. »Denke daran, daß ich mich mehr als alles andere auf dich verlasse.«

Er schüttelte Wil kurz die Hand und trat dann zurück. Wil sah ihn einen Moment lang an, dann spürte er Crispins Hand auf seiner Schulter und drehte sich um.

»Bleibt dicht bei mir«, empfahl der Elf und ging schon auf die große Stalltür zu.

Wil und Amberle folgten ihm. An der Tür blieb er stehen und stieß einen schrillen Pfiff aus, um den anderen Jägern das Signal zu geben. Beinahe augenblicklich erscholl die Antwort. Crispin glitt durch die Tür in den Regen hinaus. Wil und Amberle zogen ihre Umhänge fester um sich und eilten ihm nach.

Schnell liefen sie den Hang hinunter zum Ziehweg, gingen ein kurzes Stück in der Richtung, aus der sie gekommen waren, und bogen dann in einen anderen Pfad ein, der nach Osten führte. Drei Elfen-Jäger, die wie Schatten aus dem Wald auftauchten, schlossen sich ihnen an. Wil warf noch einen Blick zurück zu dem einsamen Schuppen, doch er war schon in Dunst und Regen verschleiert.

Der Pfad wurde jetzt sehr schmal, und die Bäume des Waldes rückten immer näher heran. Zwischen dunklen, regenfeuchten Stämmen hindurch und unter durchhängenden, wasserschweren Zweigen hinweg folgten die sechs Wanderer dem von Furchen durchzogenen Pfad hügelabwärts. Er mündete schließlich in einer langen Holztreppe, die sich den Hang hinunter durch den Wald wand. Weit unten, kaum erkennbar durch die Schwaden allmählich lichter werdenden Nebels, lag das graue Band des Singenden Flusses. Im Osten dehnten sich Weiden und Wälder aus.